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Bilanz des abgeschlossenen UFSP «Künstliche Fotosynthese»

«Die Katalysatoren für uns arbeiten lassen»

«Wir haben enorme wissenschaftliche Fortschritte gemacht. Das wird es uns hoffentlich erlauben, die ersehnte Technologie der Energiegewinnung durch künstliche Fotosynthese anzuschieben», zieht UFSP-Direktorin Greta Patzke Bilanz. Der UFSP «Künstliche Fotosynthese» schaffte es, sich in der weltweit sehr kompetitiven Forschungslandschaft durch seinen breiten Ansatz als Leuchtturmprojekt zu positionieren.
Brigitte Blöchlinger
Mitglieder des UFSP «Künstliche Fotosynthese» an der letzten Summer School in Les Diablerets (Foto: zVg)

Wichtigste Resultate

Die Fotosynthese von Pflanzen ist ein sehr komplexer Prozess, der bis heute nicht zu hundert Prozent verstanden wird – dessen war sich Initiator Roger Alberto des UFSP «Künstliche Fotosynthese» zu Beginn des zwölfjährigen Forschungsunterfangens bewusst. Nach vielen Jahren interdisziplinären Tiefenstudiums kann seine Nachfolgerin, die Chemikerin und derzeitige UFSP-Direktorin Greta Patzke, nun entscheidende Fortschritte vermelden: «Wir haben Grundlegendes verstanden und eine Vielzahl neuer Katalysatoren hevorgebracht.»

Umweltfreundliche Katalysatoren
Im Prozess der künstlichen Fotosynthese nehmen Katalysatoren eine zentrale Rolle ein. Deren Herstellung ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Die grössten Herausforderungen dabei: Die Katalysatoren müssen effizient und stabil sein – und anpassungsfähig an die unterschiedlichen pH-Werte, die es braucht, um H2 und O2 zu erzeugen. «Das haben wir geschafft», so Patzke. «Die Lehrjahre, in denen wir die Dynamik von Katalysatoren verstehen lernten, liegen hinter uns. Jetzt kommen hoffentlich sozusagen die Herrenjahre, wo unsere Katalysatoren für uns arbeiten und Produkte im grösseren Massstab liefern.»

Die UFSP-Forschenden entwickelten neuartige, effiziente und umweltfreundliche Katalysatoren, deren strukturelle, elektronische und optische Eigenschaften optimal für die jeweiligen Einsätze angepasst werden können – zum Beispiel für eine direkte fotokatalytische Wasserspaltung oder für die klassische Wasserelektrolyse. «Wir haben ein Substanz-Portfolio geschaffen, aus dem wir nun schöpfen können», sagt Patzke. «Wir können Moleküle herstellen, Nanopartikel, Festkörper, Beschichtungen – alles.»

Ergänzende Kooperationen
Die UFSP-Forschenden schafften es, die einzelnen Schritte der Energiegewinnung – Ladungsträger aus Licht, Oxidation und Reduktion von Wasser – im Labor in funktionelle Systeme zu kombinieren. Mehr noch: Das Forschungsteam kann dank Kooperationen mit ausgewählten Partnern fast alle nötigen Synthese- und Analysetechniken selbst durchführen.

Mit der Empa in Dübendorf wurde eine niederschwellige wissenschaftliche Kollaboration etabliert, die das Know-how des UFSP gemäss Patzke perfekt komplementiert. So verfügt die Empa über analytische Techniken, mit denen die Wechselwirkung von Wasserstoff mit Materialien auf neuem Niveau untersucht werden kann – dies ist besonders für Speicherung und Transport wichtig. Die LightChEC-Forschenden haben sich ausserdem mit der UZH-Wirtschaftschemie vernetzt, die technoökonomische Analysen für den Schritt in die Anwendbarkeit vornehmen kann. «Wir haben hier einen Hub aufgebaut, der grossartig ist», sagt Patzke. Der UFSP LightChEC verfügt am Ende seiner Laufzeit über ein grosses Arsenal an Expertise und Kooperationen, um die Komponenten in Bezug auf die Mechanismen, die Herstellung, die Wirksamkeit, die Langlebigkeit und Wirtschaftlichkeit unter einem Dach überprüfen zu können.

Wissenschaftler:innen mit einer Mission
Auch der Wert der universitären Ausbildung sollte nicht unterschätzt werden, so Patzke. Im Rahmen des UFSP waren nahezu 90 junge Wissenschaftler:innen beteiligt, «die begeistert sind vom Gedanken, das Sonnenlicht in einer Prozessführung für die Produkterzeugung breiter zu nutzen». Auch wenn UZH-Absolvent:innen eine andere Stelle antreten, «tragen sie als Botschafter:innen einer menschlichen Fotosynthese, die umweltfreundlich, nachhaltig, lowtech, bezahlbar und sauber ist, unsere Mission in alle Welt» – und idealerweise auch zu potenziellen Industriepartnern.
 

Portrait Greta Patzke

Das grossartige Team hat den UFSP LightChEC zu einem international ausstrahlenden Leuchtturmprojekt gemacht.

Chemieprofessorin Greta Patzke, Direktorin UFSP «Künstliche Fotosynthese»

Grösste Überraschung und gesellschaftliche Relevanz

Was hat die Direktorin des UFSP in den vergangenen zwölf Jahren Forschung am meisten überrascht? «Wie dynamisch und veränderungsfreudig Katalysatoren sind. Und wie viel wir noch über vermeintlich simple anorganische Systeme lernen müssen.»

Der gesellschaftliche Nutzen des UFSP «Künstliche Fotosynthese» liegt auf der Hand. Mithilfe der künstlichen Photosynthese liesse sich quasi unlimitiert Sonnenenergie in Wertstoffe umwandeln. Ein sauberes, nachhaltiges und kostengünstiges Verfahren würde viele Probleme lösen: Die Menschheit könnte von Öl und Gas wegkommen und einen grossen Teil ihres Energie- und Grundstoffbedarfs mit der Erzeugung von klimaneutralem Wasserstoff befriedigen. Deshalb besteht das gemeinsame Ziel nach Abschluss des UFSP darin, dass das Verfahren, Licht in chemische Energie umzuwandeln, nicht nur im Labor funktioniert, sondern für die industrielle Anwendung interessant wird.

Profilierung

Dass der umfassende Ansatz des LightChEC-Teams in einer international hoch kompetitiven Forschungslandschaft weithin anerkannt wird, zeigt sich auch darin, dass für Summer Schools und Symposien exzellente Forschende aus aller Welt als Referierende gewonnen werden können, so Patzke. «Das grossartige Team hat den UFSP LightChEC zu einem international ausstrahlenden Leuchtturmprojekt gemacht.»

Patzke selbst hat neben der Forschung viel Öffentlichkeitsarbeit geleistet: Sie hat Fuss gefasst in Akademien und wirtschaftsnahen Verbänden und sich breit eingesetzt, um die Öffentlichkeit und zunehmend auch die Industrie für ihren Ansatz zu begeistern. Als «Botschafterin der menschlichen Photosynthese» – wie sie ihre Aktivitäten zusammenfasst – schafft sie es immer wieder, die Menschen für Chemie zu interessieren und ihnen zu vermitteln, dass das «auf klar verständlichen Grundlagen aufbaut, an denen sie auch selbst teilnehmen können».

Persönliches Highlight

Als Greta Patzke bei der Gründung des UFSP «Künstliche Fotosynthese» mitarbeitete, hatte sie ein recht klassisches Bild von der Festkörperchemie. «Im Laufe der UFSP-Studien haben wir gezeigt, wie dynamisch diese bisher als extrem stabil angesehenen Festkörper-Katalysatoren sind.» Moleküle würden zum Beispiel unter einer angelegten Spannung und unter Lichteinwirkung teils grossen Veränderungen unterliegen. Aber auch Festkörpermaterialien, die bisher als deutlich stabiler angesehen wurden, können massive Umstrukturierungen erleiden. «Es zeigt sich eine unglaubliche Komplexität und ein neues, dynamisches Bild fester Materialien», so Patzke, «das in der Community intensiv diskutiert wird.» Dass sich selbst gestandene Lehrbuchansichten ändern können, findet die Chemikerin spannend. «Wenn man nur in den eigenen Überlegungen bestätigt würde, wäre die Wissenschaft nicht sehr begeisternd.»

Wie geht es weiter?

Dass die LightChEC-Forschenden dank ihren lokalen Kooperationen fast nichts outsourcen müssen, verschafft ihnen für die Umsetzung in die fotochemische Praxis einen Vorsprung gegenüber Mitkonkurrenten. Langfristig schwebt ihnen eine kostengünstige, nachhaltige Lowtech-Technologie mit einfachen Reaktoren vor – «im allerbesten Fall wären das rezyklierbare Plastiksack-Reaktoren mit einer kompressorgetriebenen, solarbetriebenen Trennungstechnologie», überlegt Patzke. Ihre Vision ist es, eine europäische Technologie zu etablieren: «eine Innovation, die aus unseren Breitengraden auf den Markt kommt».

An der UZH wird sich Patzke nun auf die Optimierung der entwickelten Katalysatoren – insbesondere deren Langlebigkeit – konzentrieren, um sie marktreif zu machen. Das Produkt-Portfolio soll erweitert werden. Beispielsweise könnten sich die am UFSP entwickelten umweltfreundlichen Katalysatoren auch für die Umwandlung von Biomasse in Wasserstoff oder andere Wertstoffe wie Kunststoff-Vorläufer eignen.

Eine Million Schweizer Franken für die Weiterentwicklung ihrer Vision: Greta Patzke (r) und David Tilley (Mitte) im Juni 2023 an der Preisverleihung der Werner Siemens-Stiftung.

2023 haben Greta Patzke und David Tilley das Finale des «Jahrhundertwettbewerbs» der Werner Siemens-Stiftung erreicht – unter den letzten sechs von insgesamt 123 Teams am Start. Zwar gab es dann nicht hundert, sondern eine Million Franken, aber dieser Erfolg war der Kick-off für das neue Solarreaktor-Projekt. «Wir wollen in rund sechs Jahren einen Reaktor-Prototyp herstellen, mit dem Ziel, Produktionspartner zu finden, die das Verfahren im industriellen Umfang aufskalieren können», sagt Patzke.

Mit dem aktuellen Wissensstand lässt sich in sonnenreichen Ländern eine mittel- bis grossskalige Technologie zur Umwandlung des Sonnenlichtspektrums in Wasserstoff realisieren, so Patzke. Anders in sonnenärmeren Ländern wie der Schweiz. «Doch wenn wir die gewonnenen Erkenntnisse zur Fotokatalyse auf andere Reaktionen ausweiten, also weg vom Wasserstoff gehen und Katalysatoren für die Herstellung anderer Wertstoffe entwickeln, zum Beispiel für die Veredelung von Biomasse oder zur Herstellung von Polymer-Bausteinen, von Ammoniak, Feinchemikalien oder ähnlichem, dann werden wir unsere Verfahren sogar in der Schweiz durchführen können», sagt Patzke.