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Die Welt retten

Die Wasserstoffgesellschaft

Aus Wasserstoff lassen sich sauber Strom, Treibstoffe, aber auch Dünger produzieren. Das Problem: Wasserstoff wird heute wenig nachhaltig produziert. Das könnte sich ändern – mit künstlicher Photosynthese.
Roger Nickl
Sollte Wasserstoff künftig saubere Energie liefern, müsste er auch nachhaltig, ohne CO2-Emissionen hergestellt werden. (Video: UZH Kommunikation / Multimedia and E-Learning Services UZH)


Wasserstoff steht mit der Ordnungszahl 1 an erster Stelle des Periodensystems der chemischen Elemente. Für Roger Alberto steht er auch in Pole-Position, wenn es um die Frage nach sauberen Energieträgern geht. Denn dass wir von den fossilen Brennstoffen wegkommen müssen, ist für den Chemiker klar. «Zum einen weil Erdgas, Erdöl und Kohle für den Klimawandel verantwortlich sind, zum anderen weil diese Energieträger nicht unendlich verfügbar sein werden.» Ganz im Gegensatz zu ­Wasserstoff, der, gebunden in Wasser, in unerschöpflichen Mengen vorhanden ist.

Wasserstoff hat viele Qualitäten. Er ist ein exzellenter Energiespeicher, zudem umwelt­verträglich und vielseitig verwendbar. Aus dem Stoff, der bei Raumtemperatur gasförmig ist, lassen sich Strom, Erdgas und flüssige Treibstoffe produzieren. Aber auch Dünger für die Landwirtschaft: Rund die Hälfte der 550 Milliarden Kubikmeter Wasserstoff, die jährlich weltweit hergestellt werden, werden zur Produktion von Dünger verwendet.

Wasserstoff-LKW

Autohersteller weltweit träumen bereits heute von einer künftigen Wasserstoffgesellschaft. Sie versuchen die Qualitäten von Wasserstoff zu nutzen und arbeiten an den nachhaltigen ­Karossen der Zukunft. Kernstück ist eine Brennstoffzelle, die Wasserstoff in elektrische Energie umwandelt. Aus dem Auspuffrohr der Wasserstoffautos qualmt nicht mehr CO2 wie bei Benzin­motoren, sondern Wasserdampf. Vor kurzem hat der Kanton Zürich die ersten beiden Wasserstoffautos in Betrieb genommen und der Grossverteiler Coop will in den kommenden Jahren eine Fahrzeugflotte mit Wasserstoff-LKW aufbauen.

Wasserstoff hat das Zeug dazu, uns vorwärts zu bringen und künftig unseren Energiebedarf umweltverträglich und nachhaltig zu decken. Der Haken dabei: Das potente Gas wird heute alles andere als sauber und klimaneutral produziert. 96 Prozent des heute verwendeten Wasserstoffs werden aus Kohle, Erdöl oder Erdgas hergestellt. Bei der Produktion gelangen Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre. Deshalb steuert der an sich saubere Energieträger im Moment wenig bis gar nichts zum Klimaschutz bei.

Sollte Wasserstoff künftig saubere Energie liefern, müsste er auch nachhaltig, ohne CO2-Emissionen hergestellt werden. «Er sollte kohlenstofffrei produziert werden», sagt Roger Alberto. Möglich ist dies etwa mit Elektrolyse, einem Verfahren, bei dem Wasser mit Hilfe von elektrischer Energie in Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt wird. Rund vier Prozent des weltweit produzierten Wasserstoffs werden auf diesem Weg gewonnen. Die Crux dabei: Solange der Strom, der in die Elektrolyse gesteckt wird, nicht aus nachhaltigen Quellen, etwa Wasserkraftwerken, Sonnenkollektoren oder Windkraftwerken, stammt, ist damit nicht viel erreicht.

Roger Alberto und mit ihm ein Konsortium von Chemikerinnen und Physikern an der UZH und der Empa verfolgen am Universitären Forschungsschwerpunkt LightChEC eine andere Strategie. Sie wollen mit künstlicher Photosynthese Wasser spalten und so Wasserstoff gewinnen. «Unsere Idee ist, Sonnenlicht direkt in chemische Energie umzuwandeln», sagt Roger Alberto. Im Labor funktioniert die Wasserstoffherstellung mittels künstlicher Photosynthese schon. Wenn auch nur für kurze Zeit. Die grosse Herausforderung, «der wunde Punkt», wie Alberto sagt, ist für die Wissenschaftler, Katalysatoren zu entwickeln, die langlebig und effizient sind. Katalysatoren sind Reaktionsbeschleuniger und bei der künstlichen Photo­synthese zentral, denn sie bringen den Spaltungsprozess, die Reduktion beziehungsweise Oxidation von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff erst ins Rollen.

UV-Strahlen zerstören Katalysatoren

Mit den Katalysatoren, die die UZH-Forschenden bislang entwickelt haben, läuft die künstliche Photosynthese höchstens zwei Wochen, dann haben sie sich zersetzt und müssen ausgewechselt werden. Das ist noch viel zu kurz. «Eigentlich müssten Katalysatoren jahrelang unter Sonnenbestrahlung funktionieren, doch die UV-Strahlen im Sonnenlicht zerstören sie», sagt Alberto. Von einer Lösung des Problems sind die Forschenden noch weit entfernt. Ideal wären Reaktionsbeschleuniger, die sich selbst erneuern. Aber die Natur habe drei Milliarden Jahre lang an der Katalysatorfrage gearbeitet und sei auch nicht viel weiter, sagt Alberto und lacht, denn in der natürlichen Photosynthese wird der Katalysator, der Sauerstoff oxidiert, alle halbe Stunde ersetzt.

Ob mit künstlicher Photosynthese künftig im grossen Massstab Wasserstoff hergestellt wird, ist heute noch ungewiss. «Eine nachhaltige Gesellschaft, die vollständig auf Wasserstoff setzt, ist aber denkbar», sagt Alberto. Klar ist für ihn auch, dass der saubere Wasserstoff der Zukunft nicht aus einer bestimmten Quelle kommt, sondern mit unterschiedlichen Verfahren hergestellt wird.

Noch sind wir nicht so weit. Doch die Energiewende müsse absehbar sein, sagt Alberto. An alternativen Energien führe kein Weg in Richtung Zukunft vorbei. Die Wasserstoffgesellschaft könnte bis 2040 Wirklichkeit werden, wenn Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zusammenspannen, wie sie dies vor über 50 Jahren beim Apollo-Projekt getan haben, meint der Chemiker. Damals gelang es den USA mit geballter Kraft und einer gemeinsamen Vision, innerhalb von zehn Jahren den ersten Menschen auf den Mond zu bringen.