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Bilanz UFSP «Finanzmarktregulierung»

«Regulierung allein kann die nächste Krise nicht verhindern»

Der Ruf nach einer verbesserten Regulierung des Finanzmarkts in der Schweiz wurde während der 12-jährigen Laufzeit des Universitären Forschungsschwerpunkts (UFSP) «Finanzmarktregulierung» lauter. Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftler:innen des UFSP brachten ihre Expertise in den Reformprozess ein. Eine Bilanz von UFSP-Direktor Rolf Sethe, Professor für Privat-, Handels- und Wirtschaftsrecht, nach Abschluss des UFSP.
Interview: Nicole Bruggmann
Die UBS und die Credit Suisse (Foto: Octavian Lazar/iStock)
Die Debatte um die Regulierung von Finanzmärkten ist durch die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS drängender geworden. (Foto: Octavian Lazar/iStock)

Rolf Sethe, der UFSP «Finanzmarktregulierung» hat die bestehenden und die geplanten Konzepte zur Gesetzgebung der Finanzmärkte auf nationaler und internationaler Ebene analysiert. Welches sind die wichtigsten Resultate in Bezug auf den Schweizer Finanzmarkt? 

Rolf Sethe: Wir konnten unsere Expertise in die politische Debatte bei der Schaffung von vier wichtigen Reformgesetzen einbringen: in das Finanzmarktinfrastrukturgesetz, das Finanzinstitutsgesetz, das Finanzdienstleistungsgesetz und das «Distributed Ledger Technologie»-Gesetz, kurz DLT-Gesetz. Wir haben interdisziplinäre Stellungnahmen im Rahmen der Vernehmlassungen abgegeben und Rechtsgutachten für das Bundesamt für Justiz erstellt sowie zahlreiche kritische Fachaufsätze aus ökonomischer und juristischer Perspektive verfasst. 

Nach Verabschiedung der Reformgesetze erläuterten wir diese durch umfangreiche Kommentierungen und Fachbeiträge und organisierten einen jährlichen Expertenaustausch mit Vertreter:innen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht zu den neuen Regeln. 

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Es ist sinnvoll, bei der Regelung von Rechtsfragen einen neutralen Player zu haben, der nach der besten Lösung für ein Problem sucht.

Rolf Sethe, Direktor UFSP «Finanzmarktregulierung»

Und an der UZH?

An der UZH begründeten wir zwei interdisziplinäre Weiterbildungsstudiengänge zu Finanzmarktrecht und Wealth Management, die sich grosser Beliebtheit erfreuen. Zudem haben wir elf hochkarätige Jahrestagungen zu unterschiedlichen ökonomischen und juristischen Schwerpunkten mit Expert:innen aus anderen Rechtsordnungen organisiert und hatten dabei Zuhörer:innen aus aller Welt. Umgekehrt waren unsere Mitglieder bei zahlreichen ausländischen Tagungen eingeladen.

Rolf Sethe bei einem Aufenthalt an der Universität Tokyo, einem Kooperationspartner des UFSP. (Foto: zVg)
UFSP-Direktor Rolf Sethe bei einem Treffen an der Universität Tokyo, einem Kooperationspartner des UFSP «Finanzmarktregulierung». (Foto: zVg)

Was ist aus diesem internationalen Austausch entstanden? 

Der UFSP hat viele Ergebnisse produziert, die auch über die Landesgrenzen hinaus zur Kenntnis genommen wurden. So wurden wir beispielsweise 2018 Mitglied des European Banking Institutes, und 2021 fragte uns UNIDROIT an, ob wir bei der Entwicklung eines internationalen Reformvorschlags zu Bankenkonkursen als Experten zur Verfügung stehen. 

Unseren jährlichen Expertenaustausch mit Vertreter:innen der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht haben wir mit der Zeit auf Deutschland und Österreich ausgeweitet, und so entstand daraus ein jährliches Dreiländertreffen, bei dem wir auch neue Entwicklungen diskutieren konnten, die noch nicht reguliert sind.  

Was hat Sie persönlich in den letzten zwölf Forschungsjahren am meisten überrascht?

Der extrem schnelle Wandel des Finanzmarktrechts durch die Einführung der Blockchain und das schnelle Aufkommen des Themas Sustainable Finance. Zu Beginn des UFSP im Jahr 2013 haben wir vor allem über die Milliardenverluste der UBS gesprochen und dass die Schweizer Grossbank «too big to fail» sei – und kurz darauf kamen überraschend schnell die Themen Blockchain und Sustainable Finance auf, die die Diskussion überrollten und die anderen Themen an den Rand drängten. Wir haben in den letzten zwölf Jahren erlebt, wie sich unser Gebiet rasant in eine Richtung weiterentwickelt hat, die nicht vorhersehbar war. 

Und was ebenfalls bemerkenswert ist: Wir haben nach 2013 mit der Bewältigung der Finanzmarktkrise und der Krise der UBS begonnen und enden jetzt durch den Zusammenbruch der CS wieder mit einer Krise. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie.

Die Expertise der UFSP-Forschenden wird geschätzt, weil sie als neutral wahrgenommen wird. Was ist der Vorteil dieses Ansatzes? 

Es ist sinnvoll, bei der Regelung von Rechtsfragen einen neutralen Player dabeizuhaben, der nach der besten Lösung für ein Problem sucht und alle Standpunkte und nicht nur den eigenen einbezieht. Neutralität und Unabhängigkeit sind die entscheidenden Kriterien, um nach aussen glaubhaft zu sein. Welche Lösung sich politisch durchsetzt, das haben wir Forschenden nicht in der Hand. Aber wir können die möglichen Lösungen aufzeigen. 

Wenn man Konkurse nur als schädlich ansieht, dann verlieren die Banken jede Innovationsfähigkeit, darunter leiden in der Folge der Markt und wir als Kunden.

Rolf Sethe, Direktor UFSP «Finanzmarktregulierung»

Die durch die Finanzkrise ausgelöste politische Debatte um die verschärfte Regulierung von Finanzmärkten ist durch die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS noch drängender geworden und von hoher wirtschaftlicher Relevanz. Wie sähe die perfekte Regulierung systemrelevanter Banken in der Schweiz aktuell aus? 

Es gibt keine perfekte Regulierung, da jede Krise anders ist. Krisen haben immer unterschiedliche Ursachen und Rahmenbedingungen, und es sind unterschiedliche politische Akteure involviert. Wir können nicht im Voraus mit einer Regulierung die nächste Krise verhindern. Aber man kann dafür sorgen, dass Risikopolster vorhanden sind. Die rechtliche Regulierung muss so geschaffen sein, dass möglichst spät und möglichst wenige Krisen entstehen. Und wenn trotzdem eine Krise kommt, muss sie so abgefedert werden, dass die Systemstabilität gewährleistet ist.  

Wir dürfen Konkurse von Banken nicht verhindern. Der Wettbewerb funktioniert nur, wenn auch Markteilnehmer, die keine gute Leistung erbringen, am Markt ausscheiden können. Wenn man das unterbindet und Konkurse per se als schädlich ansieht, wie man es noch vor 50 Jahren getan hat, dann verlieren die Banken jede Innovationsfähigkeit. Darunter leiden in der Folge der Markt und wir als Kund:innen. Das Finanzmarktrecht hat also nicht die Aufgabe, Konkurse zu verhindern, sondern die Auswirkungen von Konkursen abzumildern und «Ansteckungen» zu unterbinden.  

Was hat der UFSP «Finanzmarktregulierung» der Gesellschaft gebracht?  
 
Der UFSP hat die Regulierungsmassnahmen der letzten Jahre intensiv begleitet, und die Schweizer Politik hat bei den Reformen in zahlreichen Einzelfragen auf die Wissenschaft gehört. Ein wesentlicher Grund hierfür war nicht zuletzt unsere Unabhängigkeit. Zudem ist es uns gelungen, das Thema Finanzmarktregulierung im Studium und in der  Weiterbildung zu verankern und unsere Forschung innerhalb und ausserhalb der Schweiz sichtbar zu machen.

Teilnehmer:innen einer Konferenz zum Prospektrecht an der Universität Nijmegen, einem Kooperationspartner des UFSP «Finanzmarktregulierung» (Foto: zVg)
Teilnehmer:innen einer Konferenz zum Prospektrecht an der Universität Nijmegen, einem Kooperationspartner des UFSP «Finanzmarktregulierung» (Foto: zVg)

Was war Ihr persönliches Forschungs-Highlight während des UFSP? 

Dass wir eine Vernetzung mit anderen Forschungsstandorten erreicht haben und eine Reputation als neutraler Player im Finanzmarktrecht aufbauen konnten. Und dass wir seit 2013 fünf Habilitanden und Habilitandinnen ausgebildet haben, die heute alle einen Lehrstuhl innehaben. Ein weiterer Assistenzprofessor wechselt im Juli zu einer Zentralbank. 

Wie geht es nun weiter?  

Für mich ist es ein grosser Erfolg, dass es uns gelungen ist, den UFSP zu verstetigen und als Center for Financial Market Regulation fortzuführen, das international sichtbar ist und als Spitzenforschungsinstitut anerkannt wird. 

Unsere Forschung konzentriert sich weiterhin auf Themen wie Behavioral Finance, Decentralised Finance, Sustainable Finance, Blockchain, Kryptowerte, Digital Money, FinTech sowie KI. Selbstverständlich werden wir aber auch die Kommentierungen von finanzmarktrechtlichen Erlassen weiterführen und das klassische Finanzmarktrecht pflegen.