Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Künstliche Photosynthese

Wasser spalten

Die Chemikerin Sandra Luber hat viele Begabungen. Eine Musikerinnenkarriere wäre naheliegend gewesen. Sie entschied sich jedoch für die Wissenschaft. Nun arbeitet sie an der künstlichen Photosynthese. Wenn diese gelingt, könnten auf einen Schlag grosse Klimaprobleme gelöst werden.
Simona Ryser
Sandra Luber
«Wasserstoff könnte umweltschädliche Treibstoffe wie Benzin ersetzten», sagt Sandra Luber.

 

Im Irchelpark spriesst es grün. Die Sonne scheint. Pflanzen, Gräser und Bäume wiegen sich im Wind. Die Natur läuft wieder zur Hochform auf. Doch nicht nur draussen, auch drinnen ist die Photosynthese in Aktion. Sandra Luber, Professorin für Theoretische Chemie, beschäftigt sich im Rahmen des universitären Forschungsschwerpunkts Solar Light to Chemical Energy Conversion (Light-ChEC) mit der künstlichen Photosynthese. Ihre Gruppe erforscht die sonnengetriebene, artifizielle Wasserspaltung in Sauerstoff und Wasserstoff. Wasserstoff ist begehrt, weil er vielversprechender Ausgangsstoff für die Entwicklung von ökologisch verträglichen Energieträgern und Treibstoffen ist.

Die Forscherin, die für ihre Arbeit bereits reihenweise Preise eingeheimst hat, spaziert täglich durch den Irchelpark. Den Arbeitsweg von ihrem Zuhause in Wipkingen bis hierher geht sie zu Fuss. Es sei ihrZeitfenster zum Abschalten, sagt Luber.

Eigentlich ist Sandra Luber ein Kind vom Land. Aufgewachsen in der Nähe des bayerischen Regensburg in einem äusserst musikalischen Haushalt. Luber erzählt kichernd. Man kann es sich lebhaft vorstellen,wie sie mit ihren zwei Schwestern landauf, landab gespielt hat, sie mal an der Zither, mal am Kontrabass, die Schwestern an der Geige, Gitarre, am Akkordeon. Bis heute sendet der Bayerische Rundfunk ab und an Aufnahmen des Trios, sagt die bescheidene SNF-Professorin. Eine Musikerinnenkarriere wäre naheliegend gewesen.

Schnell gelangweilt

Doch es kam anders. Obwohl sie das Gymnasium mit musischem Pro l gemacht und als Amateurmusikerin gar mehrere Preise erhalten hat, wollte Luber nicht Musik studieren. Ein brotloser Beruf, dachte sie sich und entschied sich erst mal ganz pragmatisch für die Verwaltung – Beamtin wäre immerhin ein sicherer Job, und die Universität und die Stadt Regensburg lockten. Doch bereits nach einem halben Jahr langweilte sie sich derart, dass sie ihre Ausbildung abbrach.

Luber seufzt lachend. Die Langeweile sei immer das Problem – und der Antrieb zum nächsten Karriereschritt – gewesen. Jedenfalls habe sie dann kurzerhandbeschlossen, Chemie zu studieren – etwas Handfestes, wie sie sagt, und ausserdem war Chemie neben Physik, Musik und Latein das Fach, das sie in der Schule am meisten interessiert hatte. Mit ihrem musischen Abiturprofil musste sie im Studium an der Universität Erlangen-Nürnberg anfangs etwas Stoff nachbüffeln, doch das kostete sie keine Mühe.

Sie tüftelt und experimentierte mit den Kommilitonen im Labor mit Reagenzglas und Bunsenbrenner. Bald war ihr das zu ungenau. «Ich wollte genau wissen, was da passiert», sagt Luber. So kam sie zur Theoretischen Chemie. Dort liess sich präzise berechnen, beschreiben, simulieren und programmieren, was Sache ist, und sie konnte den Dingen endlich auf den Grund gehen. Als sie später als Austauschstudentin an die ETH kam, wurde dort ein Professor auf die schlaue Studentin aufmerksam und motivierte sie, in Zürich zu bleiben und zu promovieren – was sie mit einer Arbeit zur Quantenchemie dann auch mit gewohnter Leichtigkeit tat.

Luber blickt aus dem Fenster, wo die saftigen grünen Blätter an den Bäumen zittern. «Es ist nicht leicht, bei der künstlichen Photosynthese auf einen grünen Zweig zu kommen», sagt die Chemikerin. Dabei klingt es wie ein Traum: Mit künstlicher Pho- tosynthese liessen sich auf einen Schlag grosse klimatische Probleme lösen. Kein Wunder, zerbrechen sich Forschergruppen auf der ganzen Welt den Kopf, wie man die Natur imitieren könnte. Die Gruppe in Zürich konzentriert sich auf die künstliche Wasserspaltung, bei der durch die Lichtabsorption Sauerstoff und Wasserstoff gebildet werden. Luber ist auf den Wasserstoff aus. Er ist ein vielversprechender Ausgangsstoff, man kann ihn gut umwandeln und die Energie speichern, die ursprünglich vom Sonnenlicht hineingesteckt wurde. Wasserstoff ist ein wertvoller Energieträger, den man etwa als Erdgasersatz oder als Treibstoff nutzen könnte, der umweltschädliche Brennstoffe wie Benzin ersetzt.

Als wär’s ein Spaziergang

Luber erklärt, wie es die Natur macht. Nach der Wasserspaltung mit Sonnenlicht geben die Pflanzen den Sauerstoff ab, den wir zum Atmen brauchen, und bilden schlussendlich energiereiche Zuckermoleküle, die sie für sich selber nutzen. Bei der künstlichen Wasserspaltung ist das Ziel, neben dem Sauerstoff auch Wasserstoff zu produzieren. Wie also kommen wir an diesen heran?

«Die natürliche Photosynthese, wie sie in Pflanzen tagein, tagaus abläuft, ist immer noch ein Geheimnis und nicht abschliessend erforscht und beschrieben», sagt Sandra Luber. Einer der Knackpunkte bei der künstlichen Wasserspaltung sind die Katalysatoren. Bisher gibt es noch keinen, der funktioniert: «Entweder ist der Katalysator zu wenig robust und zerfällt gleich wieder nach getaner Arbeit, oder er ist zu wenig effizient oder zu teuer», sagt Luber. Allerdings ist es der Professorin und ihrem Forscherteam nun gelungen, ein ideales Ausgangsmodell zu entwickeln: einen Übergangsmetall-basierten Cuban-Katalysator. «Damit könnte die künstliche Wasserspaltung gelingen», sagt Luber. Der Clou ist, dass der Cuban-Kern wie ein Würfel einen Hohlraum umschliesst – genau wie das der Fall beim Katalysator draussen in der natürlichen Pflanze ist. «Jetzt haben wir ein ideales Modell, das nahe an der Natur ist und uns eine solide Grundlage bietet für die weitere Forschung auf diesem komplexen Gebiet», sagt Luber.

Die Chemikerin erzählt von ihrem Werdegang, als wäre es ein Spaziergang gewesen. Tatsächlich sei ihr vieles zugefallen. Doch so einfach war es auch wieder nicht. Musste sie doch als Frau in der Theoretischen Chemie, einer ausgesprochenen Männerdomäne, auch einiges ertragen. Sie überlegt. Zuweilen sei es auch hart gewesen, ja. Sie wurde nicht ernst genommen, als inkompetent hingestellt, Ideen wurden ihr geklaut. Doch Luber hat Durchhaltewillen. Und sie ist gescheit. So nahm sie es mit jeder Herausforderung auf, immer wieder war sie schnell unterfordert.

Nach der Promotion an der ETH machte sie einenAusflug in die Bioinformatik in Basel, ein Job in der Privatwirtschaft reizte sie. Doch bald wurde es ihr dort langweilig. Gerade zum richtigen Zeitpunkt erhielt sie eine Mail, an der Yale University wäre eine Postdoc-Stelle frei, ob sie kommen wolle. Dort stieg sie in das Forschungsthema ein, das sie bis heute beschäftigt: die Wasserspaltung mittels Photosynthese.

Draussen wanken die Bäume im Wind. Die Professorin hat ihr kleines Büro säuberlich aufgeräumt. Sie sei gut ein Jahr in Yale gewesen, dann musste sie aus persönlichen Gründen zurück nach Europa. Zunächst versuchte sie es noch einmal mit einem Ausflug in die Privatwirtschaft. Sie arbeitete für die BASF und begann eine Ausbildung als Patentanwältin. Doch, man ahnt es schon – auch da wurde es ihr bald zu fad. Die Abläufe wiederholten sich. Es war klar, sie musste zurück in die Forschung. So schloss sie sich 2012 dem Team von Jürg Hutter an der Universität Zürich an, wo sie habilitierte. Sie schüttelt lächelnd den Kopf. Nein, seither habe sie sich nie mehr gelangweilt.

Swing und Blues

Bleibt bei so viel Engagement noch Zeit fürs Musizieren? Luber bewegt den Kopf abwägend, dann nickt sie. Spontan, ab und zu spielt sie zuhause Zither oder Klavier. Ausserdem gehe sie schwofen. Sie tanzt Swing und Blues – ein ziemlich freier Stil, den man zu zweit tanzt – ein Überbleibsel aus der Zeit in Yale.

Dann schauen wir wieder durch das Fenster auf das spriessende Grün. Das Problem der Klimaveränderung drängt und verlangt nach Lösungen. Wie lange dauert es denn noch, bis wir an diesen Wunderstoff, den Wasserstoff, kommen? Schwer zu sagen.

Weiterführende Informationen