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Der derzeitige Anstieg der globalen Temperaturen und der Zusammenhang mit dem Rückzug der Alpengletscher ist bekannt. Dass das menschliche Verhalten für den aktuellen und zukünftigen Klimawandel verantwortlich ist, wird von den meisten Menschen nicht mehr bestritten. Dennoch versuchen manche Kritiker und Zweilflerinnen den Klimawandel mit Aussagen wie «Temperaturschwankungen gab es schon immer», «die Gletscher waren auch schon kleiner als heute» oder «die nächste Eiszeit kommt bestimmt» zu relativieren.
«Diese Aussagen sind nicht grundsätzlich falsch, sie müssen aber in den Kontext zum heutigen raschen Klimawandel gestellt werden», betont UZH-Glaziologe Andreas Linsbauer. Hier setzt das von ihm geleitete und durch den Schweizerischen Nationalfonds geförderte Agora-Projekt «IceAgeCam» an. Die IceAgeCam ist eine Installation am Zürcher Aussichtspunkt Felsenegg, die darauf abzielt, Missverständnisse über den Klimawandel auf einfache Art und Weise zu korrigieren. Sie ist Ergebnis eines interdisziplinären Projekts von Forschenden der Universitäten Zürich und Lausanne sowie der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK).
Situiert auf der Aussichtsterrasse des Restaurants Felsenegg eröffnet die IceAgeCam den Blick auf den Zürichsee und die dahinterliegenden Alpen. Die von dort aus sichtbare Landschaft verdankt ihre Beschaffenheit den formenden Einflüssen der grossen Eiszeitgletschern, was die Felsenegg zu einem geeigneten Standort für die Installation macht.
Die Anlage besteht aus einem grossformatigen Bildschirm flankiert von zwei Pumpen, mit denen die Interaktion gesteuert wird. Wenn man die Pumpengriffe betätigt, startet ein Spiel, bei dem die Nutzer:innen mit den Pumpen den Treibhausgas-Anteil (CO2) in der Atmosphäre verändern und sich entlang eines Zeitstrahls von 800 000 Jahren in der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft bewegen. Gestützt auf wissenschaftliche Prognosen skizziert die IceAgeCam Zukunftsszenarien bis ins Jahr 2100. Neben der dreidimensionalen Panoramaansicht kann zusätzlich eine satellitenähnliche Animation der Alpen über den letzten Eiszeitzyklus betrachtet werden.
Temperatur und Treibhausgas-Anteil (CO2) in der Atmosphäre korrelieren eng miteinander. Die Benutzer:innen erleben durch das spielerische Erhöhen bzw. Senken des CO2-Gehalts mit den Pumpen die landschaftlichen Veränderungen, die durch das Voranschreiten und Zurückweichen der Gletscher über die letzte Million Jahre aufgrund natürlicher Klimaschwankungen entstanden sind. Sie beobachten beispielsweise, wie der Raum um den Zürichsee in einer Kaltzeit vollständig von Eis bedeckt war und in einer Warmzeit gänzlich eisfrei und begrünt erschien. Im Kontrast dazu veranschaulicht das Spiel den abrupten, vom Menschen verursachten Anstieg des CO2-Gehalts, der die historischen Rekordwerte übertrifft – ein visuelles Zeugnis des beschleunigten Tempos des gegenwärtigen Klimawandels.
«Unser Ziel ist es, auf diesen rasanten und extremen Anstieg aufmerksam zu machen und zu veranschaulichen, dass es solch schnelle Entwicklungen in der letzten Million Jahre bisher nicht gab», erklärt Linsbauer. Er fügt hinzu: «Das Ziel ist, ein vielleicht weniger informiertes Publikum für komplexe Themen zu sensibilisieren, indem wir diese in ein kurzes, verständliches Erlebnis übersetzen.» Dafür bietet die Felsenegg als weitläufiger und leicht erreichbarer Aussichtspunkt den idealen Rahmen. Ergänzt wird die Erfahrung durch eine in der Installation integrierte Kamera, mit der sich die Besucherinnen und Besucher selbst vor dem Hintergrund eiszeitlicher Landschaften ablichten können.
Die Simulationen der IceAgeCam stützen sich auf Forschungsarbeiten des Geographischen Instituts der UZH und des Instituts für Erdoberflächendynamik der Universität Lausanne (siehe Kasten). Das verwendete Modell simuliert die Wechselwirkungen zwischen Klima und glaziologischen Prozessen. Um diese Daten in visuell eindrucksvolle, hochauflösende, satellitenähnliche Bilder zu übersetzen, entwickelte ein Team um Guillaume Jouvet, Glaziologe der Universität Lausanne, ein generatives Deep-Learning-Modell. Das Animationsdesign und die Übersetzung in eine attraktive Bildsprache wurde von Designerinnen und Designern der ZHdK unter Niklaus Heeb, Leiter der Fachrichtung Knowledge Visualization, konzipiert und umgesetzt.