Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Zukunft der Arbeit

Die richtige Balance finden

Vor der Corona-Pandemie haben UZH-Mitarbeitende eher wenig zu Hause gearbeitet. Mittlerweile hat die Universität das 60/40-Modell eingeführt. Eine Pilotstudie zeigt, wie die neue Arbeitswelt attraktiv und gewinnbringend gestaltet werden kann. Der Schlüssel dazu: mit scheinbar widersprüchlichen Anforderungen umgehen.
Thomas Gull
Die Arbeitswelt ist heute so komplex, sodass widersprüchliche Anforderungen und Erwartungen aufeinander abgestimmt werden müssen.

Die Corona-Pandemie hat so manches auf den Kopf gestellt. Dazu gehört, wo und wie wir arbeiten. Das gilt auch für die UZH-Angehörigen. Vor Corona wurden etwa 86 Prozent der Arbeitsstunden vor Ort, das heisst an der UZH geleistet. Mit dem Lockdown fanden sich viele UZH-Mitarbeitende von einem Tag auf den anderen im Homeoffice wieder. Dabei stellten sie fest: Es geht auch so. Für viele – allerdings nicht für alle – ging es sogar ganz gut, und sie kamen auf den Geschmack des mobilen Arbeitens. Zu dessen Vorteilen gehört beispielsweise der Spaziergang über Mittag oder ein Powernap auf dem Sofa. Zudem spart man die Zeit und das Geld fürs Pendeln und es ist umweltschonend. Manche können zu Hause auch konzentrierter arbeiten. Die Erfahrungen während der Pandemie haben einen Prozess beschleunigt, der schon davor begann – dank der Digitalisierung ist die Arbeit nicht mehr notwendigerweise an einen bestimmten Ort gebunden.

Die UZH hat auf diese Entwicklung reagiert und im Mai 2022 ein neues Arbeitsmodell eingeführt, das ermöglicht, die Arbeit an der UZH und zu Hause im Verhältnis von 60 zu 40 aufzuteilen. Das heisst, die Mitarbeitenden sind verpflichtet, mindestens 60 Prozent ihrer Arbeit auf dem Campus zu leisten, die übrigen 40 Prozent sind «mobil» möglich, sofern sich das mit den Aufgaben vereinbaren lässt. Wie die Befragung des UZH Center for Leadership in the Future of Work zeigt, die kurz nach der Einführung des neuen Arbeitszeitmodells im Juni/Juli 2022 durchgeführt wurde, entspricht diese Aufteilung weitgehend den Bedürfnissen der Mitarbeitenden.

Gerne flexibel

Die Studie zeigt auch, dass die Mitarbeitenden flexibel gestalten möchten, wann sie wo arbeiten. Das ist eine neue Herausforderung für die Zusammenarbeit. Denn: Wie bringt man die verschiedenen Ansprüche und Erwartungen unter einen Hut? Wann kann sich das Team treffen? Und wie sorgt man dafür, dass die Mitarbeitenden gerne vor Ort arbeiten? «Früher kam man einfach zur Arbeit», sagt Thomas Fritz dazu, «jetzt ist vor Ort arbeiten für einen Teil der Mitarbeitenden negativ konnotiert. Wir müssen uns deshalb überlegen, wie wir das Büro interessant machen können.»

Informatik-Professor Thomas Fritz ist einer von elf UZH Professorinnen und Professoren, die sich am Pilotprojekt «Future of Work@UZH: Mobiles Arbeiten» beteiligt haben. Ziel war, Empfehlungen und innovative Ansätze für das mobile Arbeiten zu entwickeln. Das Projekt ist im Februar 2023 abgeschlossen worden. Geleitet wurde es von Jochen Menges, Professor für Human Resource Management and Leadership, und Jennifer L. Sparr, Dozentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Department for Business Administration der UZH. Jochen Menges erforscht Leadership und welche Rolle positive Emotionen spielen, wenn wir arbeiten, und wie sie zum Erfolg beitragen (siehe Artikel). In der aktuellen Studie ging es auch darum, die Arbeitsmodelle so auszugestalten, dass sie sich positiv auf das Arbeitsgefühl auswirken.

Deshalb wurden die Beteiligten gefragt, wie sie sich bei der Arbeit fühlen wollen. Zur Auswahl standen zwanzig Emotionen. Das Ergebnis war eindeutig: Die allermeisten wollen sich wertgeschätzt fühlen. Bei den Professoren sieht es etwas anders aus, insbesondere bei jenen aus der philosophischen, rechtswissenschaftlichen, theologischen und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät, diese wollen sich «fokussiert» fühlen. «Es gilt also, eine Balance zu finden zwischen fokussiertem Arbeiten, bei dem man in der Regel allein ist, und der Wertschätzung, die sich die Mitarbeitenden wünschen und für die es soziale Interaktion braucht», sagt Menges.

Zielkonflikte

Zielkonflikte wie dieser gehören zu den Knacknüssen, wenn es darum geht, den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden. Das gilt auch für die Mitarbeitenden. Denn die einen würden am liebsten nur zu Hause arbeiten, die anderen kommen gerne ins Büro, weil für sie der soziale Kontakt wichtig ist. «Die Mitarbeitenden wünschen sich beides», sagt Jennifer Sparr, «fokussiert zu arbeiten und sich auszutauschen.» Die grosse Frage, die die Pilotstudie zu beantworten versuchte, ist: Wie kann das Arbeitsumfeld so gestaltet werden, dass sich die Mitarbeitenden wertgeschätzt und einbezogen fühlen und zugleich fokussiert und konzentriert arbeiten können? «Schlussendlich geht es darum, eine Balance zu finden, die dafür sorgt, dass produktiv gearbeitet werden kann und man sich dabei wohlfühlt», sagt Jennifer Sparr. Die UZH-Ökonomin betont: «Dieses Ausbalancieren ist kein Trade-off oder Kompromiss, sondern wir arbeiten besonders produktiv, wenn wir uns wohlfühlen, und wir fühlen uns wohl, wenn wir produktiv sein können. Beides hängt zusammen und verstärkt sich idealerweise gegenseitig.»

Jochen Menges

Es gilt also, eine Balance zu finden zwischen fokussiertem Arbeiten, bei dem man in der Regel allein ist, und der Wertschätzung, die sich die Mitarbeitenden wünschen und für die es soziale Interaktion braucht.

Jochen Menges
Professor für Human Resource Management und Leadership

Paradox denken

Die Studie gibt drei konstruktive Antworten, wie der Balanceakt gelingen kann. Zuerst gilt es zu akzeptieren, dass es keine einfachen und eindeutigen Antworten gibt auf die Frage, wie ein Team am besten zusammenarbeitet. Es gibt keine gordischen Knoten, die mit einem kräftigen Hieb durchtrennt werden können und damit alle Probleme gelöst sind. Gefragt ist vielmehr ein -«paradoxes Mindset», wie Jennifer Sparr erklärt. Das bedeutet: Man muss erkennen und akzeptieren, dass es widersprüchliche Anforderungen und Erwartungen gibt, die aufeinander abgestimmt werden müssen. Das gilt für «Paradoxe» wie vor Ort und mobil arbeiten, Inklusion und Autonomie der Mitarbeitenden, Stabilität und Flexibilität oder – für die Chefs und Chefinnen – Vertrauen und Kontrolle. Der Umgang mit solchen Gegensätzen sei herausfordernd, aber auch reizvoll, sagt Sparr: «Die Arbeitswelt ist heute so komplex, dass man nicht mehr Lösungen nach dem Entweder-oder-Muster suchen kann, sondern es heisst oft ‹sowohl als auch›. Dadurch werden neue und kreative Lösungen möglich.» Der zweite Ansatzpunkt für die erfolgreiche Einführung von 60/40 ist, partizipativ zu führen. Konkret bedeutet dies, dass die neuen Formen der Zusammenarbeit nicht von oben verordnet, sondern gemeinsam im Team erarbeitet und diskutiert werden. Für Jochen Menges liegt darin die «Magie des mobilen Arbeitens»: «Die Professorinnen und Professoren sind nicht allein dafür verantwortlich, Lösungen zu finden. Es geht vielmehr darum, was man als Team erreichen will.»

Der dritte Punkt ist, die positiven Emotionen zu fördern, die Forschung und Lehre ermöglichen. Die Begeisterung für eine Entdeckung, die Erfüllung, die mit einer Publikation einhergeht, die Wertschätzung im Austausch mit Studierenden. Solche Emotionen zu teilen, ist im mobilen Arbeiten besonders wichtig.

Jennifer Sparr

Wir arbeiten besonders produktiv, wenn wir uns wohlfühlen und wir fühlen uns wohl, wenn wir produktiv sein können.

Jennifer Sparr
Psychologin

Gestresst oder energiegeladen?

Informatik-Professor Thomas Fritz hat mit seinem Team am Pilotprojekt teilgenommen. Seine Bilanz ist durchwegs positiv. So wurden Formate und Instrumente entwickelt, die die Zusammenarbeit besser und interessanter machen. Dazu gehören gemeinsame Zeitfenster, in denen alle fokussiert arbeiten. Dafür wurden zwei Sanduhren für eines der Doktorandenbüros angeschafft, eine für 30, die andere für 60 Minuten. Sobald eine Doktorandin die Uhr umdreht, startet die gewählte Fokuszeit und jeder im Büro macht mit.

Um das Arbeiten im Büro attraktiver zu machen und den sozialen Austausch zu fördern, wurde zusätzlich jede Woche eine «soziale» Kaffeepause und einmal im Monat ein Brownbag-Lunch eingeführt, bei dem methodische Fragen zur Forschung diskutiert werden.  Ausserdem seien viele weitere kreative Ideen entstanden, zum Teil vorgeschlagen von Studierenden, die jetzt in die Forschung einfliessen wie zum Beispiel im FlowTeams-Projekt. Dabei können Teams über eine Applikation die Teamarbeit und das Bewusstsein des Teams stärken, indem die Mitglieder angeben, wann sie wo arbeiten, wann sie offen sind für Interaktionen und wann sie fokussiert arbeiten wollen. Da das mentale Wohlbefinden gerade heutzutage eine grosse Rolle spielt, hat die
Gruppe eine tägliche Reflexion eingeführt, für die alle am Ende des Tages angeregt werden, zu kurzen Fragen über das eigene Wohlbefinden nachzudenken. Die Gemütslage kann auch mit der Gruppe über ein farbiges Zettelchen geteilt werden, das in ein grosses Glas im Büro geworfen wird – rot für «gestresst», grün für «energiegeladen», blau für «ruhig» und gelb für «solala».

Die jetzt definierten Abmachungen und Prozesse seien nicht in Stein gemeisselt, betont Thomas Fritz. Sie werden regelmässig diskutiert und wenn nötig angepasst. «Das braucht zwar Zeit», sagt der Informatiker, «aber diese ist gut investiert.»

Im Labor zu Hause

Während viele der Arbeiten im Team von Thomas Fritz genauso gut zu Hause erledigt werden können wie im Büro, sieht es bei Teams, die im Labor arbeiten, anders aus. Das gilt auch für die Mitarbeitenden von Veterinärmediziner Thomas Lutz, die unter anderem mit Tierexperimenten forschen. Der Professor für Veterinärphysiologie hat sich ebenfalls an der Pilotstudie beteiligt, weil ihn die Frage interessiert hat, wie das neue Arbeitsmodell umgesetzt werden könnte. Das Ergebnis: «Bei uns hat sich faktisch nichts geändert.» Das heisst, die Doktorierenden und Post-Docs sind in der Regel täglich in den Labors und Büros im Tierspital und in Schlieren. Mit Ausnahme der Verwaltungsassistentin, die einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause aus erledigen kann. «Die Diskussion im Team hat ergeben, dass für alle der Austausch vor Ort sehr wichtig ist», sagt Lutz dazu. Und die Arbeit im Labor lässt sich eben nur im Labor machen. Deshalb gilt der Grundsatz: Es kommen alle praktisch täglich an die UZH. «Wenn aber jemand ein paar Tage Ruhe braucht, um an der Dissertation oder einem Paper zu schreiben, kann er das zu Hause tun», betont Lutz. Das sei allerdings schon früher möglich gewesen. Für Lutz war das Pilotprojekt wichtig, weil es die sehr unterschiedlichen Bedürfnisse innerhalb der UZH aufzeigt. Die Arbeit lässt sich nicht immer so organisieren, dass ein substanzieller Teil mobil erledigt werden kann.

Für Jennifer Sparr ist die zentrale Aussage der Studie diese: Mobiles Arbeiten erfordert mehr Struktur und zugleich mehr Flexibilität. Das gilt für die Planung der Meetings oder für die Frage, wer wann und wo erreichbar ist. Es gilt aber auch für die Balance zwischen fokussiertem Arbeiten und sozialer Interaktion oder für das Bedürfnis der Führungskräfte nach einer gewissen Kontrolle und dem Vertrauen darauf, dass die Mitarbeitenden die Freiheiten des mobilen Arbeitens sinnvoll nutzen. «Das sind alles Fragen, die sich vorher schon gestellt haben. Das neue Arbeitszeitmodell bietet jetzt Gelegenheit, diese im Team zu besprechen und gemeinsame Lösungen zu finden, die stimmig sind», bilanziert Jennifer Sparr, «das fördert auch die Teamkultur.»