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Die Zeiten ändern sich. Vor hundert Jahren postulierte der Soziologe Max Weber, Emotionen hätten bei der Arbeit nichts verloren. Im Industriezeitalter galt: Arbeit, insbesondere in der Fabrik, muss effizient erledigt werden. «Die Metapher dafür war der Mensch als Maschine», sagt UZH-Ökonom Jochen Menges. Beides war wohl schon damals ziemlich falsch: Sowohl die Metapher wie Webers Annahme, Emotionen und Arbeit liessen sich trennen. Jochen Menges formuliert das so: «Menschen, die bei der Arbeit keine Emotionen haben dürfen, haben meist doch welche – und zwar oft negative.» Die eintönige Arbeit, auf den Rhythmus der Maschinen und nicht der Menschen ausgerichtet, war ungesund und unbefriedigend. Mittlerweile leben wir im postindustriellen Zeitalter – unsere Arbeit und die damit verbundenen Anforderungen haben sich vielerorts fundamental verändert. In der Wissensgesellschaft sind neue Ideen und innovative Produkte gefragt. Dafür braucht es kreative geistige Arbeit. Wie die Forschung zeigt, kommt man da mit Webers Imperativ der Emotionslosigkeit nicht weit. «Menschen teilen bei der Arbeit bestimmte Emotionen. Das kann bei der Arbeit hilfreich oder hinderlich sein», sagt Jochen Menges. Wir kennen das: In manchen Teams fühlen wir uns wohl und sind produktiv, in anderen fragen wir uns, weshalb es nicht vorangeht.
Was die Forschung belegt: Wir leisten mehr, wenn (positive) Gefühle im Spiel sind. «Teams mit in einer positiven Grundstimmung sind viel effizienter», erklärt Menges, «weil die Teammitglieder sich auf die Arbeit konzentrieren können – und nicht darauf, zu sondieren, wem man trauen kann und wem nicht, wer seine Arbeit erledigt und wer nicht.» Jochen Menges' Forschung fokussiert auf Emotionen bei der Arbeit. Wenn es um die Menschen in Teams geht, dann ist eine Kernerkenntnis der Wissenschaft, dass ihr Handeln und Denken oft von ihren Gefühlen bestimmt wird», so Menges. Diese Einsicht ist mittlerweile auch in der Wirtschaft angekommen. Eine Umfrage bei 122 Firmen mit insgesamt mehr als drei Millionen Mitarbeitenden, die 2021 von Menges und seinem Team durchgeführt wurde, zeigt: Fast 70 Prozent der Führungskräfte sind der Meinung, gute Stimmung führe zu mehr Produktivität und Leistung.
Dass das so eindeutig ausfiel, sei für ihn überraschend gewesen, sagt Menges. Denn lange Zeit kümmerten sich Unternehmen um die Emotionen der Mitarbeitenden, damit sie gesund sind und dem Unternehmen treu bleiben. In der aktuellen Umfrage kommt die Gesundheit erst nach Produktivität und Leistung an zweiter Stelle und die Treue zum Unternehmen an vierter, nach Kreativität und Innovation. Vielen Unternehmen ist also mittlerweile klar, dass Emotionen und Leistung zusammenhängen. So versuchen beispielsweise einige Technologieunternehmen heute den Mitarbeitenden die Arbeit schmackhaft zu machen mit kostenlosem Essen, Yoga-Lektionen, Töggeli-Kästen oder Rutschen in den Büros. Das sei ein guter Start, findet Menges. Aber im Kern bleibe die Arbeit trotz allerlei Extras dieselbe. Für Menges ist deshalb klar: «Wir müssen die Arbeit an sich überdenken und verbessern.» Der UZH-Ökonom hat dazu einen innovativen Ansatz entwickelt.
Menschen, die bei der Arbeit keine Emotionen haben dürfen, haben meist doch welche – und zwar oft negative.
Der neue Ansatz, mit dem Menges jetzt arbeitet, fragt nicht mehr, wie sich die Mitarbeitenden fühlen, sondern wie sie sich fühlen wollen. Eine erste spannende Einsicht dieser Forschung ist, dass man nicht nur eine, sondern eine Vielzahl von Antworten bekommt, etwa kompetent, wertgeschätzt, stolz, herausgefordert, selbstbewusst, zufrieden, inspiriert, fröhlich, entspannt. «Das heisst, es gibt nicht eine oder ein paar wenige Emotionen, die alle bei der Arbeit gerne hätten, Menschen unterscheiden sich darin, was sie bei der Arbeit empfinden möchten», so Menges.
Für eine Studie, die er mit Florence Bernays und Lauren Howe durchgeführt hat, wurden die zwanzig wichtigsten Emotionen aufgelistet und über 18000 Menschen in 35 Ländern vorgelegt. Das Ergebnis: Über die Unterschiede innerhalb der Länder hinaus gibt es auch Unterschiede zwischen den Ländern. So ist das am meisten genannte emotionale Adjektiv in den USA «stolz», in Japan «herausgefordert», in China «kompetent», in Deutschland und der Schweiz «zufrieden» und in Indien «selbstsicher».
Wenn Menschen die gewünschten Gefühle bei der Arbeit tatsächlich empfinden, nennt Menges dies «emotional fit». Das heisst, unsere Arbeit passt zu dem, was wir empfinden möchten – und das macht glücklich, wie die Studie zeigt. In Ländern, in denen Menschen die gewünschten Gefühle bei der Arbeit häufiger erleben, neigen diese weniger dazu, sich selbst zu schaden, indem sie etwa zu viel Alkohol trinken. Dass Menschen sich in den Gefühlen unterscheiden, die sie bei der Arbeit empfinden möchten, ist eine Herausforderung für Teams und Unternehmen. «Wenn die einen bei der Arbeit stolz und die anderen entspannt sein wollen, verfolgen sie ganz andere Ziele», sagt Jochen Menges.
Da es im Lichte dieser Forschungsergebnisse einigermassen unwahrscheinlich erscheint, dass sich alle im Team die gleichen Emotionen wünschen, stellt sich die Frage, wie man die unterschiedlichen Bedürfnisse unter einen Hut bringt. Menges' Antwort lautet: indem offengelegt wird, was sich die Teammitglieder wünschen. Wenn das geklärt ist, kann das Team vereinbaren, wie es sich fühlen will. Und gemeinsam festlegen, wie die Arbeit so gestaltet werden kann, dass die emotionalen Erwartungen erfüllt werden. Menges nutzt dafür ein Tool, das sich «Emotions-Charter» nennt.
Das mag jetzt etwas esoterisch klingen, ist es aber nicht. Jochen Menges und seine Mitarbeiterin Jennifer L. Sparr haben an der UZH das Pilotprojekt «Future of Work @ UZH: Mobiles Arbeiten» durchgeführt, bei dem es darum geht, Modelle zu entwickeln, wie die Arbeit vor Ort an der Universität und das mobile Arbeiten in einem Team gewinnbringend organisiert werden können. Dabei wurden die Teilnehmenden gefragt, wie sie sich bei der Arbeit fühlen wollen, und dann wurde im Team nach Wegen gesucht, diese erwünschten Emotionen mit geschickter Arbeitsorganisation zu ermöglichen (siehe Artikel).
Wichtig in diesem Prozess ist, dass dieser im Team stattfindet und nicht von oben gesteuert wird. Denn, wie Menges in einer Studie mit über 24000 Teilnehmenden in 161 Unternehmen herausgefunden hat, können zwei Dinge helfen, damit sich Menschen bei der Arbeit besser fühlen. Erstens: dezentralisieren. In einem Unternehmen bedeutet das: Die Entscheidungen werden von den Leuten getroffen, die in einem Projekt zusammenarbeiten und nicht irgendwo auf der Chefetage. Das gibt den Mitarbeitenden mehr Verantwortung dafür, wie sie sich fühlen – und auch mehr Gestaltungsspielraum dafür. «Möglicherweise schneidet die Schweiz auch deshalb bei Umfragen zum Glücklichsein so gut ab, weil sie dezentral organisiert ist und die Menschen mitentscheiden können», sagt Menges. «Die meisten Unternehmen sind allerdings nicht so aufgestellt.»
Der zweite Punkt, der das Arbeitsumfeld positiv beeinflusst, sind die emotionalen Fähigkeiten der Mitarbeitenden und ein auf Emotionen ausgerichtetes Personalmanagement. Darauf müsste mehr Wert gelegt werden, fordert Menges. Das Ziel sei das «emotional intelligente Unternehmen». Und das habe auch Implikationen für die Bildung: Denn wenn emotionale Intelligenz in der Arbeitswelt der Zukunft immer wichtiger wird, bedeutet das auch, dass sich Studierende diese Fähigkeiten zunehmend aneignen sollten. Für Menges ist klar: Je besser es uns bei der Arbeit geht, desto produktiver sind wir und desto erfolgreicher sind die Teams und Unternehmen, für die wir arbeiten.