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DSI Community Sustainability

Digitalisierung nachhaltig machen

Zu den grossen Herausforderungen der Digitalisierung gehört, diese nachhaltig zu gestalten. Höchste Zeit, darüber nachzudenken und wissenschaftliche Inputs zu liefern, haben sich Mario Angst und Nadine Strauß gesagt und im Rahmen der Digital Society Initiative (DSI) die Community Sustainability gegründet.
Thomas Gull
Ein Serverraum von Facebook.
Digitale Daten zu speichern, braucht viel Energie. Serverraum des Datenzentrums von Facebook in Prineville, Oregon, USA.

 

Digitale Technologien machen vieles einfacher und effizienter. Gleichzeitig benötigen die anschwellenden Datenströme viel Energie, und die digitalen Geräte sind oft kurzlebig. Ihre Herstellung verbraucht nicht nur Energie, sondern auch seltene Rohstoffe. Das bedeutet: Die Digitalisierung hätte das Potenzial, zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Sie tut es aber heute noch viel zu wenig. Das hält auch der Digital Reset Report (DRR) fest, der kürzlich vom europäischen Forschungsnetzwerk «Digitalization for Sustainability: Science in Dialogue» herausgegeben wurde: «Während die positiven Beiträge zur Nachhaltigkeit nach wie vor Nischencharakter haben, wächst der direkte ökologische Fussabdruck.» Die Frage sei deshalb, schreiben die Verfasser des DRR, zu denen UZH-Professor Lorenz Hilty gehört, wie diese Technologien einen sinnvollen Beitrag zu einer tiefgreifenden Nachhaltigkeitstransformation leisten könnten.

Blinder Fleck

Foto von Mario Angst, Politologe
Mario Angst, Politologe

Hier setzt die Initiative von Mario Angst und Nadine Strauß an. Angst ist Postdoc an der DSI, Strauß ist Assistenzprofessorin für strategische Kommunikation und Medien-Management an der UZH. Die beiden jungen Forschenden haben sich bei einem Workshop kennengelernt und festgestellt: Nachhaltigkeit ist ein blinder Fleck im Programm der DSI. Deshalb haben sie die DSI Community Sustainability gegründet mit dem Ziel, ein Forum zu schaffen für alle Forschenden, die sich für Nachhaltigkeit interessieren. Die Community bringt das Wissen aus verschiedensten Fachbereichen zusammen, von Kommunikation über Finanzwirtschaft bis zum (nachhaltigen) Konsum von Lebensmitteln. «Wir wollen über die Fächergrenzen hinweg über Nachhaltigkeit und Digitalisierung nachdenken, diskutieren und forschen», sagt Mario Angst. Die Community bietet Gelegenheit, andere Forschende und ihre Projekte kennenzulernen. Daraus können sich Kooperationen ergeben. Mittlerweile hat die Gruppe gut 20 Mitglieder. «Wir würden gerne noch weiterwachsen», sagt Angst.

Mit Wirtschaft, Verwaltung und Politik zusammenarbeiten

Foto von Nadine Strauß, Kommunikationswissenschaftlerin
Nadine Strauß, Kommunikationswissenschaftlerin

Die DSI Community hat bereits vier Schwerpunkte definiert, die sie bearbeiten will und wo sie Einfluss nehmen möchte. Dazu gehört, öffentlich über Digitalisierung und Nachhaltigkeit zu diskutieren; die Herausforderungen und Chancen auszuloten, die die Digitalisierung für die Nachhaltigkeit bietet; nachhaltiges digitales Verhalten zu fördern und zu erforschen, wie die Industrie mit Digitalisierung und Nachhaltigkeit umgeht und welche praktischen Konsequenzen das hat. Wichtig sei, betont Nadine Strauß, dass diese Themen aus der aktuellen Forschung der Community-Mitglieder heraus definiert werden. Wie im ganzen Projekt wird auch hier bottom-up gearbeitet und gedacht.

Als nächster grosser Schritt steht ein Workshop an, der noch in diesem Semester durchgeführt werden soll. Dieser wird die Forschenden der DSI Community Sustainability zusammenbringen mit Interessierten aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik. «Wir wollen unsere Forschung nicht nur von innen her gestalten, sondern uns auch an den Anregungen und Bedürfnissen von aussen orientieren», sagt Strauß dazu. Das grundsätzliche Problem sei, dass Digitalisierung und Nachhaltigkeit nicht zusammen gedacht würden. «Das wollen wir ändern.»

Genügsam ist besser als effizient

Wichtig ist dabei zu verstehen, dass die Digitalisierung zwar auf technologischen Prozessen beruht, aber auch weitreichende gesellschaftliche Folgen hat. «Wir müssen deshalb die Digitalisierung nicht als technischen, sondern vor allem als gesellschaftlichen Prozess verstehen», sagt Angst. Und dieser ist nicht einfach gegeben, sondern kann beeinflusst und gesteuert werden. Konzeptionell gibt es dazu drei Ansatzpunkte: Zirkularität – statt Wegwerfware sollten wieder langlebigere Produkte hergestellt werden, beispielsweise Handys, die repariert werden können; Suffizienz – wir sollten nur so viel konsumieren und produzieren, wie wir brauchen. «Suffizienz sollte gleichberechtigt neben dem in der Digitalisierung vorherrschenden Paradigma der Effizienz stehen», postuliert Angst. Dinge effizienter zu machen, bedeutet nicht notwendigerweise, dass sie nachhaltiger werden. Etwa wenn Autos entwickelt werden, die zwar immer effizienter sind in dem Sinne, dass sie pro Kilogramm bewegtes Gewicht immer weniger Treibstoff verbrauchen, sie aber gleichzeitig immer schwerer werden. Unter dem Strich wird dann gleich viel oder sogar mehr Energie verbraucht.

Silly Silicon Valley Mindset

Der dritte Punkt ist das Bewusstsein, dass der Einsatz neuer Technologien soziale Konsequenzen hat. Deshalb kommt es darauf an, wie sie eingesetzt werden. Angst nennt als Beispiel Elon Musks Idee, Städte zu untertunneln, um freie Fahrt für selbstfahrende Autos zu haben. «Das ist ein Beispiel des ‘Silly Silicon Valley’-Mindsets», sagt Angst, «denn diese Idee ist vielerorts bereits realisiert mit den U-Bahnen. Weshalb sollte man dasselbe für den Individual-Verkehr machen, statt auf den ÖV zu setzen?»

Für Nadine Strauß ist das der entscheidende Punkt: Wie die Digitalisierung umgesetzt wird, darf nicht Leuten wie Musk überlassen werden, die vor allem ihre eigenen geschäftlichen Interessen verfolgen (in diesem Fall Teslas zu verkaufen), sondern es braucht Lösungen die nachhaltig sind und der Gemeinschaft dienen. «Da wollen wir mitdenken und aktiv mitgestalten.»

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