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«Arbovirale Krankheiten breiten sich aus»

Eva Veronesi forscht am Institut für Parasitologie zu so genannten Arboviren. Diese werden vor allem durch Mücken übertragen und lösen Krankheiten wie Dengue-Fieber, Gelbfieber und Zika aus. Arbovirale Krankheiten nehmen zu und sollten mehr Beachtung erhalten, ist Veronesi überzeugt.
Adrian Ritter
«Die Zahl der Krankheits- und Todesfälle durch Malaria sinkt, jene durch arbovirale Krankheiten steigt»: Eva Veronesi vom Institut für Parasitologie der UZH. (Bild: Adrian Ritter)

 

Eva Veronesi ist Entomologin – Spezialistin für Insekten. Dabei reist sie viel, immer aus demselben Grund: vektorübertragene Krankheiten. Mit anderen Worten: Krankheiten, die zum Beispiel durch Mücken übertragen werden – die Überträger werden auch als Vektoren bezeichnet.

Eva Veronesi erforscht seit mehr als 20 Jahren Vektoren, die so genannte Arboviren (vgl. Kasten) übertragen. Diese verursachen vor allem in tropischen Gebieten Krankheiten wie Dengue-Fieber, West-Nil-Fieber, Gelbfieber oder Zika. Die Mücken breiten sich aus und bringen damit auch die Viren in andere Weltgegenden. Eva Veronesi untersucht das Zusammenspiel zwischen Vektoren und Viren und geht der Frage nach, ob auch Vektoren in der Schweiz diese Viren verbreiten können.

Ihre Forschung wird unter anderem vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen unterstützt. Eva Veronesi ist zudem Networking Koordinatorin für Infravec2, ein Forschungsinfrastrukturprogramm innerhalb von Horizon 2020. Dieses stellt Forschenden weltweit Dienstleistungen zu vektor-basierten Krankheiten kostenlos zur Verfügung.

Im Juli hat Eva Veronesi für Infravec2 in Zusammenarbeit mit der Pan-African Mosquitoes Control Association das erste afrikanische Regionaltreffen zu vektorübertragenen Krankheiten organisiert. Die Veranstaltung fand in Kenya statt und hatte das Ziel, Informationen auszutauschen und Strategien gegen arbovirale Krankheiten in Afrika zu entwickeln.

 

Frau Veronesi, was war das Fazit des Treffens in Nairobi?

Eva Veronesi: Es gelang uns erstmals, Forschende aus zwölf afrikanischen Ländern an einen Tisch zu bringen, um über arbovirale Krankheiten zu sprechen. Alle waren sich einig: Wir wissen zu wenig über die Verbreitung der Mücken und Viren in Afrika und darüber, welche Mücken welche Viren übertragen können. Ausserdem fehlt es an Programmen zur Überwachung arboviraler Krankheiten. Es gibt nur Schätzungen. Gemäss einer Studie sind zum Beispiel 63 Prozent der afrikanischen Bevölkerung potentiell gefährdet, sich mit dem Dengue-Virus zu infizieren. 23 Prozent leben in Gegenden, in denen sie sich mit dem Chikungunya-Virus anstecken können, das ebenfalls Fieber und Gelenkbeschwerden auslöst.

Gibt es keine Meldepflicht für arbovirale Krankheiten?

Einige Krankheiten sind meldepflichtig, andere nicht. Ausserdem sucht nicht jeder Patient ein Spital auf. Und bisweilen werden die Symptome arboviraler Krankheiten –insbesondere Fieber und Gelenkschmerzen – mit denen von Malaria verwechselt. Es fehlt auch an Wissen. So denken viele Menschen etwa, Kontrollmechanismen gegen Malaria sei auch gegen Arboviren wirksam. Dem ist nicht so. Mückennetze über dem Bett zum Beispiel helfen zwar, die Ausbreitung von Malaria zu begrenzen. Aber sie nützen nichts gegen Dengue-Fieber, denn dieser Virus wird von tagaktiven Mücken übertragen.

In einigen Ländern Afrikas gibt es wenig Koordination der Anstrengungen, zu wenige Insektenforscher und zu wenig Ressourcen für das Monitoring. Entsprechend sind diese Länder völlig unvorbereitet, falls es zu einem Krankheitsausbruch kommt. Auch wenn Zahlen zum Auftreten arboviraler Krankheiten fehlen, eines ist klar: sie breiten sich aus. 

Warum ist das so?

Weil Mücken und Menschen sich immer näherkommen. Früher waren die Viren eher bei Tieren in der Wildnis zu finden. Aber je mehr sich das Siedlungsgebiet ausbreitet und die natürliche Umwelt der Mücken zerstört wird, desto mehr gelangen die Mücken in den Lebensraum der Menschen. Zudem hat die Mobilität zugenommen – bei Viren, Mücken und Menschen. Zudem passen sowohl Mücken wie Viren ihr Verhalten an, um sich effizienter verbreiten zu können.

Zum Beispiel stechen gewisse nachtaktive Mücken plötzlich auch am frühen Abend. Oder bestimmte Mücken stechen neuerdings auch draussen statt nur in Innenräumen. Besonders gravierend ist, dass die Mücken immer häufiger resistent sind gegenüber Insektiziden, mit denen man sie bekämpft. Der Handlungsbedarf ist gross, sowohl für die Forschung wie auch auf der politischen Ebene. Aber arbovirale Krankheiten erhalten im Vergleich etwa zu Malaria immer noch zu wenig Aufmerksamkeit.

Wie lässt sich das erklären?

Malaria gibt es schon seit Jahrzehnten. Die Krankheit verläuft oft tödlich und betrifft sehr viele Menschen. Entsprechend existieren viele Programme der Forschung, Prävention und Behandlung. Arboviren sind zumeist eine neuere Erscheinung. Sie sind erst etwa seit den 1960er-Jahren ein Problem für die Menschen. Das ZIKA-Virus ist erst in den letzten Jahren aufgetreten. Tatsache ist aber: Die Zahl der Krankheits- und Todesfälle durch Malaria sinkt, jene durch arbovirale Krankheiten steigt.

Sind die Wissenslücken vor allem in Afrika gross, oder auch in anderen Kontinenten?

Arbovirale Krankheiten sind auch in Asien und Lateinamerika ein Thema. Dort scheint es allerdings mehr Forschung dazu zu geben. Insofern besteht in Afrika ein Nachholbedarf und eben ein grosser Mangel an Ressourcen. Aber auch Europa ist gefragt, denn die Mücken und Viren verbreiten sich auch nach Europa, nicht zuletzt wegen der Klimaerwärmung. Seit Anfang 2018 ist zum Beispiel eine deutliche Zunahme von Krankheitsfällen mit West-Nil-Fieber in Italien und anderen Ländern Süd- und Osteuropas festzustellen. Insbesondere Zugvögel brachten das West-Nil-Virus nach Europa. Auch in der Schweiz sind seit einigen Jahren Mücken präsent, die das West-Nil-Virus und das ZIKA-Virus übertragen können. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt: Es geht nicht nur um die Gesundheit von Menschen, sondern auch von Tieren.

Insbesondere Mücken verbreiten Arboviren und damit auch Krankheiten wie Dengue-Fieber, Gelbfieber und ZIKA. Im Bild: Ein stechendes Exemplar von Aedes japonicus (Bild: Francis Schaffner).

Welche Tiere sind betroffen?

Mehrere Arboviren sind für die Landwirtschaft von Bedeutung. Beim Blauzungen-Virus zum Beispiel sind Rinder und Schafe betroffen. Seit einem schweren Krankheitsausbruch in Europa 2006 tritt diese Krankheit in Mittel- und Osteuropa immer häufiger auf. In vielen dieser Länder fehlt es ebenfalls an Forschung und Programmen zur Überwachung solcher Krankheiten. Ein weiteres Beispiel ist die Lumpy Skin-Krankheit, die vor allem in Afrika, seit 2016 aber auch in Südosteuropa auftritt und vor allem Rinder befällt. Sterben Tiere an diesen Krankheiten, ist das insbesondere in Afrika schnell auch ein Problem für die Ernährung der Menschen. Deshalb ist es wichtig, dass Humanmedizin und Veterinärmedizin zusammenarbeiten, im Sinne des «One Health»-Ansatzes.

Inwiefern hat das Treffen in Kenya konkrete Resultate gebracht?

Es war einerseits wichtig zur Bestandesaufnahme, um Empfehlungen zu erarbeiten und die Zusammenarbeit zu stärken. Andererseits sind bereits erste Initiativen daraus entstanden, etwa, um mehr über die Verbreitung der Mücken zu erfahren. Jemand brachte die Idee auf: In jedem afrikanischen Land soll im jeweils wichtigsten Flughafen möglichst rasch mindestens eine Moskitofalle platziert werden. Als wir die Idee twitterten, meldeten sich umgehend vier Unternehmen, die uns dabei unterstützen wollen.

Was braucht es sonst noch, um arbovirale Krankheiten einzudämmen?

Da die Ressourcen für die Forschung und Kontrolle der Krankheiten sehr begrenzt sind, ist die Koordination umso wichtiger. Zum Beispiel erstellt Infravec2 derzeit für Europa eine Übersicht aller Forschenden und ihrer Projekte zu arboviralen Krankheiten. Andere werden dasselbe für Afrika tun. Infravec2 wird zudem neu auch Ausbildungskurse organisieren. Aber wir brauchen mehr Forschung zu den offenen Fragen und neue Ideen, wie sich zum Beispiel die Resistenz gegen Insektizide überwinden lässt. Um all dies zu erreichen, müssen Forschende aus Disziplinen wie Anthropologie, Epidemiologie, Medizin und Veterinärmedizin noch enger zusammenarbeiten.