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Graduate Campus

Visionen für die Universität der Zukunft

Nachwuchsforschende in der Wissensgesellschaft. Unter diesem Titel stand die Jahresveranstaltung des Graduate Campus, an dem drei Doktorierende mit dem Mercator Award ausgezeichnet wurden. Eine Diskussion über Reformen des akademischen Systems bereicherte das Programm. 
Claudio Zemp
Wurden für ihre exzellenten Doktorarbeiten mit den Mercator Awards ausgezeichnet: Rechtswissenschaftler Martin Brenncke, Computerlinguist Rico Sennrich und Neurobiologe Thomas Wälchli (v.l.n.r.).

«Geschätzte Stars der Zukunft!» So begrüsste Prorektor Otfried Jarren am Mittwoch in der Aula zahlreiche junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Ein Jahr nach der Gründung des Graduate Campus sprachen Experten und Forschende über die Perspektiven des wissenschaftlichen Nachwuchses, der mit dem Graduate Campus UZH gefördert wird. Der Graduate Campus unterstützt auch die Leitenden und Koordinierenden von Doktoratsprogrammen der UZH .

Eigenständige Fragen

Am Mittwoch wurden erstmals drei exzellente Doktorarbeiten mit dem Mercator Award ausgezeichnet. Die Preisträger Thomas Wälchli (34), Rico Sennrich (27) und Martin Brenncke (32) hatten die Jury mit eigenen Ideen, einem gesellschaftsrelevanten Thema und interdisziplinären Arbeiten überzeugt. «Wir wollen mit dem Preis Anreize schaffen, sich über den angestammten Bereich hinaus zu betätigen», sagte Nadine Felix, Geschäftsführerin der Stiftung Mercator Schweiz.

Nadine Felix befragte die Ausgezeichneten, woher die spürbare Faszination für die Forschung komme. «Die Frage nach den Blutgefässen hat mich einfach gepackt», antwortete der Hirnforscher Wälchli. Der Berner hat sowohl ein Ingenieur- als auch ein Medizinstudium abgeschlossen und doktoriert nun in Biologie über die Formierung von Blutgefässen im Hirn. Auch Martin Brenncke schlug in seiner Arbeit über manipulative Finanzwerbung Brücken. Der Jurist integrierte neben finanztechnischen Fragen auch psychologisches Wissen.

Sennrich schliesslich hatte sich als Nutzer gefragt, warum Computer Sprache so schlecht übersetzten. Dies sei der Auslöser gewesen, um hinter die Kulissen zu schauen. Mittlerweile hat der Computerlinguist bereits Tools entwickelt, welche die automatische Übersetzung verbessern. Auf die Frage nach einem Wunsch, sagte Sennrich: «Ich wünsche mir, dass meine Forschungskarriere besser planbar wäre.»

Zwei Probleme

Damit war man mitten im Thema des Podiums zu den wissenschaftlichen Perspektiven der Nachwuchsforschenden. Denn selbst herausragende junge Forschende spüren eine bedrückende Ungewissheit bezüglich ihrer Aussichten auf eine wissenschaftliche Laufbahn. Karin Schwiter, Oberassistentin am Geographischen Institut der UZH, brachte das Dilemma vieler Kollegen auf den Punkt: «Ich habe mich längst für die Wissenschaft entschieden – aber die Wissenschaft hat sich offensichtlich noch nicht für mich entschieden.» Kritisiert wurden etwa die meist befristeten (Teilzeit-)Verträge für Oberassistenzstellen und Assistenzprofessuren und die geringe Aussicht darauf, eine der raren Professuren zu ergattern.

Martin Vetterli, der neue Präsident des nationalen Forschungsrats, lancierte mit einem unterhaltsamen Vortrag die Debatte. Die akademische Schweiz habe ein Pyramidenproblem, stellte er fest: Während sich die Zahl der Studierenden und Professuren seit 1980 nur verdoppelt hat, gibt es dreimal mehr Doktorierende und Post-Docs. «Ist die grosse Schar von Doktorierenden und Post-Docs überhaupt effizient?», fragte er. Vetterli stellte die ketzerische Frage, ob der Nationalfonds vielleicht zu viel Geld in die Forschung gesteckt habe. Die Schweiz habe übrigens auch ein Problem mit Frauenkarrieren, sagte Vetterli.

Der Professorenplan

Die Juristin Astrid Epiney, Präsidentin des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierates, diagnostizierte neben der mangelnden Planbarkeit von Karrieren das «an Ordinarien orientierte» System der Schweiz: «Wenn man Professor ist, hat man es gut. Bis man es ist – etwas weniger.» Die Linguistin Angelika Linke, die auch in Schweden Gastprofessorin ist, äusserte dieselbe Kritik. Im Gegensatz zu Skandinavien gebe es in der Schweiz kaum gute Stellen für Dozierende: «Der Mittelbau ist in jeder Hinsicht ‹mittel›». Das nordische System sei flexibler. Man könne Forschung und Lehre besser kombinieren – oder sich auf ein Feld festlegen. 

Karin Schwiter, Oberassistentin am Geografischen Institut, zeigte sich besorgt darüber, wie wenig attraktiv die Perspektiven einer Forschungslaufbahn seien. Auf Stelleninserate würden sich kaum Schweizer Studierende melden. Und selbst begabte Masterstudierende winken auf Ermutigungen hin ab – oder sie entscheiden sich dafür, ausserhalb der Universität zu forschen. Zu gross sei die Angst, auf dem Weg zur Professur nach jahrelanger Mühsal im prekären Mittelbau zu stranden. «Lohnt sich das?», fragen sich viele Doktorierende.

Amerikanische Optionen

Die langen Warteschlaufen der Ungewissheit seien ein Nachteil gegenüber dem «Kreativitätsstaubsauger» USA, sagte Vetterli: «Das europäische System ist nicht attraktiv genug.» Als Heilmittel gilt der angelsächsische «Tenure Track». Dort wird die Assistenzprofessur bereits mit der Option auf eine Professur verbunden. Das Ziel sei es, an allen Schweizer Universitäten mehr Tenure Tracks zu kreieren, sagte Vetterli: «Zur Zeit sind die Universitäten in der Pflicht!» Als weiteres Fördermittel möchte er in der Schweiz die kompetitiven «Graduate Fellowships» einführen. Diese Begabtenförderung «ad personam» habe sich in den USA bewährt, so Vetterli: «Wir sind interessiert, dass die besten Leute möglichst früh unabhängig forschen.»

Susanne Baumgartner, Doktorandin am Deutschen Seminar, begrüsste eine gezielte Selektion: «Je früher, desto besser: Es braucht bewusste und informierte Entscheide über die Selektion.»

Programmierte Umwege

«Gibt es wirklich zu viele Doktorierende?», fragte Linke und wies darauf hin, dass die Schweiz einen hohen Bedarf an Akademikern und Akademikerinnen habe. Die Linguistik-Professorin hinterfragte wie ihre Vorredner die Fixierung auf die Professur.

Bezogen auf den Wunsch der Doktorierenden nach verlässlicheren Karrierre-Perspektiven, sagte Linke, es gebe auch ein Übermass an Planungssicherheit: «Die Universität ist doch keine Versicherungsanstalt.»

Mehr Seitenwege in der universitären Laufbahn seien nötig, lautete das Fazit des Podiums. Dem Podiumsleiter gefiel darüber hinaus der Vorschlag, die professoralen «Königreiche» aufzubrechen. In seinem Schlusswort verlieh er seiner Überzeugung Ausdruck, dass ein Umbau des akademischen Systems anstehe: Die Tendenz gehe hin zur frühzeitigen Auswahl der besten Leute. Alles lasse sich aber nicht planen, gab Vetterli zu bedenken. Und gab ein letztes Bonmots aus den USA zum Besten: «Planbarkeit in der Forschung gibt es nicht: planning is not research.»