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Spinoff ONTRACK Biomedical

Schnell, schmerzfrei, präzise: Neuer Urintest für Prostatakrebs-Screening

Männer – das ist bekannt – gehen nicht gern zum Arzt, besonders ungern zum Urologen, mit dem Risiko, dass Prostatakrebs zu spät erkannt wird. Ein unkomplizierter Urintest könnte in Zukunft das Risiko minimieren. Dieser Test wird vom Spinoff ONTRACK Biomedical entwickelt.
Marita Fuchs
Daniel Eberli und Irina Banzola vom UZH-Spinoff ONTRACK Biomedical
Daniel Eberli und Irina Banzola vom UZH-Spinoff ONTRACK Biomedical: «Mit unserem Test können wir etwas Entscheidendes für die Männergesundheit tun.» (Bild: UZH/Frank Brüderli)

Frau Banzola, Herr Eberli, Sie haben das Spinoff ONTRACK Biomedical gegründet und entwickeln einen Test zur Früherkennung von Prostatakrebs. Warum ist so ein Test nötig?

Daniel Eberli: Prostatakrebs ist die häufigste Tumorerkrankung bei Männern in der Schweiz, mit über 7000 Neuerkrankungen und rund 1000 Todesfällen jährlich. Vielen Männern wird daher der sogenannte PSA-Test zur Messung des prostataspezifischen Antigens (PSA) empfohlen, weil ein Prostatatumor im Blut mehr PSA freisetzt. Doch kann es zum Teil zu falschen und auch unnötigen Diagnosen kommen. Die PSA-Menge im Blut ist nämlich nicht nur bei Prostatakrebs erhöht. Man kann sich also nicht nur auf den PSA-Wert verlassen. Heute ist zudem der Test «Stockholm3» verfügbar, ein genetischer Test, der differenzierte Aussagen ermöglicht als das PSA. Bei Verdacht auf Krebs sind dann jedoch auch bei diesem Test weitere Abklärungen durch MRI und die Entnahme von Gewebe (Biopsie) angezeigt. Das kann für die Patienten sehr belastend sein. Was bisher fehlt ist ein einfacher und aussagekräftiger Test.

Irina Banzola: Hinzu kommt, dass Männer grundsätzlich eher Screening-Muffel sind. Die Abklärungen mit MRI und Biopsien sind ausserdem beängstigend. Aus diesen Gründen arbeiten wir daran, ein Testverfahren zu entwickeln, das präzise, aber auch einfach und unkompliziert das Risiko für Prostatakrebs einschätzt. Mit unserem Test können wir etwas Entscheidendes für die Männergesundheit tun.

Was hat Sie angetrieben, einen neuen Diagnosetest zu entwickeln?

Banzola: Mich hat die Krebsforschung schon immer interessiert. Nach meinem PhD in Bologna habe ich während meiner Postdoc-Jahre am Universitätsspital Zürich zum ersten Mal an Krebs geforscht. Die Urologie interessiert mich, nicht zuletzt, weil auch mein Vater ein urologisches Problem hatte. Am Universitätsspital Zürich habe ich dann Professor Eberli kennengelernt, der die Klinik für Urologie leitet. Für mich als Grundlagenforscherin war es entscheidend, in eine Klinik eingebunden zu sein, weil man nah an den Patienten ist und Probleme der Praxis kennenlernt. Zudem wollte ich immer etwas erforschen, das den Patienten direkt zugutekommt.

Irina Banzola, CEO ONTRACK Medical AG

Ich wollte immer etwas erforschen, das den Patienten direkt zugutekommt.

Irina Banzola
CEO ONTRACK Biomedical AG

Eberli: Irina und ich haben viele medizinische Fragen diskutiert und Probleme besprochen. So haben wir zusammengefunden. Für mich ist die Urologie eines der spannendsten Fächer in der Medizin; nicht nur weil wir mit technologisch neuesten Entwicklungen von Lasertechnik bis Robotik arbeiten, spannend sind auch unsere Patienten. Es sind meist ältere Männer, ausgereifte Persönlichkeiten, die oft mit besonderer Lebensweisheit beeindrucken. Der Austausch mit ihnen, auch abseits medizinischer Themen, ist für mich stets bereichernd und faszinierend.

Was genau leistet Ihr neu entwickelter Urintest?

Eberli: Unser Test ist ein Test für die Masse, der schnell und mit sehr geringem Aufwand durchgeführt werden kann. Für ein massentaugliches Screening gibt es nur zwei Wege: Die Analyse von Atemluft oder von Urin. Denn das ist für die Patienten mit keinem Aufwand und keinem Schmerz bei der Entnahme verbunden. Wir haben uns für Urin entschieden, weil Urin viele Botenstoffe aus der Prostata enthält. Der Test, den wir entwickeln, ist benutzerfreundlich und leicht zu handhaben: Der Mann gibt eine Urinprobe ab, aufgrund dessen werden bestimmte Proteine nachgewiesen, die auf einen möglichen Krebs hinweisen können. Dieser Test kann ganz einfach – etwa beim Hausarzt oder der Hausärztin – durchgeführt und im Anschluss in den Ablauf der Labors integriert werden. Unser Test hat drei Grenzwerte mit einer sehr hohen Sensitivität, d.h., wenn der Test negativ ist, haben die Patienten in 99,9 Prozent der Fälle wirklich keinen Tumor. Die Ergebnisse werden auf einfache Weise mit Farben angezeigt: grün, orange und rot. Grün bedeutet, dass der Mann keinen Tumor hat, orange bedeutet, dass er möglicherweise einen niedriggradigen Tumor hat und das mit seinem Arzt besprechen sollte, rot bedeutet, dass er sich einer Biopsie unterziehen sollte.

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Daniel Eberli, Klinikdirektor, Klinik für Urologie

Unser Test hat drei Grenzwerte mit einer sehr hohen Sensitivität. Das heisst, wenn der Test negativ ist, haben die Patienten in 99,9 Prozent der Fälle wirklich keinen Tumor.

Daniel Eberli
Klinikdirektor, Klinik für Urologie

Wie haben Sie denn die entscheidenden Botenstoffe gefunden?

Banzola: Urin enthält viele Abbauprodukte und andere Substanzen. Die Kunst besteht darin, wichtige Biomarker für Prostatakrebs aus diesem Gemenge herauszufiltern. Das haben wir im Rahmen einer Studie geschafft, und zwar mit sensationellem Erfolg. Nachdem wir zwei massgebliche Biomarker mit Hilfe der Massenspektrometrie entdeckt hatten, dachte ich, dass die Entwicklung eines ELISA (Enzyme-Linked Immunosorbent Assay) zur Messung dieser Biomarker im Urin ein sehr einfacher Prozess sein würde, aber in Wirklichkeit war es äusserst kompliziert, weil Urin Antikörper blockieren kann und daher die Zielproteine nicht nachgewiesen werden können. Ein Urin-ELISA ist ein immunologisches Verfahren, das verwendet wird, um bestimmte Moleküle in Urinproben nachzuweisen. Es basiert auf der Bindung von Antikörpern an spezifische Antigene, die in der Probe vorhanden sein könnten. Damit ein ELISA im Urin funktioniert, müssen die Antikörper eine sehr hohe Affinität für das Zielprotein haben und dürfen zudem nicht pH-sensitiv sein. Unser Team verfügt über eine grosse Erfahrung, um solche Antikörper schnell und effizient zu entwickeln.

Welche Gründe sprachen für ein Spinoff?

Eberli: Für die Gründung haben wir uns entschieden, weil die kritische Masse von Know-How da war: Wir hatten Irina, die die Proteine nachweisen konnte, die anderen Kollegen unseres Teams sind Antikörper-Spezialisten, und ich bin der Kliniker. Zusammen hatten wir die interdisziplinäre Brain-Power, um das Projekt vorwärtszubringen. Unser Test hat noch einen grossen Vorteil: Er wäre sehr günstig. Aufgrund dieser Umstände haben wir uns vor zwei Jahren entschieden, eine Firma zu gründen, um in absehbarer Zeit mit dem Test auf den Markt zu gehen.

Banzola: Wir konnten in einer ersten Studie gute Ergebnisse erbringen, und in diesem Jahr werden wir in einer zweiten evidenzbasierten Studie mit einer grösseren Gruppe von 300 Patienten aus der Klinik für Urologie des Universitätsspitals Zürich von Daniel Eberli eine weitere Studie durchführen.

Wer würde – abgesehen von den betroffenen Männern – noch von Ihrem Test profitieren?

Eberli: Wenn der Test von ONTRACK grün anzeigt, sind keine weiteren Tests notwendig. Somit können viele Ressourcen in der Patientenversorgung eingespart werden, indem unnötige Nachuntersuchungen vermieden und die Zahl an teuren Verfahren wie MRIs und Biopsien gesenkt wird. Das ist unsere Vision. Mit dem einfachen Test wollen wir zudem die Hemmschwelle herabsetzen und nur noch diejenigen behandeln, die wirklich ein Problem haben.

Wer würde denn den Vertrieb übernehmen, sobald der Test definitiv entwickelt ist?

Banzola: Wir werden wahrscheinlich eine Partnerschaft mit einem grösseren Diagnostikunternehmen eingehen, da diese über starke Strukturen für die Vermarktung verfügen. Letztlich geht es darum, möglichst vielen Männern den Zugang zu den Tests zu ermöglichen und somit die Sterberate zu senken.