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Der UFSP «Evolution in Aktion: Vom Genom zum Ökosystem» behandelt eines der spannendsten, aber auch komplexesten Themen der Biologie überhaupt, nämlich wie neue Arten entstehen und sich verändern und wie sie sich an ihre Umwelt anpassen. Evolution ist ein Querschnittsthema, das viele wissenschaftliche Disziplinen umfasst: Das Spektrum beginnt bei der molekularen Genetik über die mikrobielle und organismische Biologie und reicht bis zur Bioinformatik und weiteren wissenschaftlichen Disziplinen. «Wir haben von Beginn weg einen breiten Ansatz gewählt und weit über die Biologie und Medizin hinaus das Thema Evolution erforscht», sagt Beat Keller. Ein wichtiger Katalysator und ein zentrales Element des UFSP bilden Genomanalysen. Sie haben das Forschungsfeld revolutioniert und ermöglichen Einblicke in die molekulargenetischen Mechanismen, die vielen evolutionären Prozessen zugrunde liegen. Entsprechend setzte das Programm einen Schwerpunkt und rekrutierte mehrere Fachpersonen in Bioinformatik, die alle Forschungsgruppen unterstützten. «Die Genomanalysen bilden eine Klammer und konnten verschiedene Ansätze der evolutionsbiologischen Forschung näher zusammenzubringen. Diese Zusammenarbeit ist ein wichtiger Grund für den Erfolg des UFSP», sagt Beat Keller.
Herr Keller, was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Resultate des UFSP «Evolution in Aktion: Vom Genom zum Ökosystem»?
Beat Keller: Im Verlaufe dieser zwölf Jahre sind sehr viele Publikationen entstanden und es gibt zahlreiche Highlights. Eines ist die Arbeit von Kentaro Shimizu und seiner Gruppe zum Schaumkraut Cardamine insueta aus dem Urnerboden. In diesem Fall konnte die Gruppe zeigen, wie diese junge, erst 1972 erstmals beschriebene Art durch Hybridisierung zweier verschiedener Elternpaare entstanden ist. Ein weiteres Highlight betrifft Arbeiten zur Evolution von Sprachen von Chiara Barbieri. Die evolutionäre Entwicklung des Menschen und die seiner Sprachen verläuft bis zu einem gewissen Grad parallel, wie diese Arbeiten zeigen. Projekte zu Sprache und Evolution legten eine Basis für den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NCCR) Evolving Language. Als drittes Thema würde ich die Paläogenetik nennen, das heisst die Arbeiten von Verena Schünemann und ihrer Gruppe über historische DNA-Proben von Krankheitserregern wie Lepra, Influenza oder Syphillis. In all diesen Beispielen konnten wir kurzfristige evolutionäre Prozesse, also Evolution in Aktion, beschreiben und erklären.
Mehrere Arbeiten betrafen Krankheitserreger, die Paradebeispiele für schnelle evolutive Veränderungen sind, wie wir seit Corona wissen. Wurden die Erwartungen erfüllt?
Beat Keller: Auf alle Fälle. So hat die Gruppe um Urs Greber Resistenzmechanismen von Erkältungsviren gegen Medikamente entschlüsselt. Sie zeigen exemplarisch die raschen, evolutionären Anpassungsprozesse von Viren. Unser Projekt befasste sich mit dem Mehltau-Schädling bei Triticale, einem Getreide, das aus der Kreuzung von Roggen und Weizen entstanden ist. Wir konnten auf molekularer Ebene aufklären, wie ein existierender Krankheitserreger sein Wirtsspektrum erweitert hat. Das sind grundlagenorientierte Arbeiten, die die Basis für neue Anwendungen in der Medizin und Landwirtschaft liefern.
Wir haben zur rechten Zeit auf Genomanalysen gesetzt, um evolutionsbiologische Forschung zu betreiben.
Verstehen wir die Evolution dank dem UFSP besser?
Beat Keller: Für kurzfristige ablaufende, schnelle Ereignisse in der Evolution trifft dies zu. Wir kennen dank dem UFSP etliche molekulare Mechanismen nun sehr genau und verstehen besser, wie manche Arten evoluieren und wie sich das auf Ökosysteme auswirken kann. Auf der konzeptionellen Ebene haben Forschende des UFSP neue Konzepte und Theorien entwickelt, wie evolutionäre Prozesse funktionieren. So wurde zum Beispiel auch die epigenetische Variation und ihre Rolle bei der Anpassung von Organismen untersucht. Das Thema ist wie gesagt riesig, wir konnten ein paar Fenster öffnen und neue Blicke erhaschen.
Worin liegt die gesellschaftliche Relevanz des UFSP «Evolution in Aktion», was hat es der Gesellschaft gebracht?
Beat Keller: Unsere Erkenntnisse zur Evolution von Krankheitserregern und der Entwicklung von Resistenzen von Pathogengen helfen der Gesellschaft, sich besser gegen bestehende und neue Plagen zu wappnen. Ich sehe den Erfolg des UFSP allerdings weniger in diesen Anwendungen als im Erkenntnisgewinn. Für mich als Grundlagenforscher steht das neu geschaffene Wissen zur Evolution sowie die Ausbildung von Nachwuchs im Vordergrund. Ich denke, das ist auch unsere Hauptaufgabe als Forschende und Lehrende einer Universität. Im Weiteren haben wir das Thema Evolution einer breiteren Öffentlichkeit vermittelt. Zum Beispiel mit der Wander-Ausstellung «evolution happens!» die sich vor allem an Jugendliche richtet und seit mehreren Jahren auf Tournee ist. Da haben wir evolutionäre Prozesse anhand praktischer Beispiele wie der Antibiotikaresistenz dargestellt.
Welchen Stellenwert hat die Forschung über Evolution an der UZH? Wie positionieren sich die Forschungsgruppen im Vergleich zu anderen Universitäten?
Beat Keller: Die Universität Zürich hat einige hervorragende Forschungsgruppen und kann insgesamt sicher die breiteste Palette evolutionsbiologischer Forschung anbieten in der Schweiz. Dank dem UFSP konnte der interdisziplinäre Austausch der auf über zehn Institute verteilten Gruppen gefördert werden. Das ist unsere grosse Stärke und zeichnet die UZH aus. Austausch und Vernetzung ist in der Grundlagenforschung eine Selbstverständlichkeit und entsprechend sind wir sowohl national als auch international sehr gut vernetzt und verankert.
Inwiefern ist das UFSP zur Evolution einzigartig, wie hebt es sich vor anderen Projekten ab?
Beat Keller: Ich möchte diese Klammer der Genomanalysen hervorheben. Wir haben sehr früh auf diese Methodik gesetzt und Know-how über die verschiedenen Forschungsgruppen und Institute hinweg aufgebaut und ausgetauscht. Das hat sich sehr bewährt, wie wir nun im Rückblick sehen.
Gibt es ein Resultat, das Sie überrascht hat, was ist Ihr persönliches Highlight?
Beat Keller: Als Senior Researcher, der schon lange in der Forschung tätig ist, war die grösste Befriedigung zu sehen, wie neugierige junge Leute zu extrem fähigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern herangewachsen sind, die mich auch in vielen Aspekten überholten.
Ziehen Sie eine Bilanz in drei Sätzen: Was hat der UFSP «Evolution in Aktion: Vom Genom zum Ökosystem» gebracht?
Beat Keller: Wir haben zur rechten Zeit auf Genomanalysen gesetzt, um evolutionsbiologische Forschung zu betreiben. Wir sind das Thema auf interdisziplinäre Weise angegangen, was neue Erkenntnisse ermöglicht hat. Und wir konnten sehr gute Nachwuchsleute aufbauen, die teils weit verstreut sind und diese Arbeiten weiterführen und damit unser Forschungsnetzwerk stärken.
Wie geht es nun weiter nach dem Abschluss des Programms?
Beat Keller: Ein umfassendes Folgeprojekt im Sinne eines Anschlussprogramms ist nicht geplant. Dank dem UFSP hat sich die Evolutionsforschung an der UZH intern weiter vernetzt. Es sind anhaltende Kollaborationen entstanden und die Forschung und Lehre im Bereich der Bioinformatik konnte gestärkt werden. Ein anderer Teil läuft im NCCR Evolving Language weiter. Das grosse Netzwerk von Forscherinnen und Forschern wird evolutionsbiologische Fragen auf jeden Fall weiter erforschen und die neusten Sequenzier-Technologien und bioinformatischen Analysemethoden verwenden.