Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

UZH 3R Award 2024

Bessere chirurgische Praxis fördert Tierwohl bei Nagern

Verbindliche Leitlinien und Trainings: So können experimentelle Operationen an Mäusen optimiert werden. Für das Projekt erhielten Petra Seebeck und ihr Team vom UZH-Zentrum Integrative Nagetier-Physiologie den diesjährigen UZH 3R Award. Die zweite Auszeichnung ging an Benjamin Ineichen und sein STRIDE Lab für die Förderung systematischer Literaturrecherchen.
Yvonne Vahlensieck
Praktisches Training ist zentraler Bestandteil des Workshops über gute chirurgische Praxis in der Nagetierchirurgie. (Bild: Felix Gantenbein, UZH)

Für Studien und Experimente ist es manchmal nötig, chirurgische Eingriffe an Mäusen durchzuführen. Dabei wird beispielsweise ein Katheter zur einfachen Blutentnahme oder ein Transmitter zum Sammeln von physiologischen Daten eingesetzt.

In der Regel führen die Forschenden die Eingriffe selbst durch. Ihnen fehlen allerdings meist das Wissen, die grundlegenden Fähigkeiten und die richtige Ausrüstung, um diese nach guten chirurgischen Standards durchzuführen. In der Schweiz gibt es auch keine verbindlichen Leitlinien für die Durchführung solcher Operationen. Wer mit Versuchstieren arbeitet, muss zwar einen Grundkurs absolvieren, dieser beinhaltet aber nicht die Chirurgie.

Knowhow fehlt

«Im Bereich der Nager-Chirurgie gibt es ein hohes Verbesserungspotenzial für das Tierwohl», sagt Petra Seebeck, Fachtierärztin für Versuchstierkunde und Managerin des UZH-Zentrums Zürcher Integrative Nagetier-Physiologie (ZIRP). Sie möchte deswegen aber niemanden an den Pranger stellen. «Die meisten Forschenden haben nicht Medizin studiert und dadurch fehlen ihnen einfach die Grundkenntnisse», sagt Seebeck, die aktuell auch das European College of Laboratory Animal Medicine präsidiert. Deswegen setzt sie sich für eine bessere Schulung und die Entwicklung von verbindlichen Leitlinien ein. Für dieses Engagement wurden sie und ihr Team mit dem diesjährigen UZH 3R Award ausgezeichnet. Das Projekt zur Verbesserung der chirurgischen Praxis bei Nagern finanzierte das 3R Kompetenzzentrum Schweiz (3RCC). An dem Vorhaben beteiligt ist auch Stephan Zeiter vom AO Research Institute Davos.

Der Weiterbildungkurs in Nagetierchirurgie für Personen, die Tierversuche durchführen, stösst auf reges Interesse. (Bild: Felix Gantenbein, UZH)

Um zu bestimmen, wo genau Verbesserungsbedarf besteht, führte das Projektteam eine Umfrage unter knapp 800 europäischen Forschenden durch, die im Laborumfeld Nagetiere operieren. Dabei bestätigte sich der Verdacht, dass etliche Wissenslücken bestehen: Zum Beispiel in Bezug auf keimfreies Arbeiten – so beim Abdecken des Operationsfeldes, beim Anziehen von sterilen Handschuhen oder beim Sterilisieren von Instrumenten. Oft fehlt es auch an Infrastruktur zur Sterilisation von Material oder an Personal, das bei Operationen assistiert.

Kleine Tiere besonders empfindlich

Seebeck warnt davor, Eingriffe an Mäusen zu unterschätzen, nur weil sie klein sind. Im Gegenteil: «Die Chirurgie ist extrem herausfordernd, das ist anspruchsvolle Mikrochirurgie.» Hinzu kommt, dass Mäuse im Labor unter sehr hygienischen Bedingungen gehalten werden. Ihr Immunsystem ist deswegen nur schwach ausgebildet und die Tiere sind anfällig für Infektionen. Auch wegen der geringen Grösse brauchen Mäuse eine besonders sorgfältige Betreuung: Denn sie verlieren während eines Eingriffs sehr schnell an Temperatur und Flüssigkeit.

Petra Seebeck

Wenn ich Operationen optimiere und standardisiere, dann schwanken die Daten weniger und sind besser reproduzierbar.

Petra Seebeck
Leiterin UZH-Zentrum Zürcher Integrative Nagetier-Physiologie (ZIRP)

Alle diese Punkte und weitere Aspekte werden in den Trainings angesprochen, die Seebeck und ihr Team in den letzten Jahren an der UZH und anderen schweizerischen Universitäten durchgeführt haben – teilweise ebenfalls finanziert durch den Grant des 3R Kompetenzzentrum Schweiz (3RCC). In dem eintägigen Kurs lernen die Teilnehmenden das sterile Arbeiten, den richtigen Einsatz von Instrumenten sowie die optimale Vorbereitung und Versorgung der Tiere. Wie Seebeck berichtet, sind die Teilnehmenden anfangs oft skeptisch. «Aber in den Diskussionen merkt man dann schnell, dass es eigentlich alle besser machen wollen.»

Obligatorische Ausbildung

Seebeck und ihr Team plädieren dafür, dass Schulungen dieser Art für alle zur Pflicht werden, die Operationen an Nagern durchführen. Dies würde einen signifikanten Beitrag zur Verbesserung des Tierwohls leisten. Das sogenannte Refinement ist eines der angestrebten 3R Prinzipien in Bezug auf Tierversuche, neben Replacement (Ersetzen) und Reduction (Vermindern). Ausserdem erarbeitet das Forschungsteam derzeit Leitlinien für chirurgische Eingriffe an Nagern, die eines Tages verbindlich werden sollen.

Seebeck ist klar, dass solche Verbesserungen nicht von heute auf morgen passieren, und dass sie ein gewisses Umdenken erfordern. Sie ist aber überzeugt, dass letztendlich auch die Qualität der wissenschaftlichen Arbeiten davon profitieren wird: «Wenn ich Operationen optimiere und standardisiere, dann schwanken die Daten weniger und sind besser reproduzierbar.»

Die Nagetierchirurgie ist extrem herausfordernd, da es sich um anspruchsvolle Mikrochirurgie handelt. (Bild: Felix Gantenbein, UZH)

Eine weitere gute Nachricht zu guter Letzt: Anlässlich des Jahresmeetings der Schweizerischen Gesellschaft für Versuchstierkunde (SGV) am 27. November 2024 hat Petra Seebeck für ihre Beiträge zur Verbesserung der Chirurgie bei Nagetieren auch den Culture of Care (CoC) Award des Schweizerischen 3R-Kompetenzzentrum (3RCC) erhalten.

Weiterführende Informationen