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Space Hub

«Ein Umfeld für neue Ideen, für Mut, für Ziele»

Der Space Hub der UZH hat ein neues Zuhause im Innovationspark Zürich. Space-Hub-Leiter Oliver Ullrich spricht im Interview darüber, wie der Weg für Innovationen geebnet werden kann und warum die Raumfahrt vor einem neuen Durchbruch steht.
Carole Scheidegger
  • Der Standort des UZH Space Hub bietet mit der Anbindung an ein Flugfeld einzigartige Vorteile.
    Der Standort des UZH Space Hub bietet mit der Anbindung an ein Flugfeld einzigartige Vorteile.
  • Die Räume im ersten Stock wurden neu eingebaut.
    Die Räume im ersten Stock wurden neu eingebaut.
  • Offene Flächen laden zum Austausch und gemeinsamen Arbeiten ein.
    Offene Flächen laden zum Austausch und gemeinsamen Arbeiten ein.

Die Tür zum umgebauten Hangar 4 im Innovationspark Zürich auf dem Gelände des Flugplatzes Dübendorf öffnet sich und gibt den Blick frei auf eine grosse Halle. Die Tore an der Längsseite lassen sich öffnen und führen direkt aufs Rollfeld. Auf der anderen Seite befindet sich der Eingang zu einem hochmodernen Biolabor. Weiter vorne führt eine Treppe in den ersten Stock, der neu eingebaut wurde. Dort arbeiten Menschen in einer Lounge, im Sitzungszimmer und in Büros. Offene Flächen laden zum gemeinsamen Austauscht ein. Wir befinden uns im neuen Domizil des UZH Space Hub.

Oliver Ullrich, Sie leiten den UZH Space Hub. Wie ist es, hier im Hangar 4 zu arbeiten?

Oliver Ullrich: Es ist ein grossartiges Gefühl, ein Gefühl des Aufbruches, des Neuen. Denn wir haben hier die einmalige Chance, zusammen mit Partnern Forschung und Entwicklung in die Praxis umzusetzen. Wir sind hier nicht am Ziel, sondern am Beginn vieler neuer Projekte in der Luft- und Raumfahrt.

Was genau ist der Space Hub?

Der Space Hub ist der Innovations-Cluster der UZH für Luft- und Raumfahrt. Er vereint die verschiedensten Space-Bereiche der Universität mit den Schwerpunkten Biotechnologie, Medizin, Erdbeobachtung, Fernerkundung, Astrophysik und autonomes Fliegen und autonome Navigation. Der Space Hub war bis anhin eine Netzwerkstruktur, die Brücken zwischen den Disziplinen schlägt. Mit diesem neuen Standort haben wir die Möglichkeit, an einem physischen Ort Innovationen, Anwendungen und Tests durchzuführen. Wir bauen einen Inkubator auf, der Forschung, Technologie und Wirtschaft verknüpft und den Weg für zukünftige Innovationen ebnet. Wir bringen Teams mit der Industrie in Kontakt und machen der Industrie klar, welches hervorragende Potenzial bei uns besteht. Start-ups können bei uns Flächen oder Laborzugang mieten und hier ihre Ideen umsetzen. Wir stellen als Innovationscluster unsere Expertise, Erfahrung und Netzwerke zur Verfügung.

Welche Vorteile hat es, dass sich der Standort im Innovationspark befindet?

Wir sind hier mitten in einer der akademisch und wirtschaftlich stärksten Regionen Europas. Der Standort bietet mit der Anbindung an ein Flugfeld einzigartige Vorteile.  Es ist ein Innovationsumfeld, ein Umfeld für Unternehmertum, für neue Ideen, für Mut, für Ziele. Das, was wir als Universität an Wissen erwerben, können wir hier wieder zurückzugeben an die Gesellschaft. Wir sind hier Teil einer Wissens-Wertschöpfungskette, die mit und um den Switzerland Innovation Park Zurich entsteht.

Wie muss man sich das konkret vorstellen?

Ein gutes Beispiel dafür ist die Produktion von menschlichem Gewebe in der Schwerelosigkeit. Die Schwerelosigkeit im erdnahen Orbit wird genutzt, um aus menschlichen adulten Stammzellen dreidimensionale organähnliche Gewebe – sogenannte Organoide – zu züchten. Dieser Vorgang ist auf der Erde schwierig, aufwändig, nicht sehr zuverlässig und benötigt viele Hilfsmittel wie Stützskelette – alles nur wegen der Schwerkraft. Wir haben daher an der UZH zusammen mit Airbus ein Verfahren unter Nutzung der Schwerelosigkeit entwickelt, dass den Verfahren auf der Erde weit überlegen ist. Wir haben es zweimal erfolgreich auf der ISS getestet und wurden mit dem Ersten Preis des Orbital Reef Innovation Award ausgezeichnet.

Hier im Hangar 4 befindet sich Prometheus Life Technologies, ein Spin-off der Universität, das in unseren biologischen Laboratorien den nächsten Schritt geht, nämlich diese Prozeduren in die kommerzielle Phase zu überführen. Biotechnologische und medizinische Forschung ist einer der Schwerpunkte der UZH, die zu den weltweit forschungsstärksten Universitäten in den Life Sciences gehört.

Haben Sie ein weiteres Beispiel für Themen, die im Space Hub bearbeitet werden?

Die Erdbeobachtung ist ein Anwendungsgebiet, das nahezu endlose Möglichkeiten eröffnet. Dank neuer Sensor- und Detektionstechnologien kann bis ins kleinste Detail die Umwelt unserer Erde aus dem All beobachtet werden, mit einer bisher nicht dagewesenen Präzision und Aussagekraft. Anwendungen finden sich in der  Präzisionslandwirtschaft. Man kann genau sehen, wo welche Vegetation wächst, wo es Schädlingsbefall gibt, wo gewässert werden muss oder wie der Bedarf an Düngemitteln ist. Die Erdbeobachtung liefert ein Bild der Erde, ermöglicht die Untersuchung der Biodiversität und das Klimamonitoring. Ohne Erdbeobachtung wären wir in Bezug auf unseren Planten blind. So einfach ist das. Und die Universität Zürich ist auf diesem Gebiet führend. Flugeinsätze zur Erdbeobachtung wurden schon oft vom Flugplatz Dübendorf aus durchgeführt.

Ebenfalls schon seit längerem werden autonom navigierende schnellfliegende Drohnen getestet. In der autonomen Navigation ist die Universität Zürich ebenfalls weltweit ganz vorne. Diese Drohnen können bei Such- und Rettungseinsätzen eingesetzt werden, in Gebieten, die für den Menschen gefährlich sind, und natürlich dort, wo Menschen aktuell nicht hingelangen können, wie bei der Exploration des Mars.

Oliver Ullrich

Wir bauen einen Inkubator auf, der Forschung, Technologie und Wirtschaft verknüpft und den Weg für zukünftige Innovationen ebnet.

Oliver Ullrich
Leiter UZH Space Hub

Welche Unternehmen sind jetzt schon im Hangar 4 domiziliert?

Neben dem UZH-Spin-off Prometheus Life Technologies ist auch Dufour Aerospace wie auch Caeli Nova hier präsent. Dufour Aerospace kombiniert die Vorteile von Helikoptern mit denen von Flächenflugzeugen für effizienten und nachhaltigen elektrisch betriebenen Transport von Material und Personen, Caeli Nova  entwickelt Notfall-Sauerstoff-Systeme. Die Schnittstelle zur Universität ist hier die Hypoxie-Forschung.

Welche Rolle spielt das Biolabor hier am Space Hub?

Für Start-ups im Bereich Biotech sind die extrem hohen Anschaffungskosten von Biolaboren eine grosse Hürde. Im Biolabor am Space Hub können Start-ups für eine beschränkte Zeit angewandte Forschung und Entwicklung durchführen. Und genauso ist es hier auch mit den Hangarflächen und mit den Werkstätten, die nach Bedarf genutzt werden können. Damit wollen wir Hürden und Hindernisse abbauen, damit unsere nächste Generation es leichter hat, ihre Ideen und Entwicklungen in die Praxis zu bringen.

Wieso befindet sich derzeit die Luft- und Raumfahrt in einem besonders wichtigen Moment?

In den nächsten Dekaden wird der erdnahe Raum viel intensiver genutzt werden als bis anhin. Wir sprechen hier von der New Space Economy: die Nutzbarmachung des unteren Erdorbits für die Wertschöpfung auf der Erde. Mit dem voraussichtlichen Ende der staatlichen Internationalen Raumstation (ISS) Anfang des nächsten Jahrzehntes werden modulare, skalierbare und robuste private Raumstationen den unteren Erdorbit bevölkern. Die Transport- und Nutzungskosten werden massiv sinken. Raumfahrt war bisher vor allem deswegen so teuer, weil hochkomplexe, nicht wiederverwendbare Systeme zum Einsatz kamen, die nur für Forschung und Entwicklung, nicht aber für Serienfertigung konstruiert wurden.

In der nächsten Phase kommen robuste und wiederverwendbare Transportsysteme zum Einsatz. Niemand würde ein Flugzeug nach dem Flug wegwerfen. Und schon heute haben wir ein enormes Wissen, um die Schwerelosigkeit zur Produktion von Dingen zu nutzen, die auf der Erde nicht oder nur sehr aufwändig möglich sind. Dazu zählen menschliche Gewebe und Organe, Halbleiter, optische Fasern, bestimmte Schritte in der Medikamentenproduktion, und das ist erst der Anfang. All dieses kann bisher nicht angewendet werden, weil der Transport zu teuer und zu unzuverlässig ist.

Das klingt sehr futuristisch.

Das ist sehr real. Es ist in etwa wie vor 100 Jahren, als genau hier in Dübendorf die erste Fluglinie, die «Ad Astra» entstand, die Dübendorf mit Nürnberg und mit Genf verbunden hat. Kurz vorher hat niemand Fluglinien für möglich gehalten und die ersten Flugzeuge waren ein Kuriosum.

In den nächsten Dekaden wird der erdnahe Raum viel intensiver genutzt werden als bis anhin.

Oliver Ullrich
Leiter Space Hub

Können die Region Zürich und die Schweiz insgesamt im globalen «Race in Space» überhaupt mithalten?

Es geht nicht im einen «Race in Space», sondern um einen «Race for Value». Wir müssen die Wertschöpfungsketten nutzen. Die Schweiz liegt seit gut zehn Jahren auf Platz 1 im globalen Innovationsindex. Die Region Zürich ist die wirtschaftsstärkste und innovativste Region der ganzen Schweiz.

Wir haben eine freiheitliche, unternehmerfreundliche Kultur mit einer hervorragend funktionierenden Infrastruktur und einem ausgezeichneten universitären System. Der Zürcher Regierungsrat hat im April die Raumfahrt als ein Leuchtturmprojekt definiert. Es gibt wohl kaum bessere Voraussetzungen. Die Schweiz muss keine eigenen Raketen und Raumschiffe bauen, sondern wird die Chancen nutzen, die der neue Wirtschaftsraum bieten wird. Um uns jetzt darauf vorzubereiten, braucht es Infrastruktur, End-to-end-Wertschöpfungsketten, Innovationskraft und Forschung, sowie hervorragende Lehre und Ausbildung, sowohl für den Nachwuchs, als auch für Berufsleute. Das ist Aufgabe der Universitäten. Das möchten wir nicht nur tun, das müssen wir sogar tun.

Steht die Förderung der New Space Economy nicht im Widerspruch zu den Bestrebungen, Klimaemissionen zu senken?

Dass es den Klimawandel gibt, wissen wir überhaupt erst dank der Satellitensysteme und der Erdbeobachtung aus dem All. Die New Space Economy wird eine nachhaltige Wirtschaft werden. Alle Akteure folgen klar diesem Ziel. SpaceX hat mit der Falcon-9, der Falcon-Heavy und dem Starship wiederverwendbare Raketen und Raumschiffe entwickelt. Bald wird es auch einen «Space Traffic Control» geben. Raumfahrt wird viele neue Technologien ermöglichen, die uns auf der Erde zu mehr Nachhaltigkeit verhelfen werden. Klimarelevante Emissionen entstehen ausschliesslich beim Start von der Erde, bei der Falcon 9 in etwa soviel wie drei Langstreckenflüge mit einem Flugzeug.

Man hört ab und zu das Schlagwort Green Aviation – was hat es damit auf sich?

 Es geht um die Schadstoffvermeidung, um Lärmvermeidung, um Treibstoffeinsparung. Die UZH-nahe Stiftung Skylab forscht in diesem Bereich im Rahmen des EU-SESAR-Programmes. Aktuell wird beispielsweise zusammen mit institutionellen Partnern und Industrie an der Entwicklung einer instrumentellen Pilotenunterstützung für lärm- und treibstoffoptimierte Landeanflüge gearbeitet.

Im Space Hub arbeiten verschiedene Disziplinen zusammen. Was bringt dieses transdisziplinäre Arbeiten?

Sehr viel. Nicht nur die rein technisch- und anwendungsorientierten Fachgebiete, sondern auch Philosophie, Theologie und Filmwissenschaften sind im Space Hub eingebunden. Es geht nicht nur um den fachlichen Austausch. Natürlich ist es gut, wenn ein Team, das Biodiversität überwacht, auch etwas über Pflanzen, Energie und Biotechnologie weiss. Und im Instrumentenbau ist es sinnvoll, etwas über Sensorik zu wissen. Doch mindestens so wichtig ist der methodische oder wissenschaftstheoretische Austausch. Wie denkt ein anderes Fachgebiet, und wie löst es Probleme?

Es ist enorm horizonterweiternd, die methodischen Denkweisen und Prinzipien eines anderen Faches im eigenen Fach zu implementieren. Und sei es auch nur, um zu lernen, dass man noch ein Stück demütiger und vorsichtiger sein muss mit den eigenen Ergebnissen. Die Interdisziplinarität stimuliert die Neugierde. Diese wiederum ist die Grundlage dessen, was gute Forschende antreibt. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit bringt uns dazu, Fragen zu stellen, die wir nicht gestellt hätten, wären wir nur im eigenen Fach gefangen.