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«Den meisten Leuten ist das Thema Datenspende komplett fremd», hat UZH-Professor Thomas Friemel vom Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung (IKMZ) erfahren. Um das zu ändern, hat er die Data Donation Days initiiert. Kommenden Samstag, 21. September, werden sie das erste Mal durchgeführt. An einem Stand an der Bahnhofstrasse in Zürich informieren Wissenschaftler:innen der UZH interessierte Passant:innen über das Datenspenden. Das könnte sich dann in etwa so anhören:
«Sie haben ein Recht auf Ihre Daten, die Sie bei der Benutzung von digitalen Plattformen hinterlassen. Sie können sie bei Google, YouTube, Instagram, Facebook, X etc. anfordern. Wir zeigen Ihnen, wie man das macht. Wenn Sie die Daten erhalten haben, versorgen Sie sie nicht einfach in den Tiefen Ihres Computers. Spenden Sie sie doch einem Forschungsprojekt, das sich mit gesellschaftlich relevanten Fragen beschäftigt. Wir haben eine Plattform entwickelt, mit der eine Datenspende ganz einfach ist. Und wir stellen Ihnen gern ein paar Forschungsprojekte vor, die Ihre Social-Media-Daten für Untersuchungen verwenden möchten, die die ganze Gesellschaft weiterbringen.»
Die Plattform für das Datenspenden hat Thomas Friemel zusammen mit seinem Mitarbeiter, dem Doktoranden Nico Pfiffner, in seiner Abteilung Mediennutzung und Medienwirkung am IKMZ realisiert. Auf die Plattform kann jede und jeder ausgewählte Daten, die er beim Googlen, beim Instagram- oder YouTube-Gucken oder beim Stöbern in Facebook oder X hinterlassen hat, für die Auswertung in einem Forschungsprojekt der UZH uploaden. Forschungsrelevante Daten können Google-Suchverläufe sein, angeschaute YouTube-Videos oder abonnierte YouTube-Kanäle, die Outputs von Chat-GPT, Likes oder Kommentare auf politische Posts auf X etc.
Professor Friemel, weshalb ist das Spenden von Daten an die Forschung wichtig?
Thomas Friemel: In unserer digitalisierten Welt befinden sich sehr viele Daten unzugänglich im digitalen Raum. An diese Daten kommen Forschende nicht heran, und die Betreiber wie die Technologiekonzerne Meta oder Alphabet halten sie unter Verschluss. Das macht die Forschung – insbesondere auch für uns in der Kommunikations- und Medienwissenschaft – schwierig. Ein Beispiel: Heute können wir die Leute nicht mehr wie früher zu ihrer Einschätzung bestimmter Fernsehsendungen befragen und die Aussagen dann miteinander vergleichen. Heute schaut sich jede und jeder etwas anderes auf seinen Social-Media-Plattformen an, was zu seinen persönlichen Vorlieben passt. Um zu erfahren, was und wie die Leute heute die Medien nutzen, sind wir deshalb auf die freiwillige Spende von User-Daten angewiesen. Das hat aber auch den Vorteil, dass die Leute informiert sind und zustimmen, dass wir mit ihren Daten forschen.
Hat nur die Forschung oder haben auch die Leute, die Daten spenden, einen Nutzen davon?
Friemel: Wir geben den Spender:innen jeweils eine kurze Analyse. Zum Beispiel, zu welcher Stunde an welchem Tag sie welchen Medienkanal am häufigsten nutzten. Dieses Feedback ist für sie erfahrungsgemäss immer recht interessant. Gleichzeitig möchten wir die Medienkompetenz fördern, indem wir den Leuten zeigen, wie sie die Tracking-Funktionen ausschalten und den gespeicherten Datenverlauf, die sogenannte History, löschen können. Und es sensibilisiert ganz allgemein dafür, wie viele Daten man im Internet im Alltag hinterlässt.
Wie spendierfreudig sind die Leute? Haben sie keine Angst um ihre Privatsphäre, wenn sie ihre Google-Such-Abfragen an die Forschung spenden sollen – Stichwort Datenschutz?
Friemel: Die Haupthürde ist in der Tat die eigene Privatsphäre. Da ist es wichtig, dass wir aufzeigen, dass wir die Daten auf sicheren Servern speichern und die Übermittlung verschlüsselt wird. Wir wollen auch nicht einfach den gesamten Datensatz von Google-Abfragen, sondern haben ganz konkrete Fragen und betrachten zum Beispiel nur einen bestimmten Zeitraum. Die Begrenzung der Daten wird auf dem Gerät der Person vorgenommen; dadurch wird der Umfang der potenziellen Datenspende überschaubar und kontrollierbar für die spendende Person. Diese kann vor der Übermittlung auch auswählen, welche Datenpakete sie spenden will. Selbstverständlich anonymisieren wir die Daten und löschen sensible Informationen vor der Übermittlung auf unsere Spendenplattform.
Welche Daten wurden bisher am ehesten gespendet?
Friemel: Alles, was passiv genutzt wurde, z.B. YouTube-Videos oder der erhaltene TikTok-Feed. Je aktiver die Nutzungen sind, desto eher überschreiten sie die persönliche Schmerzgrenze – die eigenen Posts oder Chat-Verläufe mag kaum jemand weitergeben.
An den Data Donation Days wird den Leuten gezeigt, wie sie ihre Daten bei Google, Instagram und Co. anfordern können. Ist das einfach oder eher mühsam? Die Frage geht an Nico Pfiffner, der die technische Infrastruktur des Data Donation Labs programmiert hat und seine Dissertation über das Spenden von Daten zu Forschungszwecken geschrieben hat.
«In der Theorie ist es relativ einfach», antwortet Pfiffner und führt aus: Alle Social-Media-Plattformen haben eine entsprechende Website, auf der man den Zugang zu seinen Daten beantragen kann. Von YouTube erhält man meist wenige Minuten später eine E-Mail, dass die Daten heruntergeladen werden können. Dies beinhaltet dann beispielsweise eine Liste mit den angeschauten Videos, dem Datum und der Uhrzeit. Bei ChatGPT sind es alle Fragen an die KI und deren Antworten, die für die Mediennutzungsforschung besonders interessant sind.
Die Plattform für die Datenspende an die Forschungsprojekte haben Nico Pfiffner und Thomas Friemel während zwei Jahren selbst entwickelt. Das Spendenprozedere wurde möglichst einfach und transparent gehalten, damit Spendewillige nicht an der Technik scheitern.
Bisher kann man seine Social-Media-Daten an vier Forschungsprojekte spenden.
Nach und nach sollen weitere Forschungsprojekte der UZH die Plattform nutzen können. «Grundsätzlich steht die Plattform allen offen, die Projekte durchführen möchten, die auf Datenspenden basieren», so Pfiffner.