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Völkerkundemuseum

Ein rollendes Milch-Museum in Uganda

In Uganda ist seit kurzem ein rollendes Museum unterwegs. In entlegenen Dörfern und Kleinstädten vermittelt es Einblicke in ugandische und schweizerische Milchkulturen. Die Wanderausstellung auf Rädern wurde vom Völkerkundemuseum der UZH mitgestaltet. Ein Erlebnisbericht.
Jacqueline Grigo, Marc Meyer und Raphael Schwere
Ein zwölf Meter langer Lastwagen beherbergt die Ausstellung zur ugandischen und schweizerischen Milchkultur.


Eine Herde stolzer Ankole Langhorn-Rinder ziert die eine Seitenwand des zwölf Meter langen Lastwagens. Auf der anderen Seite ist ein Junge beim Trinken aus einer Milchschale zu sehen.

Der das Vehikel über eine kurze Leiter betritt, gelangt in den Ausstellungsraum und erblickt auf Tischen und in Schaukästen zahlreiche Artefakte: Bauchige Kalebassen, um das Speisefett Ghee zu produzieren, ein Räuchergerät zum Reinigen von Milchgefässen, hölzerne Melkeimer sowie eine Kuhglocke.

Die rollende Ausstellung ist das Ergebnis einer seit 2015 bestehenden Kooperation des Völkerkundemuseums der UZH mit dem Uganda Museum sowie dem Igongo Cultural Centre in Mbarara, West-Uganda. In Uganda hat die Milchproduktion eine grosse Tradition – ähnlich wie in der Schweiz. Das damit zusammenhängende kulturelle Erbe beider Länder kann man im fahrenden Milch-Museum kennenlernen. Zudem zeigt die Ausstellung zahlreiche zeitgenössische Methoden aus Haushalt und Industrie zur Verarbeitung und Konservierung von Milch. Sie thematisiert auch die Folgen des Klimawandels, informiert über Methoden lokaler Futtermittelherstellung sowie biologischen Landbau, und sie wirft Fragen nach sozialem Wandel und Geschlechterbeziehungen auf.

In einem Zelt vor dem Fahrzeug steht ein grosser, generator-betriebener Bildschirm, auf dem Videos zum Thema gezeigt werden. Bei aller Gemeinsamkeit wird klar, dass jede Region mit spezifischen Herausforderungen konfrontiert ist und dafür eigene Lösungen entwickelt.

Riesiger Besucherandrang

Tagsüber besuchen Schulklassen die mobile Schau – abends und samstags sind die Türen für die erwachsene Bevölkerung geöffnet. Die Erste von vielen angesteuerten Stationen in allen Landesteilen ist Ngora, eine 250 km nordöstlich der Hauptstadt Kampala gelegene Kleinstadt mitten in der Savanne. Der Lastwagen parkiert auf dem Vorplatz einer grösseren Primarschule am Fuss des Ngora-Rocks. Schon bald strömen mehrere Hundert Schülerinnen und Schüler der Primary- und Secondary Schools der Umgebung herbei.

Der Andrang ist gross, 400 Kinder werden gezählt. Am Folgetag sind es bereits 1200. Während eine Gruppe zu den Videovorführungen geführt wird, spielt eine andere, angeleitet vom mitreisenden Museumspädagogen Mike ein szenisches Ratespiel rund um das Thema Milch. Eine dritte Gruppe stellt sich vor den Türen des Museumswagens in eine lange Schlange.

Mit viel Sachwissen, Witz und pädagogischem Geschick führen die drei Guides der ugandischen Partnermuseen die Massen von Schulkindern unterschiedlichen Alters gruppenweise durch die Ausstellung, erklären, zeigen, beantworten Fragen und ermahnen, die Objekte nicht zu berühren. Zum Schluss wird das Gelernte in Gruppen diskutiert und vertieft.

Lehrreiche Abwechslung 

Gross und Klein sind begeistert von der Ausstellung: «Wir haben sehr viel gelernt und sind dankbar, diese Ausstellung gesehen zu haben. Unsere Kinder haben nicht viel Abwechslung in ihrem Schulalltag. Dies hier ist für sie etwas Besonderes. Sogar ich habe viel Neues erfahren», erklärt die Lehrerin einer Sekundarschulklasse. Ein Lehrer ergänzt: «Manche unserer Traditionen geraten schnell in Vergessenheit. Es ist wichtig, dass die Kinder ihr kulturelles Erbe kennen und es auch zu schätzen wissen. Hier lernen sie auch, dass in anderen Regionen des Landes und der Welt auch Milch verarbeitet wird. Zum Teil auf ganz ähnliche Weise und zum Teil ganz anders.»

«Ich wusste nicht, dass man Gras trocknen und aufbewahren kann, sodass die Kühe etwas zu essen haben, wenn die Trockenzeit wegen dem Klimawandel zu lang wird», meint ein älterer Bauer und erkundigt sich, wie er dafür genau vorgehen soll. Ein Ziel der Wanderausstellung ist auch eine bessere Vernetzung der lokalen Bauern mit regionalen Experten, so dass erstere bei konkreten Fragen wissen, an wen sie sich wenden können. Die Ausstellung versteht sich – über die blosse Wiedergabe von Wissen hinaus – auch als Ort des Erfahrungsaustauschs. 

Das Museum auf Rädern kann nur einen kleinen Teil der gewünschten Bildungsarbeit leisten. «Von unserer Schule sind 140 Kinder hier. Wir haben aber 1’300, die gerne kommen würden», bedauert ein Lehrer. Auf die Frage, was man verbessern könnte, wird der Wunsch geäussert, den Besuchenden nicht nur theoretisches, sondern auch praktisches Lernen zu ermöglichen. «Es wäre gut, wenn sie auch selber melken, die Milch pasteurisieren und heuen könnten». Gelingt es den Museen, weitere finanzielle Mittel einzuwerben, kann die Betriebszeit der «Mobile Milk Exhibition» verlängert werden.

Von der Zusammenarbeit profitieren alle drei Museen. Die ugandischen Partnerinstitutionen schätzen insbesondere den Wissens- und Kompetenzaustausch, die internationale Vernetzung sowie die finanzielle Unterstützung aus der Schweiz. Sie erhoffen sich von der Zusammenarbeit auch einen Ausbau technischer und szenografischer Kompetenzen. «Die gemeinsame Forschung stärkte ausserdem die Beziehung der Museen zu den local communities. Es ist uns sehr wichtig, dass wir diesen etwas zurückgeben können», betont Nelson Abiti, Kurator am Uganda National Museum. «Die Kooperation unterstützt unser Anliegen, unser kulturelles Erbe zu erhalten, dessen Wert hervorzuheben, und es für die Zukunft nutzbar zu machen», bemerkt James Tumusiime, Direktor des Igongo Cultural Centers.

Ergänzende Sichtweisen

Ethnologische Museen wurden in den letzten Jahren vermehrt kritisiert, andere Gesellschaften zur Schau zu stellen, ohne deren Angehörige und ihr Wissen einzubeziehen. Das Horten fremden Kulturgutes und die in letzter Zeit aufgekommene Diskussion um Restitutionen erhöhen den Druck der Öffentlichkeit auf die Museen, ihre Geschichte aufzuarbeiten und ihre Praktiken zu überdenken. In diesem Zusammenhang steigt die Bedeutung internationaler Kooperationen mit Museen und Communities des sogenannten Globalen Südens. «Nur gemeinsam, im fortwährenden Dialog können wir neue Wege erarbeiten», betont Thomas Laely, Vizedirektor des Völkerkundemuseums der Universität Zürich.

Heute geht es für die ethnologischen Museen nicht nur darum, anders auszustellen, sondern auch neue Formen der Kooperation auszuprobieren. Für das Völkerkundemuseum sind das Uganda Museum und das Igongo Cultural Centre in Mbarara dafür ideale Partner. Wo immer möglich wird dabei auf Reziprozität geachtet – so wird das «Mobile Milk Museum» von einem ugandischen Videofilmer und einer schweizerischen Filmerin dokumentiert. Sich ergänzende Sichtweisen und gekreuzte Blicke tragen zum Wissensaustausch und gegenseitigen Lernen bei.

Praxiserfahrung für Restitutions-Debatte

Dem Völkerkundemuseum erschliessen sich durch das mobile Milch-Museum neue Formen der Vermittlung – ausserhalb der Museumsmauern. Darüber hinaus sammelt das Völkerkundemuseum praktische Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Partnern in den Herkunftsgesellschaften seiner Sammlungen. Das Völkerkundemuseum kann sich so, auf der Basis von Praxiserfahrung, in aktuelle Restitutions-Debatten einbringen.

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