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Die Zukunft der Arbeit

Geht uns wegen der Digitalisierung und Automatisierung die Arbeit aus? Der amerikanische Organisationstheoretiker Thomas Malone sah das an seinem Gastvortrag am UZH Digital Forum ganz anders.
David Werner
Malone
«Künstliche Intelligenz wird überschätzt», sagt Thomas Malone, Professor für Organisationstheorie am Massachusetts Institute of Technology an seinem Gastvortrag an der UZH. (Bild: Ethan Oelman)

 

Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig. In Form smarter Applikationen durchdringt sie unseren Alltag, wird zum Begleiter, zum Berater, zum Helfer, zum Freund. Künstliche Intelligenz spiegelt menschliche Fähigkeiten. Das wirkt faszinierend – und weckt Ängste. Macht sich der Mensch durch die Weiterentwicklung der Technik selbst überflüssig? Übernehmen bald die Roboter? 

Überschätzte Roboter

Thomas Malone ist Organisationstheoretiker am MIT in Boston. In einem packenden Vortrag an der UZH vertrat er seine These, dass die Digitalisierung die Arbeitswelt auf andere Weise verändere als gemeinhin vermutet. Die Fortschritte der Robotik seien zwar beeindruckend, doch deren ökonomische Bedeutung werde überschätzt. Künstliche Intelligenz sei in spezifischen, eng umrissenen Bereichen stark, doch Menschen würden auf absehbare Zeit die besseren Generalisten bleiben.

Nicht künstliche Intelligenz, sondern die Stärkung kommunikativer Netzwerke sei der entscheidende Faktor bei der Transformation der Arbeitswelt. «Die technologisch gesehen simple Möglichkeit, ein E-Mail zu verschicken, hat die Wirtschaft dramatischer verändert als die Entwicklung komplexer humanoider Roboter», sagte Malone. Indem das Internet eine Vielzahl von Computern und Menschen miteinander verbinde – also «Hyperkonnektivität» herstelle –, schaffe es eine überaus leistungsfähige Form kollektiver Intelligenz. Diese kollektive Intelligenz benötigt sowohl menschliche Kognition als auch eine digitale Infrastruktur.

Kollektive Superhirne

Lernfähige soziale Netzwerke – Malone nennt sie «Superminds» – sind keine Erfindung des Computerzeitalters, es gab sie schon viel früher. Aktienbörsen, wissenschaftliche Communities, aber auch organisierte Nachbarschaftshilfen sind Beispiele für solche kollektiven Superhirne. Mit Hilfe des Internets können sie ihr Potential vervielfachen. Thomas Malone zeigte sich überzeugt, dass nicht Roboter, sondern «Human-Computer-Superminds» die künftige Arbeitswelt dominieren werden. Nicht der Wettlauf von Mensch und Maschine forme die ökonomische Realität der Zukunft, sondern das Zusammenwirken von menschlichen und maschinellen Kapazitäten in kommunikativen Netzwerken. Der Mensch werde in der Ökonomie der Zukunft also keineswegs überfüssig. Massenarbeitslosigkeit als Folge von Digitalisierung hält Malone ohnehin für ein unwahrscheinliches Szenario: Die Geschichte zeige, dass Automatisierungswellen jeweils zur Entstehung neuer Geschäftszweige und neuer Jobs geführt hätten.

Mal schlauer, mal dümmer

Die Digitalisierung mache die kollektiven Superhirne aber nicht automatisch schlauer, sondern manchmal auch dümmer, sagte Malone, und verwies warnend auf die Anfälligkeit von Social-Media-Communities für Fake News. Für den Organisationstheoretiker aus Boston hängt der Fortschritt entscheidend davon ab, wie geschickt das Zusammenwirken von Menschen- und Computernetzwerken gestaltet wird. Er führte in seinem Vortrag an der UZH eine ganze Reihe von Beispielen an, die das Potential clever organisierter kollektiver Superhirne veranschaulichten, zum Beispiel netzwerkbasierte Prognosemärkte oder das «Human Diagnosis Project», das Ärztinnen und Ärzte mittels Machine Learning bei der Wahl geeigneter medizinischer Therapien unterstützt.

«Human-Computer-Superminds» können nach Ansicht Malones in unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt werden – so etwa bei der Strategieentwicklung im Management, der Terrorismusbekämpfung oder der Suche nach kreativen Lösungen im Kampf gegen die Klimaerwärmung.

 

Podium
Diskussion über den gesellschaftlichen Umgang mit neuen Technologien: David Dorn (UZH), Thomas Malone (MIT) und Corinne Schärer (Gewerkschaft Unia). Geleitet wurde die Diskussion von Abraham Bernstein, Informatik-Professor an der UZH. (Bild: Ethan Oelman)

 

Eine Digitalisierung, die allen nützt

In der anschliessenden Podiumsdiskussion rückten Thomas Malones Thesen zum Potential der kollektiven Superhirne etwas in den Hintergrund. Den Mittelpunkt des Gesprächs bildeten die gesellschaftlichen Risiken der Digitalisierung. Corinne Schärer von der Gewerkschaft Unia erklärte, die durch Automatisierung und Digitalisierung erzielten Produktivitätsgewinne müssten gerecht verteilt werden, ausserdem gelte es durchzusetzen, dass die Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch in der digitalisierten Welt wirksam seien. «Wir brauchen eine Digitalisierung, die allen zu Gute kommt», sagte sie. 

David Dorn, Ökonomie-Professor an der UZH, betonte ebenfalls die Notwendigkeit, gesellschaftliche Ungleichgewichte auszubalancieren, die durch die Digitalisierung entstehen könnten. Schulungen und Trainings seien wichtig. Damit die Wirtschaft wachsen könne und der Wohlstand erhalten bleibe, seien Flexibilität und Aufgeschlossenheit für neue Technologien unabdingbar. Ein Votum, das Thomas Malone dankbar aufgriff. Er warb für möglichst grosse Offenheit angesichts der sich verändernden Anforderungen einer digitalisierten Arbeitswelt. «Die Schweiz könnte sich bei der Etablierung innovativer Arbeitsformen weltweit an die Spitze der Entwicklung setzen», sagte der Professor aus Boston.