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Schweizer Erzählnacht 2013

Geschichten zum Schmunzeln

Am 8. November findet zum 24. Mal die Schweizer Erzählnacht mit Lesestunden und gemeinsamem Fabulieren statt. Organisiert wird die Veranstaltung vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKJM, einem assoziierten Institut der UZH. Wir haben ihm aus aktuellem Anlass einen Besuch abgestattet.
Alice Werner
Was gibt es für Kinder Schöneres: Lange aufbleiben und Geschichten lauschen. Bei der Schweizer Erzählnacht 2013 darf ausserdem gekichert werden. Das Motto lautet in diesem Jahr: «Geschichten zum Schmunzeln».

«Wer morgens beim Erwachen schmunzelt, mittags nicht die Stirne runzelt und lacht am Abend, dass es schallt, der wird hundert Jahre alt.» Diesen viel zitierten Reim nimmt sich die Schweizer Erzählnacht 2013 zum diesjährigen Motto: «Geschichten zum Schmunzeln - Histoire de rire! - Storie per sorridere - Istorgias per surrir».

Sobald es morgen Abend dunkel wird, werden in Schulen, Bibliotheken, Gemeindesälen, Kulturinstitutionen und Buchhandlungen im ganzen Land lustige Geschichten aufgetischt: fröhliche Märchen, Schmunzelgedichte, aberwitzige Gruselstories, Reime und Limericks, Nonsensverse, schräge Tiernovellen, urkomische Comics, närrische Schelmengeschichten, Cabaret-Nummern und selbst geschriebener Unfug.

Da die Schweizer Erzählnacht auf die Walliser Tradition des «Abusitz» zurückgeht, das winterliche Geschichtenerzählen am Holzofen, am Kamin oder offenen Feuer, werden sich lesehungrige Besucherinnen und Besucher auch in diesem Jahr an Lagerfeuerwürstchen und Bratäpfeln laben können.

Organisiert wird diese lustvolle Art der Leseförderung, in Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern, vom Schweizerischen Institut für Kinder und Jugendmedien SIKJM. Die jährliche Veranstaltung stösst auf so grossen Anklang, dass sie sich mit jährlich rund 60`000 Teilnehmenden an über 600 Einzelveranstaltungen zum grössten Kulturevent der Schweiz gemausert hat.

Dokumentation, Forschung und Praxis unter einem Dach

Aus aktuellem Anlass daher ein Besuch am Zürcher Hauptsitz des SIKJM vis à vis der Tramhaltestelle Beckenhof. Noch auf der Strasse stehend, möchte man sich am liebsten die Nase an der Scheibe platt drücken. Denn hinter der gläsernen Front hat das Kind in einem meterweise Bilderbücher entdeckt, tausende Geschichten, wohlgeordnet in Reih und Glied.

Kaum hat man flugs die Bibliothek betreten und die ersten Regale in Augenschein genommen, werden die Kinderbuchhelden vergangener Tage seltsam lebendig. Natürlich bildet man sich das nur ein. Oder etwa doch nicht? Denn in diesem dreigeschossigen, modernen Geschäftshaus weht ein anderer Wind: Hier dreht sich alles um Imagination, Fantasie, Dichtung und Fabulierkunst.

Bibliophile Schätze

Ingrid Tomkowiak, Professorin am Institut für Populäre Kulturen der Universität Zürich, hat zu einem Rundgang durch die Geschäftsstelle des SIKJM geladen. Sie beginnt die Führung durchs Haus mit der eindrucksvollen Bibliothek im Erdgeschoss. Rund 50`000 Titel sind hier versammelt, eine in der Schweiz einzigartige Dokumentation historischer und zeitgenössischer Kinder- und Jugendliteratur.

Darunter finden sich wertvolle Ausgaben illustrierter Robinsonaden aus dem 17. Jahrhundert, Kinderbuchsammlungen bekannter Verlegerinnen und bibliophiler Privatpersonen, alle nominierten Bücher für den Hans-Christian-Andersen-Preis, Archivmaterialien (Briefe, Manuskripte, Publikationen) aus den Nachlässen von Kinderbuchfachleuten und Autoren und, nicht nur für Heidi-Fans, das Johanna Spyri-Archiv mit dem Gesamtwerk der Schriftstellerin, einschlägiger Sekundärliteratur und historischen Text- und Bilddokumenten.

Weiter geht es in den Keller, in dem die älteren Buchschätze lagern, sorgfältig dokumentiert. Die Professorin müht sich, einige der schweren Rollregale zur Seite zu schieben. «Das kulturelle Erbe der schweizerischen, deutschsprachigen aber auch internationalen Kinder- und Jugendliteratur ist durchaus gewichtig», meint sie lachend.

Zurück im Tageslicht führt sie die Besucherin in die Seminarräume. Hier finden unter anderem die Kurse zu Trends in Kinder- und Jugendmedien statt, etwa zu den Themen «Comics und Graphic Novels» und «Horror, Thrill und Paranoia – Angstszenarien in Jugendromanen und Filmen». Daneben bietet das SIKJM Schulungen zur Leseförderung an: Wie bringt man lesefaule Jungs ans Buch? Wie können Lehrerinnen und Lehrer die Lesekompetenz ihrer Schüler stärken?

Leseförderungsprojekte für Familien

Mit zwei Lehrgängen zur vertieften Weiterbildung im Bereich literale Förderung geht das SIKJM seit 2006 besonders innovative Wege. Ziel der Ausbildung zur «Leseanimatorin SIKJM» ist die Vermittlung von Kenntnissen über entwicklungspsychologische Aspekte des Lesens, über aktuelle Kindermedien, Animationsmethoden für die Arbeit mit 0- bis 6-Jährigen und ihren Eltern sowie Methoden des Lehrens in der Erwachsenenbildung.

Erfolgreich und mit mehreren Auszeichnungen bedacht ist auch der vom SIKJM entwickelte dreitägige Basiskurs «Schenk mir eine Geschichte – Family Literacy», der sich an interkulturelle Vermittler, Lehrpersonen und mehrsprachige Spielgruppenleiterinnen richtet und zur Leitung sogenannter Leseanimationen befähigt.

Die Projektidee hinter diesem Leseförderungsprojekt für Familien: Eltern, insbesondere Mütter und Väter mit Migrationshintergrund, sollen durch gemeinsame Geschichtenstunden dabei unterstützt werden, die literale Entwicklung ihrer Kinder und das Interesse am Buch zu stärken.

Gespielt, erzählt und vorgelesen wird dabei in der jeweiligen Erstsprache der Kinder – das senkt die Hemmschwelle und macht Mut, sich in Erzählwelten, Lieder und Verse zu stürzen. «Die Kinder», erklärt Ingrid Tomkowiak, «können die sich angeeigneten Fähigkeiten dann leicht auf weitere, zu erlernende Sprachen übertragen.»

Assoziierung an die UZH

Nach einem Abstecher in die Redaktionsräume der Fachzeitschrift «Buch & Maus», die über literarische und mediale Trends und Hintergründe im Kinder- und Jugendmedienmarkt berichtet, lotst die Professorin in einen Besprechungsraum. Zur Sprache kommen soll noch die spezielle Verbindung des SIKJM zur Universität Zürich. Seit 2007 ist das Schweizer Kompetenzzentrum für Kinder- und Jugendmedien ein assoziiertes Institut der UZH. Eine Kooperation, die sich auch in Tomkowiaks Doppelrolle widerspiegelt: als UZH-Professorin mit Schwerpunkt Kinder- und Jugendmedien sowie Forschungsleiterin des SIKJM und Mitglied der Geschäftsleitung.

Der Wissenschaftlerin und Liebhaberin von Abenteuergeschichten reichen zehn Finger nicht aus, um alle Vorteile dieser Assoziierung aufzuzählen. Einige dieser Pluspunkte liegen auf der Hand: Bündelung von Interessen und Wissen, Erkenntnistransfer zwischen Forschenden an UZH und SIKJM, akademische Nachwuchsförderung durch gemeinsame wissenschaftliche Projekte, Publikationen, Archiv- und Kulturarbeit. «Da hinter dem SIKJM eine Hochschule mit internationalem Renommee steht», führt Ingrid Tomkowiak weiter aus, «ist es für uns wesentlich leichter, ein internationales Netzwerk aufzubauen, Fachtagungen auszurichten und uns mit Infrastruktur und Praxiswissen an universitären Drittmittelprojekten zu beteiligen.»

Umgekehrt profitiert auch die Universität Zürich. So konnte das Institut für Populäre Kulturen dank der Assoziierung einen neuen Forschungsbereich akquirieren – ein wissenschaftliches Feld, das an keiner anderen Schweizer Universität vertreten ist. Zudem ist das SIKJM der UZH ein idealer Partner in punkto kommunikativem Wissenstransfer in die Gesellschaft sowie nationaler und internationaler Sichtbarkeit.

Durch seine vielfältigen, oft praxisbezogenen Aktivitäten – von Kulturveranstaltungen und der Herausgabe von Fachzeitschriften bis zu Aus- und Weiterbildungsangeboten – erreicht das Kompetenzzentrum neben wichtigen Multiplikatoren etwa aus dem Bildungs- und Bibliothekswesen auch die Allgemeinheit.

Die Schweizer Erzählnacht ist dabei nur die Spitze des Eisbergs an Forschungs- und Förderungsaktivitäten des SIKJM. Eine Spitze allerdings mit ausserordentlicher Breitenwirkung.