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Die Physiologie in die Zukunft bringen

Integrative Physiologie versucht, die Erkenntnisse der verschiedenen Ebenen der physiologischen Forschung wie Molekül, Zelle und Organismus zu einem Gesamtbild zu vereinen. Das im März 2005 gegründete Zentrum für Integrative Humanphysiologie der Universität Zürich präsentiert an einem Symposium vom kommenden Donnerstag und Freitag laufende Forschungsprojekte.
Adrian Ritter

Wie verändert sich die Atmung in der Höhe? Dieser Frage widmet sich eines der Forschungsprojekte, die in den kommenden Tagen am Symosium für integrative Humanphysiologie präsentiert werden.

Neu ist die Idee nicht, Menschen in Labors auf Fahrräder zu setzen, um ihren Kreislauf oder ihre Atmung zu untersuchen. In den 1940er bis 1960er Jahren war die Physiologie an der Universität Zürich bekannt für Untersuchungen, die sich der Frage widmeten, wie denn Systeme wie Muskulatur, Kreislauf und Gehirn eigentlich zusammenspielen. Erst die Anatomie hatte die Grundlagen geliefert, sich solchen Fragen überhaupt widmen zu können.

Das «Revival» des Organismus

Das neu gewonnene physiologische Wissen und Forschen drohte allerdings verdrängt zu werden, als Ende der 1970er Jahre der Boom von Molekularbiologie und genetischer Forschung begann und der Blick sich vor allen auf die Ebene der Moleküle und Zellen richtete.

Aus den Anfängen der Physiologie: Blutdruck messen bei einem Pferd um 1728. Fragen des Zusammenspiels von Systemen wie Gehirn, Kreislauf und Muskulatur drohten im Laufe des 20. Jahrhundert in Vergessenheit zu geraten, als der Blick vermehrt auf die Ebene der Moleküle und Zellen gerichtet wurde.

«Heute geht es darum, die auf diesen Ebenen gewonnen Erkenntnisse wieder in ein Gesamtbild zu integrieren und damit die Physiologie in die Zukunft zu bringen», so Prof. Max Gassmann, Direktor des Instituts für Veterinärphysiologie der Universität Zürich und stellvertretender Vorsitzender des Leitungsausschusses des Zentrums für Integrative Humanphysiolgie (ZIHP).

Er sieht bereits ein «Revival» der integrativen Physiologie, wie sie am neuen Zentrum betrieben wird: «Wer heute in einem der bekannten Wissenschaftsjournals publizieren will, kann es sich gar nicht mehr leisten, seine Forschung nicht auch auf ihre Bedeutung für alle Ebenen des Körpers zu hinterfragen.»

Prof. Max Gassmann ist stellvertretender Vorsitzender des Leitungsausschusses des neuen Zentrums für Integrative Humanphysiologie. Er sieht bereits ein «Revival» der integrativen Physiologie.  

Bekannt machen und vernetzen

«Die Aufgabe des ZIHP in dieser Entwicklung wird es sein, Forschende mit physiologischen Fragenstellungen zu vernetzen», sagt Dr. Magdalena Seebauer, Geschäftsführerin des ZIHP. Vorerst wird diese Aufgabe vor allem am Forschungsplatz Zürich angepackt, später soll die nationale und internationale Vernetzung verstärkt werden.

Entsprechend ist das ZIHP als Kompetenzzentrum zwar der Medizinischen Fakultät angegliedert, aber interdisziplinär und überfakultär orientiert. Bisher sind Forschende aus rund 30 Instituten und Kliniken von Universitätsspital (USZ), Kinderspital sowie Universität und ETH Zürich beteiligt. Gassmann ist überzeugt, dass «auf dem Forschungsplatz Zürich noch mehr Forschende integrative Physiologie betreiben, das ZIHP aber noch gar nicht kennen». Nicht zuletzt diese Personen sollen mit dem Eröffnungssymposium diese Woche angesprochen werden.

Von Herzklappen und Höhenluft

In vier thematischen Schwerpunkten will das Zentrum die bisherige Forschung in Zürich nicht nur vernetzen, sondern mit zwei neu ausgeschriebenen Assistenzprofessuren auch stärken. Der Schwerpunkt «Herz-Kreislauf» geht der Frage nach, wie Herz und Blutkreislauf reguliert werden. Prof. Simon P. Hoerstrup vom Departement Chirurgie des USZ beispielsweise wird dazu am Symposium seine Bestrebungen vorstellen, Herzklappen und Blutgefässe aus Zellkulturen künstlich herzustellen. Diese sollen sich im Gegensatz zu Prothesen aus künstlichen Materialen dem menschlichen Körper besser anpassen und bei Kindern auch mitwachsen können.

Im Schwerpunkt «Sauerstoff und Bewegung» wird untersucht, wie Sauerstoff vom menschlichen Organismus aufgenommen, transportiert und verbraucht wird. Konrad Bloch von der Abteilung Pneumologie des USZ will herausfinden, wie sich die Atmung verändert, wenn sich Menschen höher als 2500 Meter über Meer aufhalten oder ständig in solchen Höhen leben. Er wird am Symposium von seinen Feldversuchen unter anderem auf dem Monte Rosa berichten. Mit den Erkenntnissen sollen Lungenkrankheiten und Störungen der Atmung in Zukunft besser diagnostiziert und behandelt werden können.

Versucht Forschende mit physiologischen Fragenstellungen im neuen Zentrum zu vernetzen: ZIHP-Geschäftsführerin Dr. Magdalena Seebauer. 

Betazellen retten

Insbesondere mit Fragen des Stoffwechsels befasst sich der Schwerpunkt «Milieu intérieur». Marc Y. Donath zum Beispiel forscht an der Abteilung Endokrinologie und Diabetologie des USZ an einer neuen Behandlung von Patienten mit Diabetes Typ 2. In einer klinischen Studie wird zur Zeit versucht, das Absterben der Insulin-produzierenden Betazellen in der Bauchspeicheldrüse zu verhindern.

Der Themenschwerpunkt «Zentrale Regulation und Koordination» schliesslich befasst sich mit dem Gehirn als empfindendem und steuerndem Organ. Beispiel: Daniel Jeanmonod interessiert sich in der Neurochirurgie am USZ dafür, welche Vorgänge im Gehirn für chronische Schmerzen und Bewegungsstörungen etwa bei Parkinson verantwortlich sind.

Für Nachwuchs sorgen

Damit solche Forschung auch in Zukunft stattfinden und nicht wieder in Vergessenheit gerät, fördert das ZIHP den Nachwuchs. Seit dem Wintersemester 2004/2005 kann im Rahmen des Biologiestudiums ein neuer Masterstudiengang Humanbiologie/Medical Biology gewählt werden. Gestartet ist ebenfalls ein PhD-Programm in Integrativer Humanphysiologie, an welchem bisher rund ein Dutzend Personen teilnehmen. Finanziert wird diese Nachwuchsförderung durch den ebenfalls neuen Forschungsschwerpunkt Integrative Humanphysiologie der Universität Zürich.