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Psychologie

Hoffnung für Kinder im Ukraine-Krieg

Wie können traumatisierte Kinder wieder Vertrauen fassen? UZH-Psychologe Naser Morina bringt sein Know-how in ein ambitioniertes Projekt in der Ukraine ein: Die Nadija Foundation verbindet Forschung, Therapie und Perspektive.
Carole Scheidegger
Der Krieg hat drastische Auswirkungen auf das Leben und die Gesundheit ukrainischer Kinder und Jugendlicher. (Bild: shutterstock.com/Ruslan Lytvyn)

Kinder beginnen keine Kriege, leiden aber unermesslich unter ihnen. Zum Beispiel in der Ukraine: Viele Kinder und Jugendliche vor Ort benötigen Behandlungen für Körper und Psyche. Die Nadija Foundation, eine nordisch-ukrainische Initiative, will hier Unterstützung leisten und dafür ein Spital, ein virtuelles Gesundheitszentrum und ein Forschungszentrum aufbauen. Die Stiftung wurde von Anne Berner gegründet, einer schweizerisch-finnischen Doppelbürgerin, Unternehmerin und ehemaligen finnischen Ministerin.

Am Forschungszentrum ist auch die Universität Zürich beteiligt. «Die Nadija Foundation hat mich gefragt, ob ich meine Expertise einbringen kann», erklärt Naser Morina. Er ist Privatdozent für Psychologie an der UZH und Co-Leiter des Ambulatoriums für Folter- und Kriegsopfer am Universitätsspital Zürich (USZ). Mit der Verarbeitung von Konflikten kennt er sich also aus. Neben der UZH sind an der Gründung des Forschungszentrums auch die Lviv National Medical University, die Ukrainian Catholic University, die University of New South Wales, die Linköping University, und die University of Cambridge beteiligt. Andere Universitäten, zum Beispiel die University of Oxford oder Oslo, sind projektmässig assoziiert.

Vor Ort verankern

«Es ist wichtig, dass das Forschungszentrum in der Ukraine verankert ist», sagt Morina. «Nur so kann es nachhaltig wirken.» Morina war im Januar selbst in der westukrainischen Stadt Lwiw und war beeindruckt, wie resilient die Menschen trotz allem wirkten.

Der Psychologe ist derzeit in zwei von Nadija finanzierte Projekte involviert. Eines davon erfasst den psychischen Gesundheitszustand ukrainischer Kinder. Dazu füllten 3’000 Kinder an verschiedenen Orten des Landes Fragebögen aus, 3’000 weitere Fragebögen komplettierten ihre Eltern. Basierend auf den Ergebnissen werden die Wissenschaftler:innen den ukrainischen Behörden genauere Empfehlungen geben können, welche Art von Massnahmen für die Kinder nun am hilfreichsten wäre. Um Langzeiteffekte zu erfassen, ist vorgesehen, die Befragung bei den gleichen Kindern und Eltern in den nächsten Jahren mehrmals zu wiederholen.

Konkrete Hilfe

Im zweiten Projekt kommt das von der WHO erarbeitete Programm «Early Adolescent Skills for Emotions» (EASE) zum Einsatz. Dort lernen Kinder und Jugendliche im Alter von 10 bis 15 Jahren verschiedene Methoden, mit Stress und negativen Gefühlen umzugehen. Die Eltern oder Betreuungspersonen erhalten an separaten Anlässen ebenfalls Informationen. Das Forschungsteam unter der Leitung von Morina begleitet das Projekt und wird evaluieren, wie wirksam die Massnahmen sind.

Die Kinder sollen wieder Normalität erleben, spielen und Vertrauen aufbauen können.

Naser Morina
Psychologe

Doch was braucht es überhaupt, damit Traumabehandlungen bei Kindern und Jugendlichen erfolgreich sein können? «Ein Gefühl von Sicherheit und Stabilität sowie verlässliche Beziehungen sind sehr wichtig», erklärt Morina. «Die Unterstützung muss die Kultur berücksichtigen und evidenzbasiert sein. Die Kinder sollen wieder Normalität erleben, spielen und Vertrauen aufbauen können.» Für die Forschenden im Nadija-Projekt ist klar: Die Unterstützung soll nicht isoliert in einem Therapieraum greifen, sondern in die Gesellschaft eingebettet werden. Deshalb werden auch Eltern und Lehrpersonen einbezogen.

UZH sendet starkes Signal

Um den Aufbau des Nadija Research Centers weiter voranzubringen, haben sich Vertreter:innen der beteiligten Hochschulen vor Kurzem in Stockholm getroffen. «Die Beteiligung der UZH sendet ein starkes Signal: Wir sind bereit, als eine der führenden Universitäten Europas wissenschaftliche Exzellenz einzubringen und den Aufbau eines internationalen Zentrums für Forschung und Expertise aktiv mitzugestalten», sagt Morina. Die Projekte der Nadija Foundation sind mit ihren drei Teilbereichen und der Verknüpfung von lokalen Fachpersonen und internationalen Partnern einzigartig. «Nadija bedeutet auf Ukrainisch Hoffnung», sagt Morina. «Dieses Projekt gibt mir tatsächlich Hoffnung, dass wir Kindern eine bessere Zukunft ermöglichen können. Das ist meine Motivation als Forscher und als klinischer Psychologe.»