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Jacobs Center for Productive Youth Development

Züchtigung oder Laisser-faire?

Eltern erziehen ihre Kinder weltweit unterschiedlich. Im «World Parenting Survey» untersuchen Forschende der UZH, welche Erziehungsstile in welchen Ländern vorherrschen.
Roger Nickl
Je nachdem, worauf die Gesellschaft in einem Land Wert legt, erziehen Eltern ihre Kinder eher autoritär oder zugewandt.

Wie Eltern ihre Kinder erziehen, hängt von ihnen selbst ab – und von der Kultur und der Gesellschaft, in der sie leben. Stehen dort beispielsweise Gehorsam und Pflichterfüllung an oberster Stelle und sind diese Tugenden auf dem Arbeitsmarkt gefragt, dann sind Eltern eher streng und autoritär. Sie bringen ihren Kindern bei, dass Gehorsam und Pflichterfüllung das Allerwichtigste sind und bereiten sie so bestmöglich auf das Leben als Erwachsene vor.

Grosse Bandbreite an Erziehungsstilen

Ganz anders prägt die Kultur den Erziehungsstil etwa in den stark wettbewerbsorientierten USA, wo jeder seines eigenen Glückes Schmied ist. «Vor allem in Bildungskreisen umschwirren Eltern ihre Kinder dort permanent, kontrollieren und pushen sie», sagt Ulf Zölitz. In einer gross angelegten Studie, dem World Parenting Survey, haben Zölitz und sein Team am Jacobs Center for Productive Youth Development der UZH von Oktober 2022 bis Februar 2023 die Erziehungsstile von rund 48000 Eltern in 42 Ländern weltweit analysiert und miteinander verglichen. Zölitz ist Ökonom und forscht am Jacobs Center und am Department of Economics der UZH zu Entwicklungsfragen von Kindern und Jugendlichen.

Züchtigung – Grenzen erklären – Nachgiebigkeit

In ihrer Studie unterscheiden die Forschenden drei Erziehungsstile – autoritär, autoritativ und permissiv. Autoritär ist ein Erziehungsstil, der auf dem diktatorischen Prinzip von verbaler und physischer Bestrafung beruht. Der autoritative oder demokratische Erziehungsstil versucht Kindern dagegen zu erklären, weshalb sie etwas dürfen oder eben nicht. Er respektiert die Meinung und die Wünsche des Kindes, setzt aber auch begründete Grenzen. Eltern, die eine permissiven Erziehungsstil pflegen, sind nachgiebiger und haben generell Mühe damit, ein Kind zu disziplinieren. Wie die Wissenschaftler zeigen konnten, leben die meisten Eltern, die permissiv erziehen, in den Niederlanden und in Finnland. Der autoritative Erziehungsstil ist in Europa, aber auch in nord- und südamerikanischen Ländern weit verbreitet. «Wohlfahrtstaaten, die Freiheiten zulassen und weniger kontrollieren, begünstigen die beiden letzteren Erziehungsstile», sagt Ulf Zölitz. Besonders autoritär wird dagegen in Uganda, Saudi-Arabien, Indonesien und Indien erzogen. In Indien wird gemäss «World Parenting Survey» am meisten körperlich bestraft, gefolgt von Ländern Südostasiens und Afrikas.

In der Schweiz erstaunlich viel Gewalt in der Erziehung

Aber auch in der Schweiz werden Kinder körperlich gezüchtigt. In der Studie der UZH-Forschenden gaben 14 Prozent der befragten Eltern an, dies regelmässig zu tun. «Das ist eine erstaunlich hohe Zahl», sagt Ulf Zölitz. Verbreitet ist in der Schweiz die körperliche Gewalt in der Erziehung in allen Schichten. Das heisst, auch Akademikereltern rutscht ab und zu die Hand aus. Die Gründe dafür sieht Ulf Zölitz vor allem in Stress und Überforderung – vieles passiert im Affekt. «Nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit würden wir uns mehr ‹positive parenting› wünschen», sagt der Ökonom, «Eltern, die mit ihren Kindern reden, Freiheiten innerhalb von Grenzen ermöglichen und die zu verstehen versuchen, weshalb ihr Kind jetzt gerade ausrastet.»

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