Ein Schritt in die neue Ära der Raumfahrt

Als am 31. März 2025 um 21.46 Uhr Lokalzeit eine Falcon-9-Rakete vom Kennedy Space Center in Florida abhob, um eine Dragon-Raumkapsel mit einer internationalen Crew in eine Erdumlaufbahn über die Polkappen zu bringen, war auch ein Zürcher Experiment an Bord. Cora Thiel, leitende Wissenschaftlerin am UZH Space Hub, hatte auf diesen Moment hingefiebert und in den letzten Wochen in ihrem Labor im Kennedy Space Center der NASA die Zellkulturen für die möglichen Startfenster vorbereitet. «Jahrelange Erfahrung in der Raumfahrt hat uns gelehrt, das Schwierige möglich zu machen», sagt sie, «selbst unter grösstem Zeitdruck.»
Doch nicht nur das Forschungsexperiment «Space Genomics» hat einen Schweizer Bezug. Teil der vierköpfigen Crew von Fram2 ist auch die deutsche Astronautin und ETH-Alumna Rabea Rogge, die das Experiment auf einer erdnahen Umlaufbahn von 430 km durchführte. «Mit Rabea war das UZH-Forschungsprojekt in den Händen einer Astronautin, die ihre ersten Erfahrungen in der Schwerelosigkeit im Rahmen der 6. Schweizer Parabelflugkampagne des UZH Space Hub gemacht hat», sagt Oliver Ullrich, Professor für Luft- und Raumfahrtmedizin und Leiter des UZH Space Hub mit spürbarer Freude.
New Space Economy beschleunigt Forschung
Thiel und Ullrich erhoffen sich mit ihrem Experiment «Space Genomics» neue Erkenntnisse darüber, wie sich die Struktur und Dynamik des menschlichen Genoms an die Weltraumumgebung anpasst. Der Versuchsaufbau untersucht die Auswirkungen der Schwerelosigkeit auf das dynamische Chromatin. Chromatin – als Organisationsform unserer Erbsubstanz – steuert Bau und Funktion unserer Zellen. Ziel der neuen Studie ist es, die Möglichkeiten und Grenzen langfristiger Anpassungen auf Zell-Ebene zu erforschen, um zu verstehen, ob und wie Menschen ausserhalb der Schwerkraft der Erde leben können.
Das Experiment konnte innerhalb weniger Monate aufgebaut werden – im Gegensatz zu den oft langwierigen Vorbereitungen, die bei herkömmlichen Missionen nötig sind. «Bisher, in den Zeiten des ‘Old Space’, dauerte dieser Prozess viele Jahre», bestätigt Ullrich. Unterstützt wird der Schweizer Beitrag zum Projekt vom Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI.
Verknüpfung über Fachgrenzen hinweg
«Wir gehören zu den wenigen der für Fram2 ausgewählten Forschungsprojekten, die nicht aus Amerika stammen, und wir sind das einzige aus der Schweiz», fügt Ullrich hinzu. Dies zeige, dass der UZH Space Hub bestens auf die New Space Economy vorbereitet sei.
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Wir gehören zu den wenigen der für Fram2 ausgewählten Forschungsprojekten, die nicht aus Amerika stammen, und wir sind das einzige aus der Schweiz.
Die 22 Experimente, die sich für die polare Überflugsmission Fram2 qualifiziert haben, stammen aus zwei Bereichen: einmal der Polarforschung, einmal der Untersuchung der menschlichen Anpassungsfähigkeit an Weltraumbedingungen. Ein Novum sei, dass alle mitgeführten Experimente verknüpft werden, über Nationen und Fachgrenzen hinweg. «Wir können Proben und Daten austauschen und zusammenarbeiten», sagt er. «Das gab es so bei staatlichen Raumfahrtagenturen bisher nicht.»
Didaktische Kooperation mit karibischem Inselstaat
Ein weiteres Novum ist die Einbindung des Zürcher Weltraumexperiments ins reguläre Schulkurrikulum von Nevis, einem Teilstaat der Inselnation St. Kitts and Nevis in der Karibik. Das Experiment an Bord der Fram2 bildet den Auftakt zu einer Serie, in der Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit dem UZH Space Hub Weltraumforschung vorbereiten, begleiten und auswerten können. «Nevis verfügt über ein exzellentes Bildungssystem und verfolgt eine sehr vorausschauende und nachhaltige Entwicklungsstrategie,» erklärt Ullrich.
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Gerade in der Verbindung unserer vielfältigen Denkweisen, unserer verschiedenen Geschichte, unserer Erfahrungen und unserer Menschen liegt das grösste Potenzial für neue Entdeckungen.
Die Förderung der MINT-Ausbildung mit Einbezug der praktischen Weltraumforschung könnte Schule machen und als Vorbild für andere Länder dienen, ist er überzeugt. «Gerade in der Verbindung unserer vielfältigen Denkweisen, unserer verschiedenen Geschichte, unserer Erfahrungen und unserer Menschen liegt das grösste Potenzial für neue Entdeckungen», stimmt Elisabeth Stark, Prorektorin Forschung der UZH, zu.
Auch kleine Länder in der neuen Weltraumwirtschaft dabei
Noch umrundet die Dragon-Raumkapsel der Fram2-Mission mit ihrer internationalen Crew die Pole. In einigen Tagen wird Cora Thiel ihre sorgfältig gehegten Zellkulturen wieder in Empfang nehmen und die Auswertung der im «Space Genomics»-Experiment gewonnen Daten kann beginnen. Dass in der privaten Raummission auch Länder ohne Weltraumerfahrung wie Malta, Norwegen und St. Kitts and Nevis zum Zuge kamen, und Deutschland endlich die erste Frau in den Weltraum schicken konnte, stellt für Oliver Ullrich eine Revolution dar.

«Die Mission ist ein riesiger Schritt in die neue Ära der Raumfahrt», sagt er. In der Post-ISS-Ära – die Internationale Raumstation ISS wird Ende 2029 ausser Betrieb genommen – wird die Nutzung des erdnahen Orbits an Bedeutung gewinnen, so der Luft- und Raumfahrtmediziner. In Zukunft werde der schnelle und kostengünstige Zugang zum erdnahen Orbit Forschung und Entwicklung im Weltall auch für Länder ohne Raumfahrterfahrung ermöglichen.