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Interdisziplinäre Lehre

Gesundheit für Leib und Seele

Im Herbstsemester startet der neue MA Minor-Studiengang «Gesundheit im Kontext von Ethik, Spiritualität und Religion». Er befähigt zu einem umfassenden Blick auf Leiden, Krankheit und Sterben und ist für Masterstudierende der verschiedensten Fachrichtungen geeignet, die später im Gesundheitswesen arbeiten wollen.
Barbara Simpson
Pflegefachkraft hält älterer Patientin die Hände
Studierende des neuen Nebenfachs lernen, auf ethische Dilemmata adäquat zu reagieren und medizinische Interventionen unter Berücksichtigung religiöser Überlegungen kritisch zu reflektieren. (Bild: istock/LPETTET)

In welche Konflikte gerät ein christlicher oder muslimischer Intensivmediziner, wenn er mit seinem Team über das Abschalten von lebenserhaltenden Geräten berät? Manche Glaubens­gemeinschaften machen medizi­nische Vorschriften und lehnen z.B. Bluttransfusionen ab – welche Abwägungen müssen Pflegefach­kräfte dafür im Notfall treffen? Und wie können Psycholog:innen oder Seelsorger:innen Menschen beim Verfassen einer Patientenverfügung unterstützen?

Alle, die im Gesundheitsbereich arbeiten, sind in ihrer täglichen Arbeit mit einer Vielzahl von komplexen ethischen Entschei­dungen konfrontiert. Zudem gibt es weltweit Bestrebungen, gewisse medizinische Eingriffe wie Schwangerschafts­abbrüche mit Verweis auf religiöse Gründe zu verbieten oder den Zugang zu bestimmten Gesundheits­leistungen aus ökonomischen Überlegungen einzuschränken.

Interdisziplinäre Kompetenzen gefragt

«Viele Entscheidungen im Gesundheitsbereich können besser gefällt werden, wenn sie inter­disziplinär abgewogen werden, weil komplexe Sach­verhalte zu berücksichtigen sind und verschiedene Berufs­gruppen beteiligt sind», betont Michael Coors, Leiter des Instituts für Sozialethik und Dekan der Theologischen und Religions­wissenschaft­lichen Fakultät (TRF). Er forscht unter anderem zu Fragen der Medizin- und Bioethik. 

«Religiöse Überzeugungen sind oft mit bestimmten Moral­vorstellungen verbunden», sagt er. «Wir fragen uns, welche Überzeugungen wir im Gesundheits­bereich respektieren müssen und wo allenfalls Grenzen zu ziehen sind. Hier hat die TRF wertvolle Kompetenzen, die wir in Lehre und Forschung einbringen können.»

Gemeinsam mit der Religions­wissenschaft­lerin Dorothea Lüddeckens, der islamischen Theologin Hadil Lababidi und dem Spiritualitäts­forscher Simon Peng-Keller hat Michael Coors deshalb einen neuen inter­diszi­plinären Master-Nebenfach­studiengang konzipiert, der die Schnitt­stelle von Medizin und Religion aus verschiedenen Perspek­tiven beleuchtet. Aufgegleist wurde er nun unter der Federfüh­rung von Hadil Lababidi.

Für alle, die im Gesundheitswesen arbeiten wollen

Der MA Minor «Gesundheit im Kontext von Spiritualität und Religion» mit 30 ECTS kann in drei Semestern studiert werden. Er richtet sich an Master­studierende aller Fach­richtungen, die sich für ethische Frage­stellungen interessieren und religiöse und spirituelle Aspekte ernst nehmen. Sie lernen, auf ethische Dilemmata adäquat zu reagieren und medizinische Inter­ventionen unter Berück­sichtigung religiöser Über­legungen kritisch zu reflektieren.

«Wir erwarten ein breites Spektrum von Studierenden mit unterschied­lichen Haupt­fächern, vom Psychologie­studenten bis hin zur Öko­nomin – alle, die später einmal im Gesundheits­wesen arbeiten wollen», sagt Coors. «Auch Medizin­studierende sind an einzelnen Modulen interessiert, auch wenn sie nicht regulär einen ganzen Minor bei uns belegen können.»

Michael Coors, Leiter des Instituts für Sozialethik der UZH

Interdisziplinarität ist immer eine Herausforderung – und wenn sie dann gelingt, eine unglaubliche Chance.

Michael Coors
Leiter des Instituts für Sozialethik

Coors ist sich bewusst, dass es nicht einfach sein wird, die unterschied­lichen fach­lichen Prägungen der Studieren­den zu integrieren und die Lehr­inhalte aus verschiedenen Diszi­plinen zusammenzuführen. «Wichtig ist, am Anfang eine gute gemeinsame Verständigungs­basis zu entwickeln», sagt er. «Inter­diszi­plinarität ist immer eine Heraus­forderung – und wenn sie dann gelingt, eine unglaubliche Chance.»

Einen wichtigen Baustein für den vertieften inter­diszi­plinären Austausch bildet in jedem Semester ein Studientag – ein eintägiges Kolloquium, bei dem die Teil­nehmenden des Studien­gangs ein Fall­beispiel oder ein bestimmtes Thema bearbeiten. «Hier haben wir die Möglichkeit, Expert:innen aus anderen Fach­bereichen, aber auch Ärzt:innen und Pflege­fachkräfte einzuladen und mit ihnen zu diskutieren», sagt Coors.

Praxisnah und im interprofessionellen Austausch

Das Kernangebot des Studiengangs kommt aus der TRF, wo vorhandene Kapa­zitäten in den Bereichen Spiritual Care, Medizin­ethik, Religionen, Welt­anschauungen und Spiri­tualität genutzt werden können. Aber auch Angebote von Instituten anderer Fakul­täten werden berück­sichtigt wie zum Beispiel des Instituts für Biomedizi­nische Ethik und Medizin­geschichte (IBME), das an der Medizi­nischen Fakul­tät angesiedelt ist.

So wird ein bewährtes Modul zu Spiritual Care an­ge­boten, in dem die positiven und negativen Aus­wirkungen spiritueller Über­zeugungen auf die Gesund­heit untersucht werden. Im praktischen Teil des Seminars sammeln die Studierenden während rund zwei Monaten Erfah­rungen in der Begleitung von Sterbenden und deren Angehörigen. Die Studierenden lernen dabei, spirituelle Fragen aus der Perspek­tive der Patient:innen zu begreifen. Dabei wird auch der inter­professionelle Austausch geübt,  dem auch der Nachdiplom­studiengangCAS Spiritual Care gewidmet ist.