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«Und dann weiss auch der Screenreader nicht mehr weiter»

Wie finden sich blinde Nutzer:innen auf einer Webseite zurecht? Wie können Eingabefelder ausgefüllt werden, wenn keine Maus zur Verfügung steht? Menschen mit Behinderungen treffen solche Herausforderungen täglich an. Im Projekt «UZH Accessible» wird derzeit untersucht, wie zugänglich UZH-Webanwendungen sind.
Melanie Nyfeler
Mo Sherif sitzt mit Sonnenbrille und Kopfhörern vor dem Notebook
Mo Sherif ist einer von mehreren Expert:innen mit Behinderungen, die im Auftrag des vom Rektorat der Universität Zürich angestossenen Projektes «UZH Accessible» ausgewählte Webanwendungen auf ihre Barrierefreiheit untersuchen. (Bild: Stiftung «Zugang für alle»)

Mo Sherif sitzt vor dem Computer-Bildschirm und navigiert durch die Online Learning and Training Plattform OLAT durch. Der eingeschaltete Screenreader liest mit Computer-Stimme die Zeilen vor, auf denen sich sein Cursor gerade befindet. Als blinder Nutzer kann Mo Sherif mit Shortcuts von einer Überschrift zur nächsten springen, von einem Eingabefeld zum folgenden, um zu den gewünschten Inhalten einer Webseite zu gelangen.

«Zwar sagt die Computerstimme genau, was dort steht, aber manchmal ist völlig unklar, was ich in ein interaktives Feld eintragen muss», sagt Sherif anlässlich einer Demonstration. Oder aber er kommt mit dem Tabulator weder vor noch zurück. «Dann geht plötzlich nichts mehr und ich bin gefangen». Dass dies Frust und Ohnmacht auslöst, ist der zuschauenden Sehenden sofort klar. Als Nichtbetroffene, die sich erst seit kurzem mit dem Thema Barrierefreiheit beschäftigt, wird ihr erst jetzt so richtig bewusst, wie schwer es ist, sich ohne Augenlicht in der digitalen Welt zurechtzufinden.

Analyse durch Menschen mit Behinderungen

Mo Sherif ist einer von mehreren Expert:innen mit Behinderungen, die im Auftrag des vom Rektorat der Universität Zürich angestossenen Projektes «UZH Accessible» ausgewählte Webanwendungen auf ihre Barrierefreiheit untersuchen. Genauer unter die Lupe genommen wurden dabei unter anderem exemplarisch die Webseite der Zentralen Informatik, die OLAT-Plattform sowie das Vorleseverzeichnis.

Die Spezialistinnen und Spezialisten der Stiftung «Zugang für alle» – darunter auch Mo Sherif – analysierten die Anwendung gemäss den international anerkannten Richtlinien WCAG (Web Content Accessibility Guidelines). Diese sind in der Schweiz für Angebote der öffentlichen Hand verbindlich, so auch für die Universität Zürich. Heraus kamen folgende Ergebnisse:

  • Webseite der Zentralen Informatik: 51 dokumentierte Befunde, wovon 17 als schwerwiegende Hindernisse einzustufen sind. Die Expert:innen bescheinigen den Macherinnen und Machern der Webseite, bereits viele Barrieren abgebaut zu haben. Dennoch sind Grafiken aufgeschaltet, die keine Textalternativen haben, also von sehbehinderten oder blinden Nutzenden nicht gelesen werden können. Einige Formularfelder sind zudem für den Screenreader nicht beschriftet.
  • Lernplattform OLAT: 61 dokumentierte Befunde, davon 32 schwerwiegende Hindernisse. In der Plattform waren in vielen Fällen die Kontraste zu gering. «Weisse Schrift auf hellorangem Untergrund können Sehbehinderte kaum lesen», bemängelt Andreas Uebelbacher von der Stiftung «Zugang für alle». Auch der logische Aufbau der Seiten mit Überschriften-Ebenen weist deutliche Fehler auf. Dies ist für die Navigation mit dem Screenreader elementar.
  • UZH-Vorlesungsverzeichnis: 40 dokumentierte Befunde, davon 17 schwerwiegende Barrieren. Dem Vorlesungsverzeichnis werden grosse Bemühungen für mehr e-Accessibility bescheinigt, dennoch wurde zum Beispiel eine teils mangelnde Bedienbarkeit mit der Tastatur kritisiert. Zudem gibt es Bedienelemente, die mittels Screenreader kaum verständlich sind. Diese Probleme fallen vor allem bei einer eher komplexen Applikation wie dem Vorlesungsverzeichnis stärker ins Gewicht, und können dazu führen, dass man sich nicht mehr zurechtfindet.

«Uniability» und Lehrmittel werden ebenfalls geprüft

«Diese ersten Analysen zeigen, dass viele, die Webseiten mit Inhalten füllen, die WCAG-Richtlinien nicht genügend kennen. Da müssen wir unbedingt ansetzen und sie innerhalb der Universität Zürich bekannt machen. Die WCAG-Standards sollen zum Normalfall werden», fasst Christian Waldvogel von der Zentralen Informatik, der das digitale Teilprojekt von «UZH Accessible» leitet, zusammen.

Das Projekt läuft noch bis in den Frühling und es ist noch einiges zu tun: Derzeit werden auch der Online-Guide «Uniability» mit detaillierten Informationen zur barrierefreien UZH-Infrastruktur sowie die internen Lehrmittel und Dokumente auf ihre hindernisfreie Lesbarkeit untersucht. Sind auf der «Uniability»-Seite wirklich die relevanten Hörsäle und Seminarräume erfasst? Sind die aufgeschalteten PDFs der Dozierenden-Präsentationen auch wirklich barrierefrei? Werden alle Lernvideos mit Untertitel angeboten, damit auch Hörbehinderte dem Inhalt folgen können?

Massnahmenkatalog für die nächsten fünf Jahre

Sobald auch diese ausgewählten internen Angebote fertig analysiert sind, wird bis im Frühling ein Plan mit den dringenden Massnahmen für die nahe Zukunft erstellt. Deren Priorisierung wird zusammen mit den Betroffenen und den Anbietern digitaler Lösungen erarbeitet werden. In den nächsten fünf Jahren will die UZH dann im Rahmen dieser ausgewiesenen Schwerpunkte universitätsweit eine bessere e-Accessibility erreichen. Dabei soll ein Teil der Umsetzung durch die Zentralen Dienste der UZH erfolgen, ein anderer Teil durch die Fakultäten und Institute. Ebenfalls notwendig wird eine bessere Sensibilisierung und Schulung der Anbieter von digitalen Lösungen und Content-Manager für Webseiten sowie der Dozierenden für die Erstellung barrierefreier Dokumente sein.

Ein erster Anfang für eine bessere e-Accessibility ist zumindest schon gemacht: Bei der Webseite der Zentralen Informatik wurden bereits erste Anpassungen vorgenommen. Auch die Betreiber-Firma der OLAT-Plattform hat einige Verbesserungen in Arbeit und insbesondere die Kontraste bereits verstärkt. Die UZH selbst konnte ihr Farbkonzept anpassen und damit ebenfalls ungenügende Kontraste verbessern. Nutz:innen mit einer weniger grossen Sehbehinderung als Mo Sherif werden sich jetzt besser zurechtfinden.

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