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Um gut führen zu können, brauchen Führungsverantwortliche das Feedback ihrer Mitarbeitenden. Das gilt für kleine Teams genauso wie für grosse Organisationen. Auch an der UZH ist es wichtig, dass die Sicht der Mitarbeitenden auf allen Ebenen einfliesst.
Die UZH hat in den letzten Jahren grosse Anstrengungen unternommen, ihre Führungskultur weiterzuentwickeln, und der Prozess geht kontinuierlich weiter. Die Standesorganisationen spielen dabei eine zentrale Rolle: Die Vereinigung Akademischer Nachwuchs der Universität Zürich (VAUZ), die Vereinigung der fortgeschrittenen Forschenden und Lehrenden (VFFL) sowie die Vereinigung des Administrativen und Technischen Personals (VATP) geben den Anliegen der UZH-Mitarbeitenden eine Stimme, regen den Dialog an und tragen damit zur Sensibilisierung für alle Aspekte guter Führung bei.
Beispiele dafür, wie dies geschehen kann, sind die drei Ständetalks, die im Lauf der letzten zwei Jahre zu den Themen «Leadership und Deeskalation», «Leadership und Motivation» sowie «Leadership und Kultur» UZH stattfanden. Sie standen allen UZH-Mitarbeitenden offen und stiessen auf grosse Resonanz. Auch Mitglieder der Universitätsleitung nahmen daran teil.
Anknüpfend an diese Dialogreihe trafen sich kürzlich fünf Vertreterinnen und Vertreter der drei genannten Standesorganisation zu einem gemeinsamen Interview, das wir hier zusammenfassen. Am Gespräch beteiligt war auch Klaus Jonas, Direktor der Leadership and Governance Academy der UZH.
Erstes Thema in der Gesprächsrunde sind die Führungsgrundsätze der UZH, die im April 2024 aktualisiert wurden. Die neue Version ist detaillierter und konkreter als die bisherige aus dem Jahr 2018 und basiert auf neuesten Forschungserkenntnissen, wie Klaus Jonas betont.
Was tragen die Führungsgrundsätze der UZH zur Weiterentwicklung der Führungskultur bei? Für Philip Zimmermann, den Co-Präsidenten der VAUZ, liegt ihr praktischer Wert darin, dass sie eine Grundlage für Diskussionen über die Erwartungen an gute Führung bieten, auf die sich alle Beteiligten abstützen können. Wie die anderen Standesorganisationen auch, berät die VAUZ Standesangehörige, die in schwierigen oder unklaren Arbeitssituationen Rat suchen. «Für unsere Beratungstätigkeit sind die Führungsgrundsätze eine wichtige Orientierungshilfe», sagt Zimmermann.
Katayoun Safi von der V-ATP empfiehlt allen UZH-Mitarbeitenden, sich in Gesprächen mit Vorgesetzten auf die Führungsgrundsätze zu beziehen. «Sie bieten eine verbindliche Basis für solche Gespräche und liefern gute Anhaltspunkte, wie Arbeitsbeziehungen verbessert werden könnten», sagt sie. Safi ist überzeugt, dass Gespräche über gute Führung ein zentraler Faktor für die positive Entwicklung der Arbeitskultur an der UZH sind. «Die Führungsgrundsätze können dazu beitragen, den allgemeinen Diskurs über gute Führung in Gang zu halten.»
Welches sind die Anliegen, die UZH-Mitarbeitenden im Hinblick auf Führungsfragen am meisten unter den Nägeln brennen? Ruth Hunkeler, Co-Präsidentin der V-ATP, nennt an erster Stelle eine gute Feedbackkultur. «Führungsverantwortliche sollten Erwartungen und Ziele klar formulieren», sagt sie. Eine gute Zusammenarbeit könne nur funktionieren, wenn sich alle Beteiligten involviert fühlten und wüssten, worauf es den Vorgesetzten ankommt. «Mitarbeitende brauchen anerkennende und kritische Feedbacks, um sich wahrgenommen zu fühlen und sich weiterentwickeln zu können. Die jährlichen Mitarbeitendengespräche sind grundlegend, reichen aber nicht aus, um eine gute Feedbackkultur zu schaffen», sagt Hunkeler. Diese Einschätzung teilt auch Führungs-Experte Klaus Jonas: «Der Laisser-Faire-Stil von Vorgesetzten ist die häufigste Ursache für ein schlechtes Arbeitsklima, er führt zu Missverständnissen und Ungerechtigkeiten.»
Zu einer guten Feedbackkultur gehören aber nicht nur Rückmeldungen der Führungsverantwortlichen an die Adresse ihrer Mitarbeitenden, sondern auch Rückmeldungen von Mitarbeitenden an ihre Vorgesetzten. Diese sollten auch für unbequeme Themen ein offenes Ohr haben. «In guten Teams können Mitarbeitende darauf vertrauen, dass es ihnen nicht angelastet wird, wenn sie ihre Anliegen artikulieren, Verbesserungsvorschläge machen oder Kritik anbringen», sagt Valerie Treyer, Co-Präsidentin der VFFL. «Vorgesetzte müssen sich bewusst sein, dass Mitarbeitende manchmal zögern, sich kritisch zu äussern, weil sie negative Konsequenzen für sich selbst fürchten. Je grösser das Abhängigkeitsverhältnis, desto aktiver sollten Führungsverantwortliche sich darum bemühen, eine offene Feedbackkultur zu schaffen», so Treyer.
Ein Beispiel für ein besonders ausgeprägtes Abhängigkeitsverhältnis ist die Arbeitsbeziehung von Doktorierenden und Professor:innen. Für Doktorierende ist deshalb die Schwelle, unbequeme Anliegen oder Kritik zu äussern, oft besonders hoch. Philip Zimmermann von der VAUZ sagt dazu: «Prinzipiell ist das direkte Gespräch der beste Weg. Dafür muss aber eine nötige Vertrauensgrundlage bestehen.» Für Fälle, in denen diese fehlt, hat die VAUZ die Entwicklung eines anonymen Fragebogens angestossen, der Doktorierenden ermöglicht, ohne Angst vor Konsequenzen auf Führungsmängel hinzuweisen. Kommt es zu einer Häufung negativer Rückmeldungen, werden über die Vermittlung des Graduate Campus die Dekanate eingeschaltet, die sich dann um eine Lösung bemühen.
Zu einem guten Führungsstil gehört es auch, Mitarbeitende in Entscheidungsfindungs- und Entwicklungsprozesse einzubeziehen. «Je partizipativer ein Prozess gestaltet wird, desto eher sind Mitarbeitende bereit, Entscheidungen mitzutragen, und desto stärker fühlen sie sich dem Team oder der Organisationseinheit verbunden», sagt VFFL-Co-Präsidentin Valerie Treyer.
Heutzutage werden Mitarbeitende stärker in Führung einbezogen als früher, beobachtet VFFL-Co-Präsident Jan Helbing: «Die Hierarchien an der UZH sind flacher geworden.» Den Grund dafür sieht Helbing im wachsenden Stellenwert guter Führung an der UZH. Diese positive Entwicklung sei aber auch mit Herausforderungen verbunden, sagt er: «Mit den steigenden Erwartungen an gute Führung wächst auch der Aufwand, diesen Erwartungen im Alltag gerecht zu werden. Führungsaufgaben werden deshalb auf mehr Schultern verteilt als früher. An vielen Lehrstühlen beispielsweise wird ein zunehmender Teil der Führungsaufgaben an wissenschaftliche Mitarbeitende delegiert.» Dieser Mehraufwand werde nicht immer angemessen belohnt. «Die Beteiligung von wissenschaftlichen Mitarbeitenden an Führungsaufgaben wird zwar meist anerkannt, hat aber vergleichsweise wenig Auswirkungen auf die Karriere. In Firmen oder in der öffentlichen Verwaltung können Angestellte, die sich durch gute Führungsleistungen auszeichnen, auf Beförderung hoffen. Dieser Anreiz fehlt an den Hochschulen weitgehend», sagt Helbing.
Für das administrative und technische Personal kommen Ruth Hunkeler und Katayoun Safi zur selben Einschätzung. «Wir sollten uns an der UZH bewusster werden, dass gute Führung Ressourcen benötigt und uns noch stärker als bisher darum bemühen, die Laufbahnen von Mitarbeitenden langfristig zu planen und zu budgetieren», sagt Hunkeler, und Safi ergänzt: «Für das administrative und technische Personal wären die Einführung von Karrieremodellen und eine entsprechende Policy für die interne Rekrutierung ein Fortschritt.»
Das Bewusstsein für die Bedeutung guter Führung war an Hochschulen lange Zeit weniger ausgeprägt als zum Beispiel in Unternehmen oder der öffentlichen Verwaltung. Das hänge damit zusammen, dass Professor:innen sich nicht als Manager:innen verstehen, sondern sich über ihre Leistungen in Forschung und Lehre definieren, erklärt Klaus Jonas. Heute setze sich aber unter Professor:innen die Auffassung durch, dass Führung selbstverständlich zu ihren Aufgaben zählt. «Die Leistungen in Forschung und Lehre steigen, wenn Teams gut geführt werden – das ist ein starker Anreiz für Wissenschaftler:innen, in gute Führung zu investieren», so Jonas.
In Berufungsverfahren wird seit einigen Jahren an der UZH verstärkt auf Führungskompetenzen der Kandidierenden geachtet. Das ist ganz im Sinne der Stände, wie Philip Zimmermann von der VAUZ betont, denn die Führungsaufgaben von Professor:innen seien vielfältig: «Sie sind Hauptansprechpersonen für die Mitarbeitenden am Lehrstuhl und begleiten diese oft von der Einstellung bis zum Weggang. Sie müssen für gute Rahmenbedingungen sorgen, in Konfliktfällen vermitteln, ihr Team motivieren und ihre Doktorierenden dabei unterstützen, auf ihrem Weg weiterzukommen.» Katayoun Safi von der V-ATP fügt hinzu, dass an Lehrstühlen nicht nur wissenschaftliche Mitarbeitende beschäftigt seien: «Führung an der UZH bedeutet, auch administrativ-technische Mitarbeitende zu fördern, ihre Karrierewünsche zu kennen und entsprechend zu unterstützen», sagt sie.
Die UZH hat in den letzten Jahren viel unternommen, um Führungskompetenzen zu fördern. 2022 wurde die Leadership and Governance Academy gegründet, um die verschiedenen Weiterbildungsangebote der UZH zum Thema Führung unter einem gemeinsamen Dach zu versammeln und koordiniert weiterzuentwickeln. 2023 wurde ein Leadership-Programm für neuberufene Professorinnen und Professoren lanciert, und weitere Angebote sind in Planung. Auch Veranstaltungen wie die Ende September 2024 durchgeführte Konferenz der Institutsleitenden (siehe Box) fördern den Austausch und ein gemeinsames Verständnis von guter Führung an der UZH.
Ist gute Führung lernbar oder eine Frage des Talents? Klaus Jonas forscht seit langem über Leadership an Hochschulen. «Letztlich ist es Freude am Umgang mit Menschen, die den Kern guter Führungsarbeit ausmacht und das Fundament für ein positives Arbeitsklima legt», sagt er. «Führungsverantwortliche, die sich frei und sicher in ihrer Rolle fühlen, können in der Regel ihre Freude an der Zusammenarbeit glaubwürdig zum Ausdruck bringen. Mit wachsendem Wissen über Führungsfragen gewinnt man an Souveränität und Autonomie. Ich bin also durchaus der Meinung: Gute Führung ist lernbar.»