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Nexus-Analyse

«Wir müssen vom Silodenken wegkommen»

Die ökologischen Krisen wie Artenverlust und Klimawandel oder Ernährungssicherung sind miteinander verbunden und müssen koordiniert bewältigt werden. Dies ist eine der Kernaussagen des Nexus-Berichts, den der Weltbiodversitätsrat IPBES publiziert hat.
Stefan Stöcklin
Massnahmen gegen den Klimawandel wie Windfarmen sind sinnvoll, ihr Einsatz muss aber in einem ökologischen Gesamtkontext evaluliert werden. (Bild: zVg)

Die UZH-Professorin Maria J. Santos ist eine der Hauptautor:innen der umfassenden Analyse, die der Weltbiodiversitätsrat IPBES diese Woche veröffentlicht hat. Anlässlich einer Medienkonferenz in Bern stellte Santos, Professorin für Earth System Science, den «Nexus-Bericht» vor, der am Dienstag im afrikanischen Windhoek verabschiedet wurde.

Der von 165 Expertinnen und Experten aus 57 Ländern verfasste Bericht analysiert die Zusammenhänge, Zukunftsszenarien und Handlungsoptionen rund um die Themen Biodiversität, Wasser, Nahrung, Gesundheit und Klima. Diese fünf Schlüsselbereiche sind aufgrund menschlicher Aktivitäten in den letzten Jahrzehnten weltweit stark unter Druck geraten und eine Reihe von Initiativen und zwischenstaatlichen Vereinbarungen widmen sich ihrer Bewältigung.

Die fünf Bereiche werden aufgrund ihrer wechselseitigen Abhängigkeiten symbolisch als Nexus-Elemente bezeichnet, wobei der Begriff «Nexus» für Verbindung steht. Das Hauptziel des Berichts ist es denn auch, die Wechselwirkungen zwischen diesen Elementen aufzuzeigen und koordinierte Ansätze zur Bewältigung der Herausforderungen vorzuschlagen. «Wir müssen vom Silodenken wegkommen und bei den Massnahmen immer alle Bereiche in den Blick nehmen», sagte Santos. Denn eine sinnvolle Massnahme im einten Bereich könne negative Auswirkungen auf andere Bereiche haben. Zum Beispiel verringern Windfarmen im offenen Meer den Ausstoss von CO2, aber stören die Habitate der Meerestiere. Oder intensive Anbaumethoden in der Landwirtschaft liefern zwar mehr Nahrungsmittel, aber stören die Biodiversität im Boden und belasten das Grundwasser.

71 Optionen

Der Bericht präsentiert eine Vielzahl von Massnahmen (response options), die darauf abzielen, die fünf Nexus-Elemente – Biodiversität, Wasser, Nahrung, Gesundheit und Klima – nachhaltig und synergistisch zu bewirtschaften. Insgesamt 71 Optionen, unterteilt in zehn Aktionsfeldern, haben die Autor:innen identifiziert.

Einige davon wirken sich auf alle fünf Elemente vorwiegend positiv aus, zum Beispiel der Erhalt und die Aufforstung von Wäldern oder der Schutz von Mangroven in Küstengebieten. Ein breit wirksames und positives Profil zeigt in dieser Analyse auch der One Health Ansatz, der die Gesundheit von Mensch und Tier integral und unter einem ökologischen Ansatz angeht, um beispielsweise neue Zoonosen zu verhindern.

Andere Massnahmen wie der Bau von Dämmen oder Windfarmen im Meer sind zwar nützlich für einzelne Elemente (Landwirtschaft oder Klima), aber haben negative Auswirkungen auf die anderen Nexus-Bereiche. «Wir stellen verschiedene Handlungsmöglichkeiten vor und analysieren ihre Auswirkungen», sagt Santos und vergleicht den Katalog mit einem Schweizer Sackmesser. «An den Entscheidungsträger:innen liegt es, die passenden und gerechtesten Optionen zu wählen.»

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Wir stellen verschiedene Handlungsmöglichkeiten vor und analysieren ihre Auswirkungen. An den Entscheidungsträger:innen liegt es, die passenden und gerechtesten Optionen zu wählen.

Maria J. Santos
Professorin für Earth System Science

Der Bericht hält fest, dass die negativen Trends in den fünf Nexus-Bereichen Resultat eines problematischen ausgerichteten gesellschaftlichen Wertesystems sind, das kurzfristiges Denken und private finanzielle Gewinne priorisiert. Die derzeitigen wirtschaftlichen Triebkräfte würden Anreize für Investitionen in Aktivitäten schaffen, die die biologische Vielfalt und die anderen Nexus-Elemente schädigen und Kosten von rund 7 Billionen Dollar verursachten.

Dagegen werde nur ein Bruchteil dieses Betrags von schätzungsweise 200 Mrd. Dollar zur Verbesserung des Zustands der Natur verwendet. Gleichzeitig sind die negativen Auswirkungen auf die Umwelt ungleich verteilt: Die Belastungen betreffen überproportional die Bevölkerung in Entwicklungsländern, kleinen Inselstaaten und indigene Gruppen.

Zukunftsszenarien

Der Bericht bewertete auch 186 verschiedene zukunftsgerichtete Szenarien aus 52 Studien, die Wechselwirkungen zwischen drei oder mehr Nexus-Elementen analysieren; sie decken den Zeitraum von 2050 bis 2100 ab. Wenig überraschend ist der Befund, dass sich im Szenario «business as usual» die nexus-Bereiche verschlimmern dürften.

Negative Folgen sind aber auch zu gewärtigen, wenn nur auf einen nexus-Bereich fokussiert wird. So würde zum Beispiel bei einem «Food-First»-Konzept die Nahrungsmittelproduktion Vorrang erhalten, was sich zwar positiv auf die Ernährungssicherung auswirkt, aber negativ auf die biologische Vielfalt, die Wasserqualität und den Klimawandel. Eine ausschliessliche Fokussierung auf den Klimawandel wiederum könnte negative Folgen für die biologische Vielfalt und die Ernährung haben, unter anderem wegen dem Wettbewerb um Landfläche. Das Szenario mit den günstigsten Zukunftsprognosen namens Nature-oriented nexus postuliert eine nachhaltige Produktion und einen nachhaltigen Verbrauch in Kombination mit der Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen, der Verringerung der Umweltverschmutzung und der Abschwächung des Klimawandels.

Der Nexus-Bericht wurde von der Akademie für Naturwissenschaften (Scnat) vorgestellt. Wie Maria J. Santos an der Medienkonferenz ausführte, soll der Bericht nun möglichst vielen Entscheidungsträger:innen (in Politik, Verwaltung und Gesellschaft) unterbreitet werden.

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