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Weltraumforschung

Die LISA-Weltraumantenne hat das offizielle Go! erhalten

Die grösste und aufwändigste ESA-Mission, die LISA-Weltraumantenne, hat einen Meilenstein erreicht: Sie hielt der intensiven Prüfung der Gutachter im Rahmen der «Mission Adoption Review» stand. UZH-Professor Philippe Jetzer und ETH-Professor Domenico Giardini erklären, weshalb dieser Schritt für das LISA-Konsortium so wichtig ist.
Kommunikation UZH & ETH
LISA besteht aus drei Raumsonden, die Millionen von Kilometern voneinander entfernt im All kreisen. Sie senden Laserstrahlen hin und her und aus den Interferenzmustern können die Gravitationswellen im All rekonstruiert werden. (Bild: AEI/Milde)

Die Mission LISA (Laser Interferometer Space Antenna) zur Erforschung von Gravitationswellen im Weltall hat die Vorstudien und Überprüfung erfolgreich abgeschlossen: Das gesamte Konzept, von der Definition der wissenschaftlichen Instrumente und des Betriebssystems bis hin zu den Geräten, die für den Einsatz im Weltall gebaut werden müssen, hielt der intensiven Prüfung der Gutachter im Rahmen der «Mission Adoption Review» stand. Das Science Programme Committee der ESA (European Space Agency) hat am 25. Januar offiziell bestätigt, dass LISA ausreichend ausgereift ist und die Entwicklung der Mission wie geplant fortgesetzt werden kann. Somit hat die Mission die Freigabe zur Umsetzung.

Die Weltraumantenne, die Gravitationswellen im All beobachten und damit zum Beispiel kollidierende supermassive Schwarze Löcher detektieren soll, wird etwa 2035 in den Weltraum geschossen. Die Vorbereitungen für diese Mission haben 25 Jahre gedauert, um alle technischen Hürden zu überwinden und die erforderliche Präzision zu erreichen, die durch die erfolgreiche ESA-Mission LISA Path Finder von 2015 bis 2016 im Weltraum getestet wurde.

An LISA beteiligt sind über 120 Forschungsinstitutionen in verschiedenen europäischen Ländern und den USA, darunter auch die Universität Zürich und die ETH Zürich. Philippe Jetzer, Professor für Gravitation und Astrophysik an der Universität Zürich, und Domenico Giardini, Professor für Seismologie und Geodynamik an der ETH Zürich, arbeiten an diesem Projekt von Anfang an eng zusammen. Sie erklären im Interview, was von der Mission zu erwarten ist.

Die LISA-Mission hat nun das definitive Go! erhalten. Was bedeutet das für die Weltraumforschung?

Philippe Jetzer: Dieser Startschuss ist das Resultat von mehreren Jahrzehnten Arbeit, um die Technologie zur Reife zu bringen, die nötig ist, um diese gigantische Weltraumantenne zu bauen. LISA wird einen neuen Blick ins Universum ermöglichen. Wir erhoffen uns dadurch neue Kenntnisse zur Entstehung und Entwicklung des Alls zu erhalten, etwa wie der Urknall ablief etc. Und wir werden vielleicht erfahren, ob die Einstein’sche Relativitätstheorie in allen Bereichen gültig ist oder ob es allenfalls Abweichungen gibt und somit neue Einsichten in die fundamentalen Gesetze der Physik.

Domenico Giardini: Die Mission bedeutet sehr viel für die Weltraumforschung! Wir dürfen nicht vergessen, dass 95 Prozent unseres Universums noch immer als Dunkle Energie oder Dunkle Materie bezeichnet werden, weil sie keine elektromagnetischen Wellen aussenden und daher für alle unsere Teleskope unsichtbar bleiben. Die Gravitationswellen werden erstmals einen Blick in dieses für uns unsichtbare Universum ermöglichen. Bei den ersten Beobachtungen mit LIGO-VIRGO, die Gravitationswellen von der Erde aus misst, konnte nur der endgültige Kollaps massereicher Schwarzer Löcher beobachtet werden – mit einer Dauer von weniger als einer Sekunde. Das liegt daran, dass es auf der Erde ein starkes Hintergrundrauschen durch seismische Aktivitäten gibt und die Instrumente mit Armlängen von maximal vier Kilometern nur höhere Frequenzen messen können.

LISA wird diese Grenzen überwinden: Im Weltraum gibt es kein seismisches Rauschen, und dank der LISA-Armlänge von 2,5 Millionen Kilometer können viel tiefere Frequenzen registriert werden. Das ermöglicht es, unter anderem den Kollaps von supermassiven Schwarzen Löchern und unzählige enge galaktische Doppelsternsysteme sowie einen ganzen Zoo dynamischer Objekte und Phänomene zu beobachten, die uns helfen werden zu verstehen, wie das Universum entstanden ist und wie es sich weiterentwickelt.

 

jetzer

Unsere Berechnungen zu Gravitationswellen wird man brauchen, um die LISA-Daten präzise auszuwerten. Sie sind also von grosser Bedeutung für die genaue Planung der Mission.

Philippe Jetzer
Professor für Gravitation und Astrophysik, UZH

Wie genau sind die beiden Universitäten an dieser Mission beteiligt?

Philippe Jetzer: In meiner Arbeitsgruppe an der UZH haben wir uns auf die Untersuchung der möglichen Quellen von Gravitationswellen, die LISA beobachten könnte, konzentriert. Dabei haben wir verschiedene erwartbare Formen von Gravitationswellen mit Hilfe der Einstein'schen Allgemeinen Relativitätstheorie berechnet. Diese verschiedenen Modelle wird man später brauchen, damit die LISA-Daten viel präziser ausgewertet werden können. Unsere Berechnungen sind also von grosser Bedeutung für die genaue Planung der Mission und auch danach. Ich selbst bin seit vielen Jahren Mitglied des LISA Science Working Teams der ESA sowie Mitglied des Boards des LISA-Konsortiums.

Domenico Giardini: Die ETH hat eine zentrale Beteiligung an LISA. Zusammen mit der Schweizer Industrie und mit Unterstützung des Swiss Space Office liefern wir die Front-End-Elektronik für den Gravitations-Referenzsensor, das Herzstück des LISA-Messsystems. Dieser ermöglicht es der Raumsonde, der Referenzmasse zu folgen. Wir beteiligen uns auch am Performance and Operation Team der ESA und bauen den Schweizer Knoten des verteilten Datenverarbeitungszentrums, das zusammen mit anderen europäischen und amerikanischen Knoten dafür verantwortlich ist, alle von LISA gesendeten Daten zu verarbeiten, globale Modelle unseres Universums zu erstellen und den Katalog der Quellen von Gravitationswellen zu identifizieren. Ich selbst bin Mitglied des LISA Executive Committee und des LISA Consortium Board.

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Zusammen mit der Schweizer Industrie und mit Unterstützung des Swiss Space Office liefern wir die Front-End-Elektronik für den Gravitations-Referenzsensor, das Herzstück des LISA-Messsystems.

Domenico Giardini
Professor für Seismologie und Geodynamik, ETH Zürich

Was für Arbeiten stehen nun unmittelbar im Forschungsteam an?

Philippe Jetzer: Nachdem ich das sogenannte Red Book – eine detailierte Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ziele sowie der technischen Aspekte der LISA-Mission – mitverfasst habe, werden wir immer bessere Modelle von Gravitationswellen berechnen sowie an weiteren Beobachtungen arbeiten, die mit LISA möglich sein könnten. Das sind sehr komplizierte Kalkulationen, die man laufend verbessern kann. Diese Studien werden noch einige Jahren andauern – sicher bis zum Start der Satelliten und auch danach bei der Datenauswertung.

Domenico Giardini: Neben allen Aktivitäten, die mit der Lieferung der Elektronik und dem Aufbau des Schweizer Datenverarbeitungszentrums zusammenhängen, wird sich unsere Forschung auf die Entwicklung besserer globaler Modelle und Pipelines für die Datenanalyse und die Identifizierung von Gravitationswellenquellen konzentrieren, um in enger Zusammenarbeit mit der Universität Zürich und anderen Knotenpunkten der ESA und der NASA einen digitalen Zwilling unseres Universums zu erstellen.

Die Antenne wird erst im Jahr 2035 ins All geschossen. Welche weiteren Hürden muss das Projekt noch nehmen?

Philippe Jetzer: Eine Herausforderung wird es sein, die Antennen rechtzeitig fertig zu stellen. Es müssen drei identische Satelliten gebaut werden, die sich ihre Signale über riesige Distanzen im Dreieck punktgenau zusenden müssen. Da die vorhandenen Fachkräfte in der Industrie und an den Universitäten knapp sind, müssen die notwendigen Abläufe sehr genau geplant werden. Von der technischen Seite her dürfte es, soweit ich das beurteilen kann, keine unüberwindbaren Probleme geben. Es gibt ja inzwischen sehr genaue Untersuchungen und wir haben ja auch die Erfahrungen mit dem sehr erfolgreichen Testsatelliten LISA-Pathfinder, an dem wir auch beteiligt waren.

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