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Melanie Generali interessierte sich schon zu Beginn ihres Masterstudiums 2012 für das Gebiet der Stammzellen. Die auch als Alleskönnerinnen bezeichneten Zellen haben die erstaunliche Fähigkeit, in x-beliebiges Gewebe zu differenzieren und gelten als Heilsbringer der regenerativen Medizin. 2012 war der Enthusiasmus besonders gross, weil der Japaner Shinya Yamanaka von der Kyoto Universität den Nobelpreis für ein neuartiges und revolutionäres Verfahren zur Herstellung dieser Zellen erhielt. Unterdessen hat Generali ihren Forschungstraum realisiert: Sie ist Leiterin der «Core Facility» zur Gewinnung von Stammzellen am Institut für Regenerative Medizin der UZH (IREM). Als Fachfrau mit vielfältigen Beziehungen zu Japan hat sie zusammen mit ihrem Team auch das Symposium über Stammzellen vom 4. und 5. April im Hauptgebäude der UZH organisiert. An dieser Veranstaltung treffen sich die führenden Forschenden aus Zürich und Kyoto zum Austausch neuster Forschungsergebnisse. Eine öffentliche Vorlesung mit Simon Hoerstrup, Professor für Zellbiologie und Regeneration an der UZH und IREM-Direktor, sowie Jun Takahashi, Professor für Neurobiologie an der Kyoto Universität und Direktor des CiRA, dürfte breite Kreise ansprechen.
«Das Symposium repräsentiert die enge Kooperation mit Japan gleich mehrfach», erläutert Melanie Generali. Zum einen fällt es auf den 160. Jahrestag des Beginns der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Japan. Zweitens festigt es die Strategische Partnerschaft mit der Kyoto Universität, die von den Universitätsleitungen 2020 unterzeichnet wurde und mehrere Forschungsbereiche umfasst (Siehe Kasten). Drittens setzt es den regelmässigen Austausch der beiden Universitäten auf dem Gebiet der Stammzellen-Forschung fort.
Diese Kooperation zwischen dem IREM, UZH und dem CiRA, dem Center for iPS Cell Research and Application der Kyoto Universität, begann 2017 dank einer Initiative von IREM-Direktor Simon Hoerstrup und Christoph Hock, damaliger Prorektor Medizin. Das CiRA wiederum ist das Kind von Stammzellen-Star Shinya Yamanaka, denn die Arbeiten am Institut basieren auf seinem nobelpreis-gewürdigten Verfahren. Kurz nach der Jahrtausendwende gelang es dem Forscher, Hautzellen durch Zugabe von vier genetischen Faktoren in einen quasi-embryonalen Zustand zurückzuprogrammieren. Die Spezialist:innen sprechen von induzierten pluripotenten Stammzellen oder iPSC, die sich in einem zweiten Schritt wieder in gewünschte Zelltypen differenzieren lassen. Dank diesen Verfahren entfiel die Notwendigkeit, Stammzellen aus Embryonen zu isolieren und damit eine der grössten ethischen Hürden dieser Forschung. Gleichzeitig können so gewebsverträgliche Stammzellen eines Patienten, einer Patientin gezüchtet werden.
Generalis Werdegang ist eng mit der Kyoto Universität und dem CiRA verknüpft. Nach ihrem Master an der UZH bewarb sich die Zellbiologin erfolgreich um eine Doktoratsstelle in der Gruppe von Simon Hoerstrup. In diesen Arbeiten untersuchte sie die Entwicklung von Muskel- und Gefässwandzellen aus Stammzellen, die sie nach dem Yamanka-Verfahren aus Blutzellen isoliert hatte. Zur selben Zeit, als Generali ihre Doktorarbeit abschloss, lancierte Hoerstrup die Zusammenarbeit mit dem CiRA der Kyoto Universität. Er betraute die talentierte Forscherin 2018 mit der Aufgabe, die Kollaboration mit dem CiRA zu stärken – ein Job, den Generali gerne übernahm.
Das Symposium repräsentiert die enge Kooperation mit Japan gleich mehrfach.
Noch während ihren Forschungsarbeiten am IREM brachte Generali zwei Kinder zur Welt, was sie aber nicht davon abhielt, gleichzeitig mit viel Energie in den Austausch und gemeinsame Projekte mit den Kolleg:innen in Japan einzusteigen. Freudestrahlend erzählt sie, wie sie im CiRA mit einer Linie von Stammzellen arbeiten konnte, die von Shinya Yamanaka höchstpersönlich isoliert wurde. Für Aussenstehende ist es schwer nachvollziehbar, dass die hochtechnisierte Arbeit in Sterilräumen mit mikroskopisch kleinen Stammzellen nicht nur Präzision und Protokolltreue erfordert, sondern auch Gespür und Feeling. «Ich sehe den Zellen an, ob sie vital sind oder nicht», sagt Generali.
Auch auf der sozialen Ebene kam sie in Japan sehr gut zurecht, obwohl sie kein Japanisch spricht. Zwar seien die Japaner:innen entsprechend dem Klischee tatsächlich etwas introvertiert, gleichzeitig aber auch extrem freundlich und hilfsbereit. «Ich kann das Land für Forschungsaufenthalte wärmstens empfehlen», sagt Melanie Generali, die sich regelmässig in Japan aufhält. Ein längerer Aufenthalt in Japan mit der Familie, den sie 2019 plante, fiel allerdings dem Coronavirus zum Opfer.
Als Forscherin arbeitet Melanie Generali vor allem am Ersatz für kranke Blutgefässe und Herzmuskelzellen. Langfristiges Ziel ist es, aufgrund eines Infarkts abgestorbenes Gewebe von Patientinnen und Patienten mit Gewebe von Stammzellen zu ersetzen. Dem Ziel komme man langsam näher, bis zur klinischen Anwendung sei es aber noch ein weiter Weg. In den letzten drei Jahren hat sich Generali nebst der Forschung mit dem Aufbau der iPSC Core Facility beschäftigt. «Die Core Facility ist mein drittes Kind», sagt sie lachend. Das Labor funktioniert als Dienstleistungszentrum, das im Auftrag von Forscherinnen an der UZH und weiteren Instituten spezialisierte iPSC herstellt. «Ich und mein Team können so unsere Erfahrungen und Expertise nutzen und weitergeben», sagt sie. Die Auftragslage sei gut, es gibt viele Forschende verschiedener Gebiete, die mit diesen Zellen arbeiten. Auch mehr als zehn Jahre nach dem Nobelpreis haben die induzierten Stammzellen ihre Magie nicht verloren.