Virtuelles Crowdsourcing für eine inklusive Stadtnavigation

Rollstuhlfahrer:innen oder Menschen mit eingeschränkter Mobilität stossen oft auf Hindernisse, wenn Sie in der Stadt unterwegs sind: Hohe Bordsteinkanten, Treppen, unebene Böden. Kennt man Situation vor Ort nicht, gibt es kaum eine Möglichkeit, einen Hindernisfreien Weg im Voraus zu planen. Denn die bekannten Navigations-Apps wie Google Maps enthalten keine Informationen zur Barrierfreiheit.
In einem gemeinsamen Projekt der UZH und der Stadt Zürich, ZuriACT, haben in den vergangenen Monaten Freiwillige über 9100 Merkmale über Hindernisse allein im Zürcher Stadtkreis 1 erfasst. Daraus soll nun in einem Folgeprojekt eine laufend aktualisierte Datenbank mit Informationen zur Barrierefreiheit erstellt werden.
Citizen-Science-Projekt
In ZuriACT, das von einem städtischen Innovationskredit von «Smart City», finanziert wurde, wurden Bürger:innen einbezogen, und zwar nicht nur für die Datenerhebung, sondern auch für Fokusgruppendiskussionen. An den Diskussionen nahm eine vielfältige Gruppe von Menschen teil, die sich über ihre Bedürfnisse, Erfahrungen und Bedenken in Bezug auf die Barrierefreiheit von Gehwegen in Zürich austauschte. Dieser Teil war entscheidend, um die Bedürfnisse aus der Perspektive der betroffenen Personen zu verstehen. Teilgenommen haben beispielweise ältere Menschen mit altersbedingten, oder Personen mit situationsbedingten Mobilitätseinschränkungen, wie Pflegekräfte oder Eltern mit Kinderwagen, sowie Personen mit eingeschränkter Mobilität, wie z. B. Rollstuhlfahrer:innen.
Virtuelles Crowd-Sourcing
In der Datenerfassungsphase wurden die Teilnehmenden angewiesen, das digitale Web-Tool «Project Sidewalk» zu verwenden. Dieses wurde von Forschenden der University of Washington entwickelt, und ermöglicht es, die Barrierefreiheit von Gehwegen auf Grund von Google Street View-Bildern via Internet zu bewerten und so Daten zur Barrierefreiheit zu sammeln. Der Vorteil dieses Ansatzes besteht darin, dass er im Vergleich zur Begehung und Datenerfassung vor Ort zeiteffizienter und kostengünstiger ist. Darüber hinaus ermöglichen virtuelle Audits betroffenen Personen, unkompliziert zur Datenerfassung beizutragen, ohne dass sie sich an Stellen begeben müssen, an denen ihre Mobilität durch Hindernisse eingeschränkt werden könnte.
Im Rahmen von ZuriACT erfassten die Teilnehmenden so allein im Zürcher Kreis 1 über 9100 Zugänglichkeitsmerkmale, wie zum Beispiel vorhandene und fehlende Bordsteinrampen, Zebrastreifen, Fussgängerampeln, fehlende Trottoirs oder Probleme mit der Oberflächenbeschaffenheit. Jedes Merkmal wurde mit einem Etikett versehen, welches von mindestens zwei Expert:innen des Projektteams mit dem Validierungstool «Project Sidewalk» überprüft wurde.
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Leider liefern die vorhandenen digitalen Tools nicht die notwendigen Informationen für die Mobilität und Navigation von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder -behinderungen.
Da dieses Tool jedoch auf Google Street View-Bildern basiert, die nicht immer aktuell sind und nicht das gesamte Untersuchungsgebiet abdecken, wurden alle gesammelten Merkmale für eine zweite Runde der Datenvollständigkeit und Qualitätssicherung in das in der Schweiz entwickelte Web-Tool «infra3D» übertragen. Dieses verwendet aktuelle Street View-Bilder, die von der Schweizer Firma iNovitas aufgenommen wurden, und ermöglicht so eine genauere Datenverifizierung. Darüber hinaus erlaubte dieser zweite Schritt die Erfassung von Daten, die präzise Messungen erfordern, wie z. B. die Breite oder die Neigung und Querneigung von Gehwegen.
Praktische Lösungen für Menschen mit Mobilitäteinschränkung
Wie geht es nun weiter? Das von der Digitalisierungsinitiative des Kantons Zürich (DIZH) finanzierte Projekt «ZuReach» das im November 2024 startet, wird die Arbeit von ZuriACT fortsetzen. ZuReach zielt darauf ab, eine skalierbare und regelmässig aktualisierte Datenbank mit umfassenden Informationen zur Barrierefreiheit von Gehwegen in Zürich bereitzustellen. Diese Initiative ist von entscheidender Bedeutung für die Weiterentwicklung digitaler Methoden und Werkzeuge, die diesen angereicherten Datensatz nutzen, um praktische Lösungen für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen anzubieten. Dadurch kann sich eine solche Initiative erheblich auf soziale, wissenschaftliche, politische, wirtschaftliche und ökologische Bereich auswirken.