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Betriebswirtschaft

Mit mehr Gefühl arbeiten

Die digitale Technologie wird die Zukunft der Arbeit prägen, im Mittelpunkt steht aber der Mensch mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen. Deshalb sollten Unternehmen emotional intelligenter werden, sagt Betriebsökonom Jochen Menges.
Roger Nickl
Managerinnen und Manager auf einer Rutschbahn.
Unternehmen sollten sich nicht nur mit der technologischen Zukunft beschäftigen, sondern auch danach fragen, was Arbeit für das Sinnempfinden von Mitarbeitenden bedeutet, sagt Forscher Jochen Menges.

Frauen und Männer schätzen die Zukunft der Arbeit unterschiedlich ein. Während viele Männer von den Perspektiven, die digitale Technologie und künstliche Intelligenz eröffnen, begeistert sind, sind Frauen im Durchschnitt eher skeptisch und ängstlich eingestellt. Dies hat eine Studie des Center for Leadership in the Future of Work der UZH ergeben.

Jochen Menges leitet dieses Center. «Geht es um die Zukunft der Arbeit, dominiert heute ein Narrativ, das vor allem auf die technologische Entwicklung fokussiert», sagt der Betriebsökonom. Entsprechend beschäftigen sich zurzeit viele Firmen weltweit vor allem mit der Frage, welche digitalen Tools sie in Arbeits- und Produktionsprozessen gewinnbringend einsetzen könnten und was sie unternehmen müssen, damit sie im digitalen Wettrüsten mit der Konkurrenz nicht das Nachsehen haben. Vergessen gehen dabei oft soziale und emotionale Aspekte des Arbeitens. «Der Mensch wird aber in der künftigen Arbeitswelt im Zentrum stehen», ist Jochen Menges überzeugt, «die Technologie von morgen sollte uns in unseren Fähigkeiten, unserem Schaffen und Empfinden beflügeln, sie darf uns nicht depressiv machen.» Deshalb braucht es zusätzlich zum technologischen ein zweites, ergänzendes Narrativ für die Zukunft der Arbeit, sagt der Forscher, eines, das vor allem soziale Faktoren und unsere Gefühle im Job betont – nicht zuletzt, weil diese Erzählung auch Frauen eher anspricht.

Kraftstoff unseres Schaffens

Unsere Gefühle am Arbeitsplatz stehen im Zentrum der Forschung am Center for Leadership in the Future of Work. «Emotionen motivieren uns, sie sind der Kraftstoff, der uns die Energie gibt, Dinge zu tun», sagt Jochen Menges. Die Gefühle, die Menschen bei der Arbeit empfinden wollen, sind aber äusserst individuell und können ganz unterschiedlich ausgeprägt sein, wie der Betriebsökonom gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen in einer gross angelegten Studie herausgefunden hat. Die Forschenden haben über 18000 Menschen in 35 Ländern rund um den Globus nach ihren emotionalen Bedürfnissen am Arbeitsplatz befragt.

Ergeben hat sich ein Riesenstrauss an Gefühlen, die Menschen in ihrem Job als wichtig einschätzen und die sie erleben möchten. Sie wollen je nachdem Sinn empfinden, sich kompetent, autonom oder sicher fühlen, sie wollen begeistert, dankbar, stolz sein. «Auf Platz eins steht weltweit gesehen das Gefühl, wertgeschätzt zu werden», sagt Jochen Menges. Eine Befragung der Angehörigen der Universität Zürich kam zum gleichen Ergebnis: Die meisten Mitarbeitenden wollen sich in erster Linie «wertgeschätzt» fühlen.

Jochen Menges

Die Technologie von morgen sollte uns in unseren Fähigkeiten, unserem Schaffen und Empfinden beflügeln, sie darf uns nicht depressiv machen.

Jochen Menges
Betriebsökonom

Noch wird unserer Gefühlswelt bei der Arbeit meist wenig Platz eingeräumt. Die Fortschritte bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz sieht Forscher Menges aber als Chance, dies zu ändern. «Bislang hat die IT-Branche am besten erkannt, wie wichtig die Auseinandersetzung mit Emotionen bei der Arbeit ist», sagt er, «Unternehmen wie Microsoft oder Google haben realisiert, dass die ganze Technologie nichts bringt, wenn man die Menschen nicht besser versteht und nicht weiss, wie man sie erfolgreich zusammenbringt.»

In Zukunft könnte dieses Wissen noch wichtiger werden. Wenn sich die Prognosen zur künstlichen Intelligenz bewahrheiten, nehmen uns die Rechner künftig viele Arbeiten ab, die wir heute noch selbst erledigen – insbesondere mühsame Routinetätigkeiten. Das könnte uns entlasten. Ihre Unterstützung kann sich für uns aber auch negativ auswirken, wenn davon Arbeiten betroffen sind, die wir gerne machen und die wichtig für unser Selbstwertgefühl sind. «Für viele Menschen ist das Gefühl wichtig, selbstwirksam zu sein und etwas erringen zu können», sagt Jochen Menges. Deshalb sollten sich Unternehmen bereits heute nicht nur mit der technologischen Zukunft beschäftigen, sondern auch danach fragen, was Arbeit für das Sinnempfinden von Mitarbeitenden bedeutet, sagt er. «Wir müssen jetzt die Weichen stellen, damit wir auch zukünftig Sinn und Erfüllung aus unserer Arbeit beziehen können.» Denn was die Forschung auch zeigt: Wer bei der Arbeit bei seinen emotionalen Bedürfnissen abgeholt wird, ist zufriedener und gesünder und neigt im Durchschnitt weniger dazu, exzessiv Alkohol zu konsumieren. Gefragt sind deshalb künftig mehr emotional intelligente Firmen und Organisationen, so Menges.

Seine Bedürfnisse erkennen

Doch wie entstehen solche emotional-intelligenten Unternehmen und wie wächst eine Kultur, wo die emotionalen und sozialen Bedürfnisse der Mitarbeitenden Platz haben? Die Keimzelle dafür sind dezentrale Teams, ist Jochen Menges überzeugt. Denn top-down von der Teppichetage aus kann vieles verordnet und bestimmt werden – Zufriedenheit gehört nicht dazu. «Die Einzelnen müssen zuerst einmal für sich selbst lernen, ihre emotionalen und sozialen Bedürfnisse besser zu erkennen und sie im Team zu besprechen», sagt Menges, «wenn man so miteinander ins Gespräch kommt und gemeinsam Fragen und Prozesse klären kann, für die der Chef oder die Chefin auch keine Antwort kennt, kann eine gute Arbeitskultur für alle entstehen.»

Jochen Menges nennt dies den «bottom-up approach to happiness». Er setzt voraus, dass Führungskräfte Freiräume schaffen, die dies ermöglichen.  In vielen heutigen Arbeitskontexten sei dieser Ansatz noch visionär, sagt der Forscher. «Aber wir müssen jetzt damit beginnen, die Menschen zu fragen, wie sie sich bei der Arbeit fühlen möchten.» Wie die Maschinen uns helfen werden, unsere individuellen emotionalen und sozialen Bedürfnisse abzudecken, wird sich dann in Zukunft zeigen müssen.