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Astrophysik

Leben im All

Eine Weltraummission namens LIFE soll künftig Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems vermessen – und feststellen, ob es auf ihnen Leben geben könnte. Um zu prüfen, ob das funktionieren kann, nutzten Forschende der Universität Zürich das bisher einzige verfügbare Testobjekt: die Erde. Wäre sie von benachbarten Sonnensystemen als bewohnbarer Planet erkennbar?
Santina Russo
Die hantelförmige Little Dumbbell Nebula im Millionen von Lichtjahre entfernten Sternbild Perseus.
Existiert irgendwo Leben in den Weiten des Weltalls? Im Bild die hantelförmige Little Dumbbell Nebula im Millionen von Lichtjahre entfernten Sternbild Perseus. Die blaue Farbe zeigt Sauerstoff an.

«Der Weltraum. Unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer von Ravit Helled auf der Suche nach Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems – Planeten, die Leben bergen könnten.» So verheissungsvoll das an die UZH angepasste Intro von «Star Trek – The Next Generation» klingen mag, so ehrfurchtsgebietend ist die Vorstellung, in der Realität irgendwo im All fremdes Leben zu entdecken. «Ob wir im Universum allein sind, ist eine der grundlegenden Fragen, die wir Menschen uns stellen», sagt Ravit Helled, Astrophysikerin und Planetenforscherin an der Universität Zürich. «Wie einzigartig ist die Erde? Wie bilden sich Planeten, und welche Bedingungen sind nötig, damit sich auf ihnen Leben entwickeln kann? Diese Fragen versuchen wir zu beantworten.»

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Mit dem Interferometer LIFE ist es grundsätzlich möglich, bewohnbare oder sogar bewohnte Exoplaneten zu identifizieren.

Ravit Helled
Astrophysikerin

Tatsächlich wird die Wissenschaft wohl bald so weit sein, Exoplaneten, also Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems, genauer charakterisieren zu können. Möglich machen soll das eine Weltraummission mit dem treffenden Namen LIFE, eine Abkürzung für «Large Interferometer For Exoplanets», deren Vorbereitung von Gruppenleiter Sascha Quanz von der ETH Zürich geleitet wird. Der Plan der Mission: mehrere Satelliten so im Weltraum zu positionieren, dass sie gemeinsam ein grosses Teleskop bilden. Dieses kollektive Interferometer soll Licht im mittleren Infrarotbereich messen und dadurch Informationen über die Oberfläche und die Atmosphäre der untersuchten Planeten liefern. Auf diese Weise soll klarer werden, ob die Bedingungen auf den jeweiligen Planeten Leben möglich machen – so jedenfalls die Hoffnung.

Einen wichtigen Hinweis, dass es funktionieren könnte, hat Ravit Helleds Forschung kürzlich geliefert. Zusammen mit den Forschenden der ETH Zürich nahm ihr Team sich die Erde als Testobjekt vor und zeigte, dass LIFE die Erde tatsächlich als bewohnbaren Planeten erkennbar machen würde.

Die Erde als Muster

«Unsere Sicht von Planetensystemen war lange auf das begrenzt, was wir in unserem eigenen Sonnensystem sehen», sagt Helled. Also erdähnliche Gesteinsplaneten wie Mars oder Venus, Eisriesen wie Uranus und Neptun und Gasriesen wie Jupiter. Als dann aber 1995 der erste Exoplanet um den sonnenähnlichen Stern 51 Pegasi entdeckt wurde, war dieser Riesenplanet überraschenderweise viel näher bei seinem Stern, als theoretisch für möglich erachtet wurde. «Planeten und ihre Entstehung sind unglaublich vielfältig. Diese Vielfalt zu untersuchen, wird uns abschätzen helfen, wie häufig es Planeten wie die Erde gibt.»

Ravit Helleds Begeisterung für das, was sie tut, ist offenkundig. Sie spricht schnell und auch ihr Büro zeugt von ihrer lebhaften Art: ein mit Büchern und Papier überladener Schreibtisch, ein runder Gesprächstisch, ein Sofa, natürlich Fachbücher in den Regalen, aber es gibt auch Kunst – Figuren und Bilder – und am Fenster einige grosse Pflanzen, die dem Büro schon fast etwas Dschungelhaftes geben. Ein gemütliches Chaos. «Ich verbringe hier sehr viel Zeit, und es fühlt sich an wie ein zweites Zuhause», sagt Helled. Zuhause fühlt sich die Astrophysikerin auch bei fremden Planeten. Ihr Liebling ist Jupiter, der grösste Planet und wohl einzige richtige Gasriese unseres Sonnensystems.

Signale bewohnbarer Planeten

Ausserhalb unseres Sonnensystems kennt die Astrophysik inzwischen über 5000 verschiedene Planeten, doch weiss sie noch wenig über sie. «Die Himmelskörper sind schlicht zu weit entfernt, um sie untersuchen zu können», sagt Helled. Der nächste Exoplanet ist Proxima Centauri b: 4,2 Lichtjahre von der Erde entfernt, also rund 40 Billionen Kilometer. Zum Vergleich: Die Raumsonde «Voyager 2» startete 1977 ins All, verliess unser Sonnensystem 41 Jahre später und wird, falls nichts dazwischenkommt, in rund 300000 Jahren am 4,3 Lichtjahre entfernten Stern Sirius vorbeifliegen. «Wir reden hier also von Distanzen, die wir unmöglich in einem für uns Menschen sinnvollen Zeitrahmen überwinden können.

Es ist auch vorstellbar, dass es Leben gibt, das nicht wie auf der Erde auf Kohlenstoff basiert.

Ravit Helled
Astrophysikerin

Mit einer Mission wie LIFE soll es dennoch erstmals möglich werden, zumindest jene Exoplaneten zu analysieren, die uns am nächsten liegen. Die geplante Kombination verschiedener Satelliten erlaubt es, das Lichtspektrum der Planeten von dem ihrer Sterne zu unterscheiden. «Die gemessenen Spektren sind dann räumliche und zeitliche Mittelwerte eines von uns aus gesehen wahnsinnig winzigen Fleckens des Weltraums, und die Frage wird sein, ob sich daraus Hinweise auf lebensfähige Bedingungen ableiten lassen», erklärt Helled. Solche Hinweise wären beispielsweise Anzeichen von Wasser- oder Gasmolekülen in der Atmosphäre, die über die einfachsten wie Wasserstoff (H2) oder Helium (He) hinausgehen – etwa  Sauerstoff (O2), Kohlendioxid (CO2), Ozon (O3) oder Methan (CH4).

Nach solchen Signaturen hat das Team gesucht, als es die zukünftige LIFE-Mission am Beispiel der Erde getestet hat. Dazu haben die Forschenden aus der Erde quasi einen Exoplaneten gemacht, indem sie unseren Planeten aus simulierten dreissig Lichtjahren Entfernung untersucht haben. Sie nutzten Daten eines Erdatmosphärenmessgeräts des Forschungssatelliten «Aqua» und erzeugten daraus Emissionsspektren der Erde, wie sie aus dreissig Lichtjahren Distanz aufgefangen würden. Das Team prüfte drei verschiedene Beobachtungsrichtungen – die beiden Ansichten auf den Nord- und den Südpol sowie eine äquatoriale Ansicht – und zwei unterschiedliche saisonale Zeitpunkte im Erdenjahr, einmal im Januar, einmal im Juli.

Mögliche Anzeichen für Leben

Das Ergebnis: In den simuliert gemessenen Infrarotspektren der Erdatmosphäre konnte das Team CO2, Ozon, Wasser und Methan nachweisen. Vor allem Ozon und Methan sind entscheidend, da diese Gase von den Lebewesen auf der Erde produziert werden. Zudem lassen sich aus den Daten Oberflächenbedingungen ableiten, die auf das Vorkommen von Wasser hindeuten, sowie Anzeichen für ein mildes Klima. Und: Diese auf mögliches Leben hindeutende Signatur konnten die Forschenden in allen getesteten Erdorientierungen erfassen. «Das ist wichtig, weil wir ja bei Exoplaneten nicht wissen, in welcher Orientierung die Daten erfasst werden», erklärt Helled. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen haben also gezeigt, dass es mit LIFE grundsätzlich möglich ist, bewohnbare oder sogar bewohnte Exoplaneten zu identifizieren.

Sogar die saisonale Schwankung zwischen Januar und Juli war in den Daten erkennbar. Das ist relevant, weil Forschende davon ausgehen, dass saisonale Schwankungen in der atmosphärischen Zusammensetzung ebenfalls starke Biosignaturen sind, also Anzeichen möglichen Lebens, wie Helled erklärt. Die Ergebnisse zeigten auch, dass die Gassignaturen, die auf Leben hinweisen, trotz der jahreszeitlichen Schwankungen erkennbar waren. «Aus der Ferne vermessen, würde die Erde also nicht nur in jeder Orientierung, sondern auch in jeder Jahreszeit als bewohnbar erkannt werden.»

Allerdings ist es gemäss der Astrophysikerin nicht ausgeschlossen, dass auch ganz andere Typen von Planeten Leben hervorbringen können. «Wir wissen ja, dass Organismen sich auch hier auf der Erde unter extremen Bedingungen entwickeln können, etwa bei sehr heissen Temperaturen oder unter hohem Druck im Ozean.» Zudem hat Helleds Forschungsgruppe vor zwei Jahren in einer Zusammenarbeit mit der Universität Bern gezeigt, dass es unter gewissen Bedingungen auch auf Planeten mit einer dicken Wasserstoff- und Heliumatmosphäre Wasser geben könnte. Ganz abgesehen davon, dass auch Leben vorstellbar ist, das nicht wie auf der Erde auf Kohlenstoff basiert. «Wir fangen bei der Suche einfach pragmatisch mit dem an, was wir am besten kennen», sagt Helled. «Erdähnliche Exoplaneten zu identifizieren, ist der erste naheliegende Schritt.»

Der Blick zu fernen Planeten ist für Ravit Helled immer auch einer auf die nahe Erde: «Wir sollten dankbar sein für unseren Planeten mit seinen idealen Bedingungen für uns und all seine anderen Lebewesen», sagt sie. «Und wir sollten gut auf ihn aufpassen.»

Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen UZH Magazin «Kostbare Vielfalt»

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