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Studienprogramm Biodiversität

Biodiversitäts-Master startet erstmals im Herbstsemester 2024

Als Novum im deutschsprachigen Raum startete letzten Herbst das neue Studienprogramm «Biodiversität» an der UZH. Nach der erfolgreichen Lancierung des Bachelors mit mehr als 140 Studierenden beginnt dieses Herbstsemester erstmals das Masterprogramm.
Kurt Bodenmüller, Medienbeauftragter UZH
Die Brüder Nicolas und Florian Hatt im Irchelpark. Sie studieren gemeinsam im zweiten Bachelor-Semester Biodiversität an der UZH. (Bild: Kurt Bodenmüller)

75 Studierende im Major und 69 Studierende im Minor haben letzten Herbst das neue Studienprogramm Biodiversität auf Bachelorstufe auf dem Irchel-Campus der Universität Zürich begonnen. Mit dabei sind die beiden Brüder Nicolas und Florian Hatt, 20 bzw. 19 Jahre alt, aus dem zürcherischen Wetzikon. Beide sind interessiert an Themen wie Ökologie, Lebensräume und Artenvielfalt, fanden aber die Ebene der klassischen Biologie – Zellen und Moleküle – zu tief. «Als ich an einem Studieninformationsanlass vom Studienprogramm Biodiversität gehört haben, dachte ich: Das ist es! Biologie, die sich mit Systemen auf einer höheren Ebene befasst: Biodiversität, Umwelt, Evolution», sagt Nicolas Hatt. Bruder Florian nickt.

Umfassendes Verständnis biologischer Vielfalt

Begeistert ist auch Florian Altermatt, UZH-Professor für Aquatische Ökologie am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften und einer der beiden Programmdirektoren für das Studienprogramm: «Wir sind prima gestartet, das Interesse der Studierenden ist gross. Die meisten haben sich sehr bewusst für dieses Studium entschieden.» Eine gute Basis also für den Biodiversitäts-Master, der im kommenden Herbstsemester erstmals beginnt. Das Ziel sei, so Altermatt, den Studierenden ein umfassendes wissenschaftliches Verständnis der biologischen Vielfalt, ihrer Muster, Prozesse und Funktionen zu vermitteln.

Die Fähigkeiten, die immensen Herausforderungen im Artenschutz wissenschaftlich anzugehen und wirksame Beiträge zur Erhaltung der Biodiversität zu leisten, sind gefragter denn je. Der Verlust der biologischen Vielfalt ist global neben dem Klimawandel das dringlichste Umweltproblem, dem die Menschheit gegenübersteht – wobei letzterer bislang weit stärker im politischen und öffentlichen Rampenlicht stand. «Wir müssen dringend handeln. Denn sterben wichtige Arten aus, gefährdet dies ganze Ökosysteme. Und machen wir weiter wie bisher, gefährden wir langfristig die Lebensgrundlagen des Menschen», warnt Altermatt.

Porträt Florian Altermatt

Der Bedarf nach gut ausgebildeten Biodiversitäts-Fachleuten nimmt laufend zu – nicht etwa nur bei Öko- und Planungsbüros, sondern auch bei grossen Unternehmen wie Rückversicherungen.

Florian Altermatt
UZH-Professor für Aquatische Ökologie

Etwas Positives bewegen

Dass es mit der Biodiversität schlecht aussehe, findet auch Florian Hatt. «Wir erleben im Moment den grössten weltweiten Artenschwund der menschlichen Geschichte. Und die Schweiz steht im internationalen Vergleich keineswegs gut da.» Wir hätten einen der geringsten Flächenanteile an Schutzgebieten und eine der längsten roten Listen der bedrohten Arten von allen Ländern Europas», erklärt Florian Hatt. «Umso wichtiger ist es, nun Gegensteuer zu geben», meint Nicolas Hatt: «Ich möchte mit diesem Studium etwas Positives in die richtige Richtung bewegen.»

Ihr Interesse für die Natur ist gewissermassen familiär bedingt: Der Vater ist Botaniker, die Mutter hat Zoologie studiert. Seit vielen Jahren ist die Familie im Umwelt- und Naturschutz aktiv. «Bei uns war das immer eine spannende Freizeitbeschäftigung», sagt Vogelliebhaber Nicolass Hatt, der in seiner Maturaarbeit die Lebensräume der Wasseramsel am heimischen Chämptnerbach untersucht hat – und damit 2023 einen Sonderpreis bei «Schweizer Jugend forscht» mit dem Prädikat «hervorragend» gewonnen hat.

Interdisziplinarität und Systematik

Neben Grundlagenfächern wie Mathematik, Chemie und Physik erlernen die Studierenden aktuelle Konzepte aus der Ökologie, Evolutions- und Verhaltensbiologie sowie den Umweltwissenschaften. Auch die Interdisziplinarität hat einen hohen Stellenwert. «Das Studienprogramm ist breit abgestützt. Rund 20 Professorinnen und Professoren haben das Curriculum in partizipativer Weise ausgearbeitet. Von Anfang an waren neben Naturwissenschaftlern auch Vertreterinnen der Politik-, Kommunikations-, Rechts- und Wirtschaftswissenschaften dabei», sagt Altermatt. Entsprechend viel Zeit wurde für die Vorbereitung investiert. Entstanden ist ein breites, disziplinenübergreifendes Angebot von Blockkursen, Feldkursen und Spezialvorlesungen zu Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltethik, Umweltpolitik oder Insektenkunde, die primär im Fachstudium während des 5. und 6. Semesters stattfinden.

Florian und Nicolas Hatt, nun im 2. Semester, begrüssen es, dass sie Mathematik und die naturwissenschaftlichen Grundlagenfächer grösstenteils hinter sich haben. Nun konzentriert sich ihr Studium noch stärker auf die Themen der organismischen Biologie. «Das Modul ‹Lebensräume in der Schweiz› in der Vorlesung von Florian Altermatt finde ich mega spannend. Es ist jeweils das Wochenhighlight», meint Florian Hatt. So vieles sei ihm vorher nicht bekannt gewesen. «Diese Kenntnisse machen draussen in der Natur extrem viel sichtbar, das vorher unsichtbar war», sagt er. Sein Bruder ergänzt: «Wir haben zwar schon vorher viel gewusst. Aber jetzt wird dieses teilweise lose Wissen in einen systematischen Grundkontext gestellt. Es kriegt einen Überbau, den wir vorher nicht hatten.»

UZH-Studierende in einem Biodiversität-Feldkurs in den Glarner Alpen bei Elm. (Bild: zVg)

Bedarf an Fachleuten nimmt zu

Ökologie, Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften haben an der UZH seit vielen Jahren eine grosse Bedeutung. Zwei der aktuell 13 Universitären Forschungsschwerpunkte (UFSP) – «Globaler Wandel und Biodiversität» und «Evolution in Aktion: Vom Genom zum Ökosystem»– widmen sich diesen Disziplinen. Ersterer organisiert zusammen mit dem internationalen Forschungsnetzwerk bioDISCOVERY seit 2020 das «World Biodiversity Forum» in Davos. An der internationalen Konferenz diskutieren Forschung und Praxis, wie der Artenverlust gebremst und Ökosysteme geschützt werden können. Weiter betreibt die UZH Forschungsstationen in unterschiedlichsten Regionen der Welt, und UZH-Forschende publizieren regelmässig einschlägige Arbeiten in den renommiertesten wissenschaftlichen Fachzeitschriften.

«Das neue Studienprogramm Biodiversität ist ein wichtiger Schritt, um unser Wissen noch stärker nach aussen zu tragen: in Verwaltung und Politik sowie in Wirtschaft und Gesellschaft», betont Florian Altermatt. Für viele Firmen eröffnet das Thema Biodiversität Chancen, sich für Umwelt- und Artenschutz zu engagieren und damit zu positionieren. Zudem erhöht sich der Regulierungsdruck sowohl auf nationaler wie auch auf internationaler Ebene. «Biodiversität ist ein komplexes und vernetztes Gebiet, das viele unterschiedliche Arbeits- und Lebensbereiche betrifft. Der Bedarf nach gut ausgebildeten Fachleuten nimmt laufend zu – nicht etwa nur bei Öko- und Planungsbüros, sondern auch bei grossen Unternehmen wie etwa Rückversicherungen», bekräftigt der Experte für Gewässerökologie.

Für eine intakte Natur

Für ihre berufliche Zukunft haben Nicolas und Florian Hatt im Moment bloss vage Ideen. Dass sie nach dem Bachelor auch noch den Master absolvieren, sei schon die naheliegendste Idee. Fest steht, dass sie sich weiterhin für Arten, Lebensräume und Umwelt einsetzen werden. Damit auch in Politik und Bevölkerung ein Umdenken stattfinde, gelte es eines ganz besonders hervorzustreichen: «Der Einsatz für die Natur gibt den Menschen auch etwas zurück. Wir alle profitieren von einer intakten Natur, doch viele dieser sogenannten Ökosystemdienstleistungen sind der Bevölkerung komplett unbekannt», sagt Nicolas Hatt. Er denkt dabei etwa an gute Luft, sauberes Wasser, fruchtbare Erde oder Naturschutzgebiete als Erholungsräume. Florian Hatt ergänzt: «Viele wirtschaftliche Systeme, die wir jetzt am Laufen haben, schaden der Umwelt und werden für uns Menschen langfristig nicht funktionieren.» Doch die öffentliche Diskussion drehe sich meist nur um Verbote und Einschränkungen. «Dabei eröffnet die Erhaltung von Ökosystemen ganz viele Möglichkeiten. Es ist eine Chance für eine lebenswertere Zukunft.»