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Schweizer Premiere

Erster Lehrstuhl für Gendermedizin

Die UZH fördert die Gendermedizin mit einem neuen Lehrstuhl. Die Berufungsverhandlungen laufen, der Lehrstuhl soll bis spätestens Anfang 2024 besetzt werden. Warum Gendermedizin wichtig ist, und wie die UZH sie auch in der Lehre verankern will, war Thema einer Informationsveranstaltung im Uniturm
Marita Fuchs
Gesprächsrunde im Uniturm: Catherine Gebhard, Moderatorin Esther Girsberger, Beatrice Beck Schimmer, Vera Regitz-Zagrosek und Gregor Zünd (v.l.n.r.) (Bild: Marita Fuchs)

 

Es gibt Grund zu feiern. Am Dienstag letzter Woche kamen auf Einladung der Direktion Universitäre Medizin Zürich (UMZH) und des Think Tanks Female Shift interessierte Gäste im UniTurm zusammen, um mehr über den ersten Lehrstuhl für Gendermedizin zu erfahren, der an der Universität Zürich neu gegründet  wird. Die UZH ist damit Vorreiterin: Es ist der erste Gendermedizin-Lehrstuhl schweizweit.

Ein Women’s Health Center und ein Institut für Gendermedizin

«Vier aussichtsreiche Kandidatinnen für den Lehrstuhl haben an einem öffentlichen Symposium ihre Forschung bereits vorgestellt», sagte Beatrice Beck Schimmer, Professorin für Anästhesiologie an der UZH und Direktorin Universitäre Medizin Zürich. Am Universitätsspital Zürich wird die Gendermedizin klinisch verankert, indem ein «Women’s Health Center» etabliert wird. Gregor Zünd, Professor für Chirurgie und CEO des Universitätsspitals Zürich, betonte, dass die klinische Einbindung wichtig sei; eine präzise Diagnostik müsse auch das jeweilige Geschlecht berücksichtigen. Nur so sei für Patientinnen und Patienten eine auf sie zugeschnittene Behandlung möglich.

«Von Seiten der Universität ist ein Institut für Gendermedizin geplant», sagte Beck Schimmer. «Unter diesem Dach soll ein Netzwerk etabliert und die Zusammenarbeit mit anderen Universitäten ermöglicht werden». Auch den Nachwuchs wolle man stärken, möglicherweise in Form einer Assistenzprofessur für Gendermedizin, so die Direktorin. Der Medizinstandort Zürich werde durch diese Entwicklungen profitieren. Finanziell möglich geworden ist der neue Lehrstuhl durch die massgebende Anschubfinanzierung mehrerer Stiftungen.

Fehldiagnosen bei Herzinfarkt

Catherine Gebhard, Professorin und leitende Kardiologin am Inselspital Bern, forscht bereits seit einigen Jahren zu Gendermedizin. Es sei bekannt, dass Frauen und Männer auf unterschiedliche Weise erkranken und anders auf Medikamente reagieren, sagte die Forscherin in ihrem Inputreferat. «Der Grossteil der Forschung wird jedoch auch heute noch auf den Mann ausgerichtet». Das zeige sich auch an den tierexperimentellen Studien, die hauptsächlich an männlichen Tieren durchgeführt würden.

So seien Frauen nach wie vor unterversorgt. Gebhard führte das am Beispiel der Herz-Kreislauf-Erkrankungen aus: «Dass es Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt, weiss man seit dreissig Jahren. Dennoch werden Frauen immer noch nicht angemessen behandelt.» Das konnte die Kardiologin und ihr Team in einer schweizweiten Studie aus dem Jahr 2021 belegen.

Gerade junge Frauen, die an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung leiden, werden weniger oft intensiv untersucht und behandelt, und sie werden seltener auf einer Intensivstation aufgenommen als Männer, auch wenn sie genauso schwer erkrankt sind. Das Risiko, eine Fehldiagnose bei einem Herzinfarkt zu erhalten, sei für eine junge Frau sieben Mal höher als bei einem Mann im gleichen Alter.

Schub der Gendermedizin durch Covid-19

Die Pandemie habe der Gendermedizin allerdings Auftrieb verschafft, sagte Gebhard. Es zeigte sich, dass Männer deutlich häufiger und schwerer an Covid-19 erkrankten als Frauen. Bis heute sind die Ursachen noch nicht geklärt. Eines sei aber klar: Der Mangel an geschlechtsspezifischer Grundlagenforschung räche sich in solchen Momenten.

Bei den Frauen sehe man jetzt, dass sie stärker unter den Langzeitfolgen einer Covid-19-Erkrankung leiden. «Besonders gut ausgebildete Frauen, die stark eingespannt und alleinstehend sind, scheinen ein hohes Risiko für Long Covid zu haben», sagte Gebhard. Solche soziokulturellen Faktoren – so genannte Genderaspekte – müssten in der medizinischen Forschung mehr Platz haben, forderte Gebhard, auch wenn das die Forschung komplexer gestalte.

Wissenschaftliche Erkenntnisse in der Lehre und Versorgung

Sobald neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung bekannt sind, sollten sie in der Praxis ankommen, forderte Vera Regitz-Zagrosek. Nur so könnten die Patientinnen und die Patienten rasch profitieren. Die Genderexpertin gründete vor Jahren das Institut für Gendermedizin an der Charité in Berlin und hatte im Jahr 2019 eine Gastprofessur an der UZH inne. Bei den Patientinnen und Patienten ankommen könne die Gendermedizin am besten, wenn man sie auch in der Lehre verankere. «Die Gendermedizin muss in die Ausbildung der jungen Medizinerinnen und Mediziner einfliessen.» Vera Regitz-Zagrosek unterstützt die UZH dabei, indem Aspekte der Gendermedizin schweizweit ins Curriculum eingebaut werden.

Schliesslich müssten auch die Ärztinnen und Ärzte ihr neu erworbenes Wissen an die Patientinnen und Patienten weitergeben. Gregor Zünd sagte dazu: «Es ist von grosser Bedeutung, dass dieses Wissen in die Fachärzte- und Fachärztinnen-Ausbildung integriert wird.» Bei den Medizinstudierenden jedenfalls kommt der neue Lehrstuhl und die Ausrichtung der Ausbildung auf die Gender- und Präzisionsmedizin sehr gut an, da war man sich in der Runde einig.

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