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Seit Jahrzehnten warnen Wissenschaftler:innen vor dem Einfluss der Menschen auf das ökologische Gleichgewicht der Erde. Doch um eine ganze Gesellschaft zum Umdenken und Handeln zu bewegen, braucht es noch viel Überzeugungsarbeit. «Klimafakten sind in Berichten der Sache gemäss trocken formuliert und man muss sich erst genauer damit beschäftigen, um sie überhaupt einordnen zu können», erklärt Andreas Vieli, Professor für Glaziologie und Geomorphodynamik an der UZH. Könnten da innovative Formate der Kommunikation helfen?
In einem Kooperationsprojekt des Geographischen Instituts mit der Fachklasse Grafik Luzern haben sich bereits zwei Jahrgänge von Grafiklernenden dieser Herausforderung gestellt. Im Rahmen einer Workshopwoche erhielten die Teilnehmenden Fakten oder Prognosen aus offiziellen Klimaberichten, die sie als ansprechende Grafik darstellen sollten. Die Themenvielfalt reichte von Flugverkehr und Starkniederschlag bis zu Hitzestress oder Gletscherschmelze.
Am ersten Tag des Workshops führte Vieli die Grafiklernenden in die Welt der Klimaforschung und -berichte ein. «Ich bin selbst erstaunt, wie unzugänglich die Berichte sind, aufgrund derer Politiker:innen Entscheidungen treffen sollen», sagt Vieli. Danach nahmen die Lehrkräfte der Grafikfachklasse die Lernenden mit auf eine spielerische Entdeckungsreise von Formen und Farben: Welche Farben verbinden wir mit Dürre oder mit polaren Eiskappen? Wie lassen sich Zahlenwerte und Verhältnisse darstellen, ohne ins Schema Kuchendiagramm zu verfallen?
Die entstandenen Bilder reichen von abstrakten Kompositionen bis hin zu vereinfacht gestalteten Bergen und Häusern. Die Basis bilden jedoch immer grafische Grundformen – ein Merkmal dieser Art der schematischen Darstellung, die sogenannten «micro’coms». Die klar umrissenen Farbflächen stellen die Zahlenverhältnisse dar und helfen den Betrachtern die Klimafakten einzuordnen.
Ohne Probleme könnten die Plakate als Blickfang in einer Klimademo dienen: Sie sind plakativ, lösen mit ihren starken Farben Emotionen aus und haben eine echte Botschaft. Diese ist jedoch nicht immer auf den ersten Blick zu entziffern. Und genau das ist der Clou daran: «Die Betrachter müssen genauer hinschauen und sich mit der Grafik beschäftigen», erklärt Vieli. Unter jedem Diagramm finden Interessierte die entsprechende Textstelle aus dem Klimabericht sowie eine Aufschlüsselung, welche Informationen die Farbflächen repräsentieren.
Mit den Emotionen, die durch die Farben angeregt werden und dem spielerischen Entziffern der Formen bilden die Bilder den idealen Einstiegspunkt ins Thema Klimawandel. «Seit der ersten Ausstellung am Irchel habe ich viele positive Rückmeldungen erhalten», erzählt Vieli. «Beispielsweise von Unterrichtenden, welche die Bilder in ihren Lektionen benutzen.»
Nun fordern die experimentellen Arbeiten erneut zum lustvollen Knobeln auf: Vom 1. Juni bis zum 2. Juli 2023 sind sie in der Photobastei in Zürich unter dem Titel «erschreckend schöne Bilder» ausgestellt. Die erste Bildserie aus dem Workshop 2019 stellt Klimafakten der Schweiz dar, die zweite Serie von 2022 widmet sich internationalen Klimaprognosen. Beide Serien sind ebenfalls als ansprechende Heftpublikationen in der Photobastei erhältlich. Wer sich auf die kommende Abstimmung zum Klimaschutz-Gesetz einstimmen möchte, sollte sich die Ausstellung nicht entgehen lassen.