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KI in der Medizin

Der Einsatz digitaler Zwillinge wird positiv eingeschätzt

Fast zwei Drittel der Bürger:innen der Schweiz sind positiv eingestellt gegenüber der Möglichkeit eines personalisierten digitalen Zwillings ihres Körpers – in erster Linie, damit ihre Krankheiten besser abgestimmt behandelt werden können. Das zeigt eine repräsentative Umfrage der Digital Society Initiative (DSI).
Claudia M. Witt
Die Nutzung digitaler Zwillinge soll eine freiwillige Entscheidung sein: 87% sind gegen eine Pflicht, auch wenn die Behandlung dann gegebenenfalls schlechter wäre. (Bild: iStock / KrulUA)

In den kommenden Jahren wird der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin die Prävention, Diagnose, Therapie und die damit einhergehenden Abläufe und Verantwortlichkeiten im Gesundheitswesen grundlegend transformieren. Zusammen mit Expert:innen der Universität Zürich und weiterer Organisationen haben wir im «Strategy Lab» der Digital Society Initiative (DSI) in die Zukunft geschaut. Dazu bedienten wir uns einer systematischen und partizipativen Herangehensweise. Dank diesem Vorgehen haben wir den digitalen Zwilling als eine bedeutende zukünftige Entwicklung identifiziert.

Digitale Abbildung des eigenen Körpers

Bei einem digitalen Zwilling handelt es sich um eine Abbildung unseres Körpers, insbesondere der Organe und der Stoffwechselprozesse, durch eine komplexe Software. Bereits heute werden isolierte Organe wie z.B. ein digitales Zwillingsherz getestet. So wurde für die amerikanische Langstreckenläuferin Desiree Linden ein digitales Herz personalisiert, damit unter anderem ihre Herzleistung und Belastung während des New-York-City-Marathons Anfang November 2023 simuliert werden können. Den gesamten Körper als digitaler Zwilling abzubilden, ist jedoch sehr viel komplexer und noch Zukunftsmusik. Was ein digitaler Zwilling konkret ist, haben wir in einem Video erklärt.

Mehrheit ist positiv eingestellt

Obschon digitale Zwillinge aktuell noch Zukunftsmusik sind, wollten wir wissen, was die Schweizer Bevölkerung heute dazu denkt. Wir haben deshalb zusammen mit dem Umfragespezialisten gfs eine repräsentative Umfrage durchgeführt. Die Ergebnisse sind interessant: Fast zwei Drittel der Schweizerinnen und Schweizer (62%) stehen dem digitalen Zwilling positiv gegenüber, bei den über 65-Jährigen sind es sogar 67%. Die Nutzung soll aber eine freiwillige Entscheidung sein: 87% sind gegen eine Pflicht zur Nutzung digitaler Zwillinge, auch wenn die Behandlung dann gegebenenfalls schlechter wäre.

Die Interessierten möchten den digitalen Zwilling am häufigsten für eine bessere Abstimmung der Behandlung (81%), eine Vorhersage des Erkrankungsverlaufs (76%), die Identifikation von Krankheitsrisiken (76%) und die Prüfung von Therapievorschlägen (71%) nutzen.

Staat soll Voraussetzungen schaffen

Drei Viertel der Schweizerinnen und Schweizer sehen den Staat in der Rolle, die notwendigen technischen und organisatorischen Voraussetzungen für die Nutzung digitaler Zwillinge zu schaffen. 64% der Befragten sind der Meinung, dass die Nutzer:innen ihre anonymisierten Gesundheitsdaten für Forschung zu digitalen Zwillingen zur Verfügung stellen sollten.

Das Vertrauen der Bevölkerung, dass digitale Zwillinge korrekt und in ihrem Sinne eingesetzt werden, ist am höchsten in Hochschulen mit medizinischer Forschung (79%) und öffentlichen Spitälern (75%), gefolgt von staatlichen Bundesämtern (62%) und Privatkliniken (59%). Nur 32% der Befragten vertrauen den Krankenkassen und noch weniger der Pharmaindustrie (28%) oder Technologieunternehmen (27%).

Verantwortungsvolle Nutzung

Erste Entwicklungen und unser Blick in die Zukunft zeigen: Digitale Zwillinge werden Teil der Gesundheitsversorgung sein. Wir sollten uns jetzt darauf vorbereiten, damit wir bestmöglich davon profitieren. Aus diesem Grund haben wir in unserem «Strategy Lab» Ziele sowie Empfehlungen für eine verantwortungsvolle Nutzung digitaler Zwillinge in der Medizin aus vier Stakeholder-Perspektiven erarbeitet: Bürger:innen, Gesundheitsfachpersonen, Hersteller und Anbieter von digitalen Zwillingen sowie Regulatoren und Kostenträger. Diese Ziele und Empfehlungen wurden in einem Positionspapier zusammengefasst.

Vertrauen in der Bevölkerung aufbauen

Mit unserem «Strategy Lab» liefern wir also Empfehlungen für einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser Zukunftstechnologie, und wir zeigen auf, dass ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung gegenüber digitalen Zwillingen positiv eingestellt ist. Die Umfragedaten zeigen aber auch deutlich, dass Unternehmen noch Vertrauen in der Bevölkerung aufbauen müssen. Denn die wichtigste Forderung unseres Positionspapier aus Sicht der Bürger:innen ist, dass der Mensch weiterhin das letzte Wort haben soll: «Bürger:innen entscheiden über Erzeugung, Datenquellen, Ausgestaltung, Nutzungsart und Lebensdauer ihrer persönlichen Digitale-Zwillings-Services» – dieser Grundsatz hat auch in unserer Umfrage hohe Zustimmung erhalten.

Positionspapier mit ersten Zielen

Im Positionspapier findet man unter anderem folgende Ziele, die aus der Perspektive von Herstellern und Anbietern von «Digitale Zwillinge»-Services (Technologiefirmen, Startups, Pharmaunternehmen, Medizinprodukt-Betriebe und Hochschulen) formuliert sind:

  • Anbieter von «Digitale Zwillinge»-Services haben gemäss Open-data-Prinzipien (offene Standards, Interoperabilität) Zugang zu möglichst vielen anonymisierten Gesundheitsdaten.
  • Medizinische Leistungen werden so abgerechnet, dass Empfehlungen qualitativ hochwertiger und entsprechend zertifizierter «Digitale Zwillinge»-Services rückvergütet werden.
  • Zulassungsverfahren, Zertifizierung und Regulation von «Digitale Zwillinge»-Services sowie Informationspflichten für Anbieter:innen solcher Services sind definiert und agil.

Dieser Text ist Teil der Reihe DSI Insight auf Insight IT