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«Vermutlich denken die meisten beim Wort Lehre an der UZH eher an eine Vorlesung als an eine Lehrstelle», sagt Thomas Meyer, Koordination Berufliche Grundbildung UZH in der Abteilung Personal. «Auf jeden Fall ist es noch zu wenig bekannt, dass die UZH auch ein breites Spektrum an beruflichen Grundbildungen anbietet.» Das soll sich ändern – sowohl auf Wunsch der UZH als auch der Bildungsdirektion des Kantons Zürich. 2018 hat die Universität Zürich entschieden, ihren gesellschaftlichen Bildungsauftrag stärker wahrzunehmen.
UZH-Experte im Bereich berufliche Grundbildung ist Philipp Gonon, der 2004 den Lehrstuhl für Berufsbildung am Institut für Erziehungswissenschaft an der UZH aufgebaut hat. Gonon hat 19 Jahre lang intensiv zur (früher belächelten) beruflichen Grundbildung geforscht und gelehrt sowie Generationen von Berufsschullehrpersonen ausgebildet. So konnte er 2014 der Universitätsleitung eine Studie vorlegen, die aufzeigte, dass die UZH bei der beruflichen Grundbildung Nachholbedarf hatte und andere Hochschulen professioneller vorgingen. «Die Universitätsleitung stand dem Anliegen, das Ausbildungsangebot für Lernende auszubauen und zu verbessern, sehr positiv gegenüber – bis heute», sagt Gonon.
Für die Erarbeitung der konzeptionellen und reglementarischen Grundlagen wurde 2018 eine strategische Begleitgruppe gebildet. Diese setzte sich aus folgenden Mitgliedern zusammen: Professor Philipp Gonon (Institut für Erziehungswissenschaften), Professorin Marta Manser (Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften), Dr. Kai von Massenbach (Zentrum für Zahnmedizin), Roberto Mazzoni (Zentrale Informatik), Nicole Nussbaumer (Tierspital), Steve Rast (Institut für Biochemie) und die beiden Lernenden Deniz del Priore (Hauptbibliothek der Universität Zürich) und Andrea Turrin (Institut für Chemie).
Auf dieser Basis wurde unter der Leitung der damaligen Koordination Berufliche Grundbildung UZH ein Reglement zur beruflichen Grundbildung und der «Leitfaden für die berufliche Grundbildung an der UZH» erarbeitet und sämtlichen Berufsbildner:innen der UZH vorgelegt. Reglement und Leitfaden wurden 2019 durch die Universitätsleitung genehmigt.
Philipp Gonon arbeitet auch nach seiner Pensionierung im Jahr 2021 weiterhin in der Fachgruppe «Berufliche Grundbildung UZH» mit. Er konnte beobachten, dass die Berufsbildung in den letzten Jahrzehnten an Prestige gewonnen hat. Mittlerweile ist es in der Gesellschaft angekommen, «dass man auch mit einer Lehre Karriere machen kann». So sind zahlreiche andere Länder an der beruflichen Grundbildung interessiert sind; der UZH-Experte wird regelmässig als Referent eingeladen. «Das Thema ist gefragt», so Gonon.
Der von ihm aufgebaute Lehrstuhl wurde nach seiner Emeritierung wieder besetzt, mit Katrin Kraus, die sich auf Berufs- und Weiterbildung spezialisiert hat. An der Philosophischen Fakultät der UZH herrscht heute gemäss Gonon ein «wohlwollendes Anerkennen der Bedeutung der Berufsbildung als Forschungsgebiet». Die viel gelobte Durchlässigkeit des Schweizer Bildungssystem hat an der UZH auch eine kulturelle Veränderung bewirkt: Einer Zusammenarbeit mit Fachhochschulen steht nichts entgegen.
Thomas Meyer, Koordination Berufliche Grundbildung UZH in der Abteilung Personal, hat beobachtet, dass die UZH ein attraktiver Ausbildungsort für Lernende ist: «Die Lehrstellen an der UZH sind begehrt.»
Derzeit überlegt die Fachgruppe «Berufliche Grundbildung UZH», der Gonon und Meyer angehören, wie das Lehrstellenangebot weiter ausgebaut werden könnte. «Das ist nicht so einfach, wie man meinen könnte», sagt Gonon. Die Institute und Abteilungen müssen erst einmal davon erfahren und dann auch bereit sein, eine entsprechende Stelle zu finanzieren. «Das benötigt manchmal längere Lernprozesse», so Gonon. Auch braucht es fähige Berufsbildner:innen, die die Betreuung der Lernenden ernst nehmen.
Die Berufsbildung ist ein sehr heterogenes Feld, das sich stetig weiterentwickelt. Nicht nur kommen und gehen neue Lehrstellenfavoriten – früher waren in der Schweiz z.B. Dentalhygienikerin oder Laborant sehr beliebt, heute die Kaufmännische Lehre. Ausserdem hat der Trend zum lebenslangen Lernen auch die berufliche Grundbildung erfasst. So unterstützt die UZH die Lernenden, die eine Berufsmaturität absolvieren möchten – was ihnen den Zugang zu den Aus- und Weiterbildungsangeboten der Fachhochschulen ermöglicht.
Seit neuem haben auch Kandidat:innen mit Migrationshintergrund an der UZH bessere Chancen auf eine Lehrstelle. Viele sind geeignet und hochmotiviert, passen jedoch vom Alter oder von der Vorbildung her nicht ins klassische Raster von Lernenden. Sie können seit kurzem an der UZH die sogenannte Integrationsvorlehre INVOL absolvieren: Dabei arbeiten sie ein Jahr lang einen Tag pro Woche im Team ihrer zukünftigen Lehrarbeitsstelle mit und besuchen an den restlichen Wochentagen unterstützende Kurse. Davon profitieren insbesondere Geflüchtete, die erst als Erwachsene in die Schweiz gekommen sind oder deren Vorbildung nicht dem schweizerischen Niveau entspricht.
Semere Gebru ist der Erste an der UZH, der die neue Integrationsvorlehre INVOL absolviert hat. Er stammt aus Eritrea, ist 36 Jahre alt, lebt seit sechs Jahren in der Schweiz und wohnt als anerkannter Flüchtling mit seiner Familie in Zürich. Im August 2023 fängt er in der Gärtnerei am UZH-Standort Irchel eine zweijährige Lehre als Gärtner mit Eidgenössischem Berufsattest (EBA) an. Schon in seinem Ursprungsland Eritrea war er, wie seine Eltern, Bauer. Für die INVOL hat er vor einem Jahr auch im Detailhandel und in der Logistik erste Eindrücke gewinnen können. Von der Migros hatte er bereits eine Zusage, als auch noch die Zusage der Irchel-Gärtnerei im Briefkasten landete. «Ich hätte jede Lehre gemacht. Aber Gärtner am liebsten», sagt Semere Gebru glücklich.
Auch die 22-jährige Noura Abedrehman aus Syrien, die im August eine Lehre als Fachperson Information und Dokumentation an der Universitätsbibliothek (UB) beginnt, ist ein anerkannter Flüchtling. Vor vier Jahren kam sie mit ihrer Mutter aus Syrien in die Schweiz, wohin schon ihre Geschwister geflüchtet waren. «In Syrien mussten wir oft um- und weiterziehen, zuerst weil meine Brüder anderswo arbeiten mussten und dann wegen dem Krieg», erzählt sie. «Mein grösster Wunsch ist es, irgendwo zu bleiben.» Am liebsten in der Schweiz, denn hier fühlt sie sich sicher und sieht viele Lernmöglichkeiten. «Nach der Lehre möchte ich die Berufsmaturität machen.» Um was zu studieren? «Das Fach ist noch nicht ganz klar», sagt Noura Abedrehman, «aber die Richtung schon: Psychologie oder Philosophie.» Während ihrer Lehre an der UZH wird sie schon einmal einen ersten Einblick in die Schätze der Philosophie gewinnen können.