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Klima

«Enorme Anstrengungen nötig»

Im Ringen um eine gemeinsame Stossrichtung hat die internationale Staatengemeinschaft an der Klimakonferenz in Glasgow einige Erfolge erzielt. Dazu haben auch UZH-Forschende beigetragen, wie Christian Huggel und Axel Michaelowa in einem Gastbeitrag zeigen.
Von Christian Huggel und Axel Michaelowa

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Klimawandel
Die Erde erwärmt sich in raschem Tempo, wirkungsvolle Gegenmassnahmen sind dringend gefragt. (Bild: iStock.com/Anagramm)

 

Ob die Klimakonferenz in Glasgow COP26 als Erfolg oder Misserfolg taxiert wird, hängt von der Perspektive und den Erwartungen ab. Wer gehofft hatte, das Steuer würde in Glasgow radikal herumgerissen, wurde enttäuscht. 

Doch solche Hoffnungen waren ohnehin unrealistisch, weil die internationale Klimapolitik nicht unabhängig agieren kann. Sie ist abhängig von nationalen Klimastrategien und -interessen. Und sie ist darauf angewiesen, dass sich die Länder auf gemeinsame Regelwerke einigen können.

Komplexes Zusammenspiel

Klimapolitik ist das Ergebnis eines komplexen Zusammenspiels: Politische Massnahmen auf internationaler, nationaler und lokaler Ebene greifen ineinander, bedingen sich gegenseitig und können sich auch gegenseitig verstärken.

Man sieht das gut am Beispiel der Schweiz: Der Verhandlungsspielraum der Schweizer Delegation in Glasgow mit Bundesrätin Sommaruga an der Spitze war eingeschränkt durch das unglückliche Nein zum CO2 Gesetz im vergangenen Juni. Trotzdem konnte sie Impulse geben. 

Und damit sind wir beim ersten Erfolg in Glasgow. Es ist der Konferenz gelungen, robuste Grundregeln für die Mechanismen der internationalen Kohlenstoffmärkte unter dem Pariser Klima-Abkommen zu definieren, die den internationalen Klimaschutz auf Jahrzehnte hinaus stärken werden.

Klimakonferenz in Glasgow
Axel Michaelowa (2.v.r.) und vietnamesische Regierungsvertreter beim Side Event zur Kohlenstoffmarktregulierung an der Klimakonferenz in Glasgow im November 2021. (Bild zVg)

Forschung als Grundlage der Klimapolitik

Im Rahmen eines Forschungsprojekts der UZH haben wir untersucht, wie die Regulierung internationaler Kohlenstoffmärkte aussehen sollte. Besonders erfreulich war, dass Vorschläge auf Grundlage dieser Forschung direkt in das Abkommen über die Berechnung von Emissionsgutschriften eingeflossen sind.

Dies gilt beispielsweise für einen «Ambitionskoeffizienten», der auf die bisherigen Methoden zur Berechnung der Referenzfallemissionen angewandt wird. Er soll die Konsistenz der Kohlenstoffmärkte mit dem Netto-Null-Ziel des Pariser Abkommens für die zweite Jahrhunderthälfte sicherstellen. Dieses Beispiel belegt die hohe Relevanz der Forschung an der UZH für die internationale Klimapolitik.

Fortschritte, wenn auch weniger als erhofft, wurden zudem beim Ausstieg aus der Exportförderung zur Finanzierung fossiler Brennstoffe erzielt. In unserer Forschung  war dies bereits früher ein Thema. G7, G 20 und die OECD haben die Thematik aufgegriffen und fordern die Exportkreditagenturen auf, sich aus der Finanzierung von Kohlekraftwerken zurückzuziehen. China hat diesen Schritt bereits vor der Konferenz angekündigt.

Dürren, Stürme, Hochwasser

Ein weiteres Thema in Glasgow war, wie man mit Verlusten und Schäden («Loss and Damage») umgeht, die Entwicklungsländer durch Klimawandel erleiden, also zum Beispiel durch Meeresspiegelanstieg, Dürren, Stürme und Hochwasser. Die Verhandlungen dazu waren viele Jahre festgefahren. Entwicklungsländer forderten Entschädigungszahlungen, während die Industriestaaten, allen voran die USA, aber auch die Schweiz, jegliche Art von Haftung für historische Emissionen («Schuld») und damit verbundene Kompensationen entschieden ablehnten. 

In Glasgow wurde nun die Eröffnung eines Fonds für technische Hilfe für «Loss and Damage» beschlossen, aber die eigentlichen Zahlungen zur Entschädigung der betroffenen Entwicklungsländer bleiben höchst umstritten.

An der UZH und in internationalen Forschungskooperationen beschäftigen wir uns schon seit Jahren mit Fragen rund um «Loss and Damage», von der Zuordnung beobachteter Schäden im Zusammenhang mit dem menschengemachten Klimawandel bis hin zu Fragen der Klimagerechtigkeit und Verantwortlichkeit. Die fachliche Vielfalt der UZH kommt bei derart komplexen Themen besonders zum Tragen. 

Finanzielle Zusagen für Enticklungsländer

Ein weiteres wichtiges Thema in Glasgow, das eng mit Fragen der Klimagerechtigkeit verbunden ist, war die Finanzierung. Im Pariser Klimaabkommen vor 6 Jahren wurde festgelegt, dass die Industriestaaten bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar für die Klimafinanzierung in den Entwicklungsländern bereitstellen. 

Diese Vorgabe wurde verfehlt und die Entwicklungsländer haben zu Recht auf Einhaltung gepocht. Mit den finanziellen Zusagen, die in Glasgow gemacht wurden, sollte dieses Ziel nun 2023 doch noch erreicht werden. Auch hier ist die UZH nahe dran, z.B. mit dem neuen Center of Competence for Sustainable Finance, das Forschung und Expertise aus verschiedenen Fakultäten und Instituten zum Thema bündelt. 

Klimakonferenz Glasgow
Christian Huggel spricht an einem Side Event im Cryosphere Pavilion über die Auswirkungen des Klimawandels auf Kryosphäre und Bergregionen. (Bild zVg)

 

Schliesslich zur Kernfrage: Wird es gelingen, die globale Erwärmung auf 1.5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen oder zumindest auf 2°C wie im Pariser Abkommen festgeschrieben? In diesem Punkt wurden zwar Fortschritte erzielt, aber die von den Ländern angekündigten Anstrengungen werden dazu nicht ausreichen. Zudem ist unsicher, ob die Versprechungen effektiv eingehalten werden können.

Tempo muss erhöht werden

Gemäss neuer Forschungserkenntnisse ist bereits bei einer Erwärmung um 2°C mit einer katastrophalen Destabilisierung von Klima- und Ökosystemen und disruptiven sozialen Prozessen zu rechnen. Dies besagt zum Beispiel der neue Bericht der Working Group II des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Der Report, an dem verschiedene Forschende am Geographischen Institut und am Departement of Banking and Finance der UZH massgeblich mitgearbeitet haben, wird im Februar 2022 publiziert. 

Die Klimaerwärmung aufzuhalten wird enorme Anstrengungen kosten. Das Tempo muss massiv erhöht werden. Dabei steht nicht nur die internationalen Klimapolitik in der Verantwortung, sondern auch die lokalen Akteure. Die Zielsetzung der UZH, bis 2030 Klimaneutralität zu erreichen, ist deshalb ein enorm wichtiger Schritt und ein Zeichen dafür, dass die UZH die Klimakrise ernst nimmt und als international bestens positionierte Hochschule in einem der reichsten Länder der Welt verantwortungsvoll handelt.