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3R an der UZH

Für das Tierwohl

Paulin Jirkof arbeitet seit rund einem Jahr als 3R-Koordinatorin für die UZH. Sie setzt sich dafür ein, dass die Zahl der Tierversuche verringert und das Wohl der Tiere verbessert wird.
Nathalie Huber

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Mäuse sind weniger gestresst, wenn man sie in Plexiglasröhren transportiert.


Ratten mögen es, wenn Tierpflegerinnen und Tierpfleger sie am Nacken kitzeln. Imitieren Tierpfleger das Spiel junger Ratten mit einer speziellen Kitzeltechnik, entspannen sich die Nager und schöpfen Vertrauen. Eine einfache, aber wirksame Massnahme, um das Wohl der Versuchstiere zu verbessern. Eine von vielen, die Paulin Jirkof an der UZH eingeführt hat. 

«Wenn wir mit Tieren arbeiten, dann nur mit so vielen wie nötig, und unter bestmöglichen Bedingungen», erklärt die studierte Zoologin. Sie beschreibt damit in wenigen Worten, was sie als 3R-Koordinatorin erreichen will. 3R steht für «replace, reduce, refine». Tierversuche sollen, wenn immer es möglich ist, durch alternative Erkenntnismethoden ersetzt werden. Bieten sich keine Alternativen an, sollen die Versuche dahingehend verbessert werden, dass die Tiere möglichst geringen Belastungen ausgesetzt sind. In der Schweiz sind Forschende gesetzlich verpflichtet, Tierversuche auf ein Minimum zu beschränken. In ihrer Policy zur tierexperimentellen Forschung verpflichtet sich die UZH, die 3R-Prinzipen vorbildlich umzusetzen.   

3R stärker verankern

Seit einem Jahr setzt sich Paulin Jirkof dafür ein, 3R in Forschung und Lehre an der UZH noch stärker zu verankern. Hierfür arbeitet sie mit vielen Personen an der UZH zusammen – mit Tierhaltungsverantwortlichen, Tierpflegerinnen und -pflegern, Studienkoordinatoren sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Paulin Jirkof arbeitet eng mit den zwei Tierschutzbeauftragten der UZH, Michaela Thallmair und Corina Berset sowie der Statistikerin Bernadetta Tarigan zusammen.

Die Abteilung Tierschutz unterstützt Forscherinnen und Forscher bei der Umsetzung ihrer Tierversuche. Die Hauptaufgabe von Michaela Thallmair und Corina Berset besteht darin, die Anträge für Tierversuche zu kontrollieren – bevor die Wissenschaftler diese dem kantonalen Veterinäramt vorlegen. Die Statistikerin Bernadetta Tarigan unterstützt Wissenschaftler dabei, ihr Versuchsdesign optimal aufzusetzen und gibt Ratschläge, wie statistisch aussagekräftige Schlussfolgerungen aus Versuchen gezogen werden können.

Viele Alternativmethoden etabliert

An der UZH wird jedes R der 3R-Grundsätze ähnlich gewichtet. Viele Alternativmethoden sind bereits etabliert – etwa Computersimulationen. Und viele Forscherinnen und Forscher arbeiten parallel mit mehreren Ansätzen, indem sie Verfahren mit und ohne Versuchstiere anwenden. Häufig nutzen Forschungsgruppen Zellkulturen wie beispielsweise Organoid-Modelle. Laut Jirkof gibt es vielversprechende Entwicklungen in der Organoid-Forschung. Organoide sind dreidimensionale, organähnliche Mikrostrukturen, die sich aus tierischen oder menschlichen Stammzellen bilden und eine realistische Mikroanatomie vorweisen. Sie eignen sich deshalb als zelluläres Modellsystem für die Untersuchung von Krankheiten. Doch auch komplexere Zellkulturen wie Organoide reichen heute noch nicht aus, um einen lebenden Organismus vollständig zu ersetzen. «Selten ersetzt eine Alternativmethode einen Tierversuch vollständig», fasst Jirkof zusammen.

Gestützt auf die bis heute ausgewerteten Daten ist die Zahl der Versuchstiere an der UZH von 2016 auf 2017 um 2,4 Prozent gesunken. «Ob dies ein anhaltender Abwärtstrend ist, lässt sich schwer sagen», relativiert Jirkof. Grosse veterinärmedizinische Studien an tierischen Patienten gelten etwa auch als Tierversuch und könnten die Anzahl Tiere kurzfristig erhöhen. Je nachdem welche Forschungsschwerpunkte an der UZH gesetzt würden, könnten mal mehr oder weniger Tiere genutzt werden.

Ebenso sind die Versuche mit höherer Belastung in den letzten drei Jahren an der UZH rückläufig. Auch hier ist es laut Jirkof schwierig, bereits von einem Trend zu sprechen. Denn durch die vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen revidierte Schweregrad-Richtlinie, mit deren Hilfe Versuchsvorhaben eingeschätzt werden, werden bestimmte Versuche in Zukunft höher eingestuft als früher. 

Versuchstiere teilen

In den Bereichen, wo es noch keine validierten Alternativen zu Tierversuchen gibt, untersuchen Forscherinnen und Forscher der UZH, wie sie die Anzahl Tiere, die sie verwenden müssen, verkleinern können. Ansätze dazu sind zum Beispiel, die Zucht von gentechnisch veränderten Mäusen zu optimieren, oder das Studiendesign zu verbessern. Wer etwa die Stichprobenzahl gut plant, kann die Anzahl Versuchstiere reduzieren. Eine weitere Möglichkeit, um weniger Tiere zu nutzen, bietet die kürzlich etablierte Online-Plattform «AniMatch». Forscherinnen und Forscher können nicht genutzte Organe oder Gewebe ihrer Versuchstiere an andere UZH-Forschende weitergeben, damit diese keine eigenen Tiere beschaffen müssen.

Im vergangenen Jahr sind bereits einige Wissenschaftler an Paulin Jirkof gelangt, um sich konkret zu ihren Projekten und geeigneten 3R-Methoden beraten zu lassen. Darüber hinaus will Jirkof den Wissenstransfer über existierende Alternativmethoden zwischen UZH-Forschenden verstärken. «Ich verbringe viel Zeit damit, mich mit Forscherinnen und Forschern zu treffen», sagt sie. Es sei wichtig, dass die 3R-Forschung auch von Wissenschaftlern initiiert werde, denn sie seien letztlich die Expertinnen und Experten in ihren Fachbereichen.

Paulin Jirkof
Paulin Jirkof setzt sich dafür ein, 3R in Forschung und Lehre an der UZH noch stärker zu verankern.

Empathie fördern

Unter 3R versteht Paulin Jirkof auch, dass man offen ist für neue Forschungsansätze und die Empathie gegenüber dem Tier fördert. Ein Beispiel: Wie fühlt es sich für ein kleines Beutetier wie eine Maus an, wenn sie am Schwanz gefasst wird, um transportiert zu werden? Wer sich mit Mäusen auseinandersetzt, geht artgerechter mit ihnen um. Freilebende Nager bewegen sich in unterirdischen Gängen. An der UZH wird Forschenden und Tierpflegerinnen und -pflegern gezeigt, dass sich Mäuse lieber in einer Röhre transportieren lassen als von Hand. Viele von ihnen verwenden nun für den Transport von Nagern Plexiglasröhren. «Es ist offensichtlich, dass die Tiere dadurch weniger gestresst sind», erklärt Jirkof.

Schmerzen vermeiden

Früher hat die Expertin für Versuchstierkunde selbst mit Tieren geforscht. Sie ist darauf spezialisiert, Schmerzen und die Belastung der Tiere während des Versuchs zu erkennen und genau einzuschätzen. Schmerzen im Tierversuch zu vermeiden oder zu minimieren, ist nicht nur aus ethischer und wissenschaftlicher Sicht relevant, sondern auch gesetzlich vorgeschrieben. Schmerz etwa bei Nagern zu erkennen, ist aber nicht einfach, denn als Beutetiere vermeiden sie es, Schmerzen und somit Schwäche offen zu zeigen. Wer mit Nagern forscht, sollte deshalb ihr Verhalten richtig interpretieren können. Paulin Jirkof führt mit Forschenden entsprechende Schulungen durch. Sie zeigt ihnen, wie sie bei Mäusen Schmerzen beispielsweise anhand der Ausrichtung von Nase, Ohren und Tasthaaren erkennen können.

Roter Faden in der Ausbildung

Um die 3R-Prinzipien zu verankern und zu fördern, müssen sie in die Ausbildung integriert werden. Das Institut für Labortierkunde an der UZH organisiert einen grossen Teil der schweizweiten Ausbildung für Forscherinnen und Forscher, die Tierversuche durchführen oder leiten. «In jedem Labortierkurs ist 3R der rote Faden», hält Jirkof fest. Kürzlich hat sie sich an einem internationalen Forschungsprojekt beteiligt und testete gemeinsam mit Teilnehmenden von Labortierkursen Fixierungs- und Injektionstechniken an Maus- und Rattensimulatoren. «Wir haben nun selbst ein paar Simulatoren angeschafft und bauen dieses Training beispielsweise in den Kursen für Blutentnahme ein», sagt Jirkof.

Im vergangenen Jahr bot Paulin Jirkof hauptsächlich Kurse an für interessierte Nachwuchsforschende aus der Medizin, Veterinärmedizin und den Naturwissenschaften. Zusätzlich vermittelte sie die 3R-Prinzpien in Kursen für Wissenschaftsethik. In Zukunft möchte sie 3R noch mehr in die Lehre einbringen – auf Bachelor- und Masterstufe. «Studierende sollen so früh wie möglich über die 3R-Grundsätze informiert werden», sagt sie.

Mitarbeit am Kompetenzzentrum  

Die UZH hat mit Paulin Jirkof als erste Hochschule in der Schweiz eine Person eingestellt, die sich ausschliesslich dafür einsetzt, die 3R-Prinzipien in Forschung und Lehre zu fördern. Inzwischen arbeiten an elf Schweizer Hochschulen 3R-Verantwortliche. Alle gehören dem 3R-Kompetenzzentrum Schweiz (3RCC) an, das von den Hochschulen, dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, dem Schweizer Tierschutz sowie dem Branchenverband Interpharma gegründet worden ist.

Seit Kurzem steht Paulin Jirkof dem Exekutivrat des 3RCC vor. Die Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen des Kompetenzzentrums ist sehr eng und konstruktiv, da unterschiedliche Expertisen und Forschungsschwerpunkte zusammenfinden. Die 3R-Kordinatoren wollen eine nationale Ausbildungsstrategie für Studierende im Bachelor oder Master entwickeln. Paulin Jirkof findet es wichtig, auch Forscherinnen und Forscher anzusprechen, die keine Tierversuche durchführen, aber relevante Fachkenntnisse besitzen, um Alternativmethoden zu entwickeln.

Neben der nationalen Zusammenarbeit spielt auch die internationale Vernetzung mit 3R-Zentren sowie 3R-Expertinnen und -Experten eine wichtige Rolle. «Wir sind dabei, uns auch international breit zu vernetzen. Gerade der internationale Wissenstransfer bezüglich 3R-Methoden ist extrem wichtig, um tierversuchsfreie Alternativmethoden stärker zu implementieren», betont Paulin Jirkof.