Navigation auf uzh.ch

Suche

UZH News

Krebsforschung

«Hautkrebs ist eine tickende Zeitbombe»

Burkhard Becher bestimmt mit modernsten Verfahren hochdifferenzierte Blutprofile. Sie geben dem Immunologen Auskunft, darüber, welche Therapien etwa bei Hautkrebs die grössten Erfolgschancen haben.
Thomas Gull und Roger Nickl
Krebsforschung
«Bei Hautkrebs ist es wichtig, möglichst schnell die richtige Therapie zu finden», sagt Immunologie Burkhard Becher. (Bild: iStock)

 

Burkhard Bechers Reich beginnt hinter einer Glastür auf dem Irchel-Campus der UZH. Der Immunologe ist in Aufbruchsstimmung. Geht es um Zukunftsperspektiven in der Medizin, sprüht er vor Zuversicht. Becher sagt Sätze wie: «Ich glaube fest daran, dass wir in 10 bis 15 Jahren Krebs nicht mehr als den Horror empfinden, der er heute ist.» Und: «Wir werden viele Krankheiten, die heute schwierig zu therapieren sind, viel besser behandeln können.»

Bei den gezielten Krebsbehandlungen gründet Bechers Zuversicht auf zwei Pfeilern: dem Potenzial von Immuntherapien und der Grundlagenforschung, wie sie an der UZH etwa Bernd Bodenmiller, Anita Rauch und er selbst betreiben. Dieser gelingt es immer besser und genauer, die biologischen Mechanismen, die für die Entstehung von Krebs verantwortlich sind, zu analysieren. «Wir können uns heute ein holistischeres Bild eines Patienten machen als früher, weil wir – etwa durch ausgefeiltere Analysen von Blut- und Gewebeproben – immer mehr Daten haben, die wir zusammenführen können», sagt Becher. Für den Immunologen sind die Daten und ihre Auswertung das  Fundament für die Präzisionsmedizin. Sie erlauben, individuellere Therapieentscheide zu treffen.

Präzisionsmedizin bedeutet dann beispielsweise, dass drei 50-jährige Männer mit der Diagnose schwarzer Hautkrebs unterschiedlich behandelt werden, weil sich ihre Krankheitsursachen bei genauer Betrachtung unterscheiden. «Je nachdem, ob Veränderungen eines bestimmten Eiweisses oder spezifische Genmutationen für die Krankheit verantwortlich sind, könnten sich die Ärzte dann für eine spezifische Immuntherapie entscheiden oder eine Behandlung wählen, die direkt auf den Gendefekt abzielt», sagt der Forscher.

Immuntherapie gegen schwarzen Hautkrebs

Auch für Burkhard Becher gehören Immuntherapien zu den grossen Hoffnungsträgern bei der Behandlung von Krebs. 2010 hat eine grosse Studie gezeigt, dass schwarzer Hautkrebs mit einer Immuntherapie erfolgreich behandelt werden kann. «Das war ein grosser Durchbruch», sagt Becher. Die Heilungsrate schnellte in die Höhe und liegt heute bei 40 bis 50 Prozent.

Gezeigt hat sich aber auch, dass Immuntherapien bei rund der Hälfte aller Patienten mit schwarzem Hautkrebs völlig wirkungslos sind. Burkhard Becher hat nun gemeinsam mit Forschern des Universitätsspitals Zürich mit Hilfe einer neuartigen Methode herausgefunden, welche Patienten voraussichtlich auf eine Immuntherapie ansprechen und welche nicht. Sie konnten Moleküle – so genannte Biomarker – identifizieren, die darauf schliessen lassen, ob eine  Behandlung anschlägt. Mit einem aufwändigen ultramodernen zytometrischen Verfahren haben die Wissenschaftler jede einzelne Zelle von Patientenblutproben auf bis zu 50 Eiweisse untersucht. Die dabei gewonnenen riesigen Datenmengen haben sie anschliessend mit Hilfe eines von Bioinformatikern entwickelten Algorithmus auf molekulare Muster hin untersucht. Diese Analyse erlaubte es den Forschern schliesslich, spezifische Blutprofile zu identifizieren, die auf einen Therapieerfolg hinweisen oder eben nicht. «Damit können wir den Anteil der Patienten, die von einer Immuntherapie profitieren, dramatisch erhöhen», ist Burkhard Becher überzeugt.

Tickende Zeitbombe

Zugleich lässt sich bei Patienten auch frühzeitig feststellen, ob eine Behandlung wirkungslos ist und damit nur Zeit vergeudet würde. «Hautkrebs ist eine tickende Zeitbombe», sagt Becher, «da ist es wichtig, möglichst schnell die richtige Therapie zu finden.» In einem nächsten Schritt soll nun ein Test entwickelt werden, der es Klinikern ermöglicht, einfach und schnell  Prognosen für den Therapieerfolg zu stellen.

 

Hautkrebs
Setzt für die Früherkennung von Hautkrebs erfolgreich auf Datenanalyse: Immunologe Burkhard Becher. (Bild: Marc Latzel)

 

Becher hat die Suche nach Biomarkern, mit denen sich Therapieerfolge bestimmen lassen, auf andere Krankheiten ausgeweitet. Momentan erforscht er in einem Forschungsprojekt des Swiss Personalized Health Network (SPHN), ob sich mit Hilfe von  molekularer Mustererkennung auch bei multipler Sklerose und Hautkrankheiten wie Psoriasis und  Sklerodermie frühzeitig Prognosen stellen lassen. Solche frühen Befunde wären ein wichtiger Schritt in Richtung Präzisionsmedizin.

Der Schlüssel für die Medizin der Zukunft liegt für den Immunologen Becher in der Verschmelzung von neuen zellulären und molekularen Informationen aus den Forschungslabors mit der Algorithmen-gestützten Datenanalyse. «Menschen neigen dazu, sich falsch zu entscheiden, das gilt auch für Ärzte», sagt er, «dagegen ermöglicht die digitale Mustererkennung ein hypothesenfreies Vorgehen.» Ein Computernetzwerk, das mit künstlicher Intelligenz ausgestattet ist, kann riesige Mengen von Gesundheitsdaten analysieren und auf diese Weise ein individuelles Profil, eine Art biologischen Fingerabdruck, eines Patienten zeichnen – für unseren Kopf eine schiere Unmöglichkeit. Aus diesem Profil können schliesslich objektive Hinweise auf die richtige Therapie abgeleitet werden, ist Becher überzeugt. Er geht davon aus, dass Ärzte in Zukunft vermehrt mit solchen intelligenten Computersystemen arbeiten werden, um dadurch gezielter und besser behandeln zu können. Und von der Immuntherapie erwartet er noch viel: «Die Erfolge in der Behandlung des schwarzen Hautkrebses waren ein erster Durchbruch, aber es geht noch besser», sagt Becher, «ich glaube, dass wir in Zukunft viele Krebsarten immuntherapeutisch behandeln werden.» Solche Erfolge gelingen dann, wenn Grundlagenforscher und Kliniker Hand in Hand arbeiten und so das Wissen aus den Labors schliesslich am Krankenbett ankommt – zum Nutzen der Patientinnen und Patienten.