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Zwischen Spitalbett und Statistik

Das neue Doktoratsprogramm «Clinical Science» der UZH hilft mit, die Klinische Forschung in der Schweiz zu stärken. Die Chirurgin Roxane D. Staiger ist eine der ersten Teilnehmenden.
Adrian Ritter
Untersucht als Doktorandin grundlegende Fragen zum Benchmarking in der Chirurgie: Roxane D. Staiger. (Bild: Adrian Ritter)

 

Die Mischung ist perfekt für Roxane D. Staiger: Einen Monat pro Semester arbeitet sie als Assistenzärztin mit den Patientinnen und Patienten der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsspital Zürich. Die restliche Zeit taucht sie in die Welt der Forschung ein. Roxane D. Staiger gehört zu den ersten Teilnehmenden des 2016 neu geschaffenen Doktoratsprogramms «Clinical Science» der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich.

Das PhD-Programm bietet eine strukturierte Ausbildung in medizinischen Forschungsmethoden wie Biostatistik und Epidemiologie. Gleichzeitig führen die Teilnehmenden während des dreijährigen Programms eine vertiefte klinische Forschung im medizinischen Bereich durch – mit gesunden Personen oder mit kranken Menschen, die ambulant oder stationär behandelt werden. Voraussetzung für eine Bewerbung ist ein Masterabschluss etwa in Medizin, Biomedizin, Biologie oder Psychologie. Das PhD-Programm startet jedes Semester und zählt derzeit 14 Teilnehmende.

Fragen aus der Praxis

Für Roxane D. Staiger war nach dem Medizinstudium und dem allgemeinen Doktorat der Medizinischen Fakultät (Dr. med.) zuerst klar, dass sie klinisch tätig sein und nicht in die Forschung gehen will. So war sie sieben Jahre als Assistenzärztin und Oberärztin an mehreren Spitälern tätig und liess sich zur Fachärztin für Chirurgie weiterbilden. Allerdings stiess sie in der Praxis immer wieder auf ähnliche Fragen: Warum haben gewisse Patienten nach einer Operation mehr Komplikationen als andere? Wie könnte die Behandlung weiter verbessert werden? «Mir war klar: Solche Fragen können nur durch Forschung beantwortet werden », sagt Staiger.

Als sie vom neuen PhD-Programm Clinical Science hörte, packte sie die Gelegenheit beim Schopf und bewarb sich: «Es motivierte mich, mit eigener Forschung etwas zur Verbesserung der Qualität der medizinischen Versorgung beitragen zu können.» So wechselte Roxane D. Staiger Anfang 2016 ihren Arbeitsort: vom GZO Spital Wetzikon an die Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsspital Zürich.

Betreut durch zwei hochkarätige Wissenschaftler: Roxane D. Staiger im Gespräch mit Milo Puhan (links) und Pierre-Alain Clavien. (Bild: Adrian Ritter)

Benchmarking in der Chirurgie

In ihrer PhD-Forschung widmet sie sich jetzt dem «Benchmarking in der Chirurgie». Das Ziel: Komplikationen nach Operationen reduzieren und damit die Lebensqualität der Patienten steigern. Das Team um Professor Pierre-Alain Clavien, Direktor der Klinik für Viszeral- und Transplantationschirurgie, beschäftigt sich seit Jahren damit, postoperative Komplikationen zu erfassen und zu kategorisieren. Die entsprechende Clavien-Dindo-Klassifikation wird inzwischen weltweit verwendet. Damit Komplikationen auch global verglichen werden können, wurde als weiterer Schritt der Comprehensive Complication Index entwickelt, welcher inzwischen ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Benchmarkings in der Chirurgie ist.

Das Benchmarking-Team von Pierre-Alain Clavien hat bereits drei internationale Benchmarks erarbeitet – in den Bereichen Leberchirurgie, minimal invasive Speiseröhrenchirurgie und Lebertransplantation.

Roxane D. Staiger ist Teil des Benchmarking-Teams. Sie untersucht im Rahmen ihres PhD insbesondere grundlegende Fragen: Wie kann Benchmarking angewendet werden? In welchen Fällen macht es Sinn? Welchen Mehrwert bringt es? Der aktuelle Fokus ihrer Forschung liegt auf dem Zusammenhang zwischen postoperativen Komplikationen und Gesundheitskosten.

Doppelt betreut

In ihrem derzeitigen Arbeitsleben bewegt sich Roxane D. Staiger zwischen Patientenbett und Statistikprogramm – an der Schnittstelle zwischen klinischer Erfahrung und Forschungsmethoden. Entsprechend hat die Doktorandin auch zwei Betreuungspersonen: Neben Pierre-Alain Clavien ist das Professor Milo Puhan, Direktor des Instituts für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der UZH. «Von zwei derart ausgewiesenen Forschern unterstützt zu werden, ist ein grosses Privileg. Mit ihrem unterschiedlichen wissenschaftlichen Hintergrund ergänzen sie sich hervorragend. Davon profitiere ich sehr», erzählt Staiger.

Gleichzeitig kommt der Doktorandin ihre eigene, langjährige klinische Erfahrung sehr zugute: «Ich kenne Komplikationen von Operationen aus erster Hand aus dem Spitalalltag. Diese Erfahrung ermöglicht es mir auch abzuschätzen, welches Studiendesign für Patienten und Spitalpersonal zumutbar ist. So kann ich Studien von Anfang an realitätsnah und damit auch qualitativ hochstehend planen.»

Die Politik fördert mit

«Ärztinnen und Ärzte sind aufgrund ihrer praktischen Erfahrung mit Patienten sehr gut qualifiziert dafür, klinische Forschung durchzuführen. Deshalb möchten wir noch mehr Mediziner für den PhD Clinical Science gewinnen», sagt Malcolm Kohler, Direktor der Klinik für Pneumologie am USZ und Direktor der Doktoratsprogramm-Kommission Clinical Science.

Dass mehr klinische Forschung nötig ist, ist auch auf politischer Ebene unbestritten. Das Bundesamt für Gesundheitswesen unterstützt die Stärkung der klinischen Forschung mit einer entsprechenden Roadmap.

Roxane D. Staiger kann sich gut vorstellen, in ein paar Jahren wieder in einem grösseren Umfang klinisch tätig zu sein. Allerdings würde sie dies mit Forschung kombinieren wollen und ihr Wissen auch an die Nachwuchsmedizinerinnen und -mediziner im Spital weitergeben wollen.