Navigation auf uzh.ch
Video in höherer Auflösung auf YouTube ansehen
Weniges vermag einen so unmittelbar zu berühren wie der Klang einer schönen Stimme. Doch der Zauber hat seinen Preis. Wenn Stimmarzt Jörg Bohlender den Sängerinnen und Sängern, die sich ihm anvertrauen, in den Hals schaut, zeigt sich ihm die Kehrseite des Wohlklangs: Knötchen, Ödeme und andere Verdickungen der Stimmlippen legen ein Zeugnis davon ab, wie gross die Strapazen sind, die der heutige Musikbetrieb den Bühnenprofis abfordert.
Jörg Bohlender behandelt Primadonnen und Startenöre aus ganz Europa. Er ist Leiter der Abteilung Phoniatrie und Klinische Logopädie am Universitätsspital Zürich und Lehrbeauftragter an der Medizinischen Fakultät der UZH. Wenn Opernstars kurz vor einem Auftritt Stimmprobleme bekommen, zum Beispiel wegen einer viralen Infektion, muss er heikle Entscheidungen treffen. Eine starke Cortison-Spritze kann kurzfristig Abhilfe schaffen und einen teuren Ausfall verhindern. Ein Auftritt in geschwächtem Zustand ist aber für Sängerinnen und Sänger nicht ohne Risiko. Im schlimmsten Fall wird die Stimme dauerhaft beschädigt. Das bedeutet dann das Ende einer Karriere.
Viele Sängerinnen und Sänger, stellte Bohlender im Talk im Turm fest, würden im hektischen Musikbetrieb früh verheizt; es fehle an der nötigen Zeit, die Stimme reifen zu lassen. Das sieht auch Laurenz Lütteken so: Früher hätten sich junge Sängerinnen und Sänger kontinuierlich im Gefüge fester Ensembles entwickeln können. Heute dagegen seien sie häufig schon unmittelbar nach Abschluss der Ausbildung gezwungen, von Engagement zu Engagement zu hetzen, obwohl sie stimmmlich für solche Strapazen noch gar nicht bereit seien.
Der zweite Teil des von Roger Nickl und Thomas Gull geleiteten Podiumsgesprächs drehte sich um Mozart. Laurenz Lütteken, Professor am Musikwissenschaftlichen Institut der UZH, berichtete über das Buch, an dem er gerade arbeitet. Es soll Mozart als Intellektuellen zeigen.
Das stark von Milos Formans «Amadeus»-Film geprägte Klischeebild von Mozart als überdrehtem Hallodri, dem die kompositorischen Geniestreiche spontan und unkontrolliert aus der Feder fliessen, erfährt in Lüttekens Darstellung eine gründliche Korrektur. Mozart habe «hart und diszipliniert gearbeitet». Darüber hinaus sei er sehr belesen gewesen, habe viel und gut geschrieben und sei in Wiener Intellektuellenkreisen bestens vernetzt gewesen.
Lütteken zeigte sich fasziniert davon, wie sich Mozarts Interesse an philosophischen und gesellschaftlichen Fragen in seinen Kompisitionen spiegelt. Mozart habe die Musik als ein Medium für die Auseinandersetzung mit grossen zeitgenössischen Debatten entdeckt und eingesetzt – und sie so der Philosophie angenähert.