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Hirnforschung

Wie Traumata das Verhalten prägen

Traumatische Erlebnisse in der Kindheit erhöhen das Risiko für eine Reihe psychischer Krankheiten. Zu einem gewissen Grad können sie aber helfen, im späteren Leben besser mit schwierigen Situationen umzugehen. Forschende haben an Mäusen untersucht, wie sich solche Effekte auch auf die nächste Generation übertragen.
Angelika Jacobs
Untersucht die genetischen Grundlagen der Übertragung von Traumata: Isabelle Mansuy, Professorin für Neuroepigenetik der Universität und ETH Zürich.  (Foto: zVg)

Traumatische Erlebnisse hinterlassen ihre Spuren. Menschen, die in frühester Kindheit Schlimmes erfahren haben, leiden häufiger unter psychischen Erkrankungen wie dem Borderline-Syndrom oder Depressionen. Allerdings können solche schlimmen Erlebnisse unter gewissen Umständen auch positive Auswirkungen haben. So scheint leichter bis mittelschwerer Stress in der frühen Kindheit Betroffenen zu helfen, Strategien zu entwickeln, um im späteren Leben besser mit Stress umzugehen.

In der Psychologie und Psychiatrie ist schon länger bekannt, dass negative Folgen eines Traumas  auch noch bei den Kindern der Betroffenen auftreten können. Die molekularen Mechanismen hinter dieser Vererbung kommen erst langsam zutage. Ein Forscherteam um Isabelle Mansuy, Professorin für Neuroepigenetik der Universität und ETH Zürich, hat nun erstmals an Mäusen untersucht, inwiefern sich auch die positiven Effekte von Stress auf die Nachfolge-Generation übertragen (Publikation in Nature Communications).

Flexibler reagieren

Die Forschenden setzten neugeborene Mäusemännchen traumatischem Stress aus, indem sie sie in unregelmässigen Abständen von ihren Müttern trennten. Zusätzlich setzten sie die Muttertiere extremem Stress aus. Dann untersuchten sie in Tests das Verhalten der herangewachsenen Mäuse und ihrer Nachkommen im Vergleich zu Kontrolltieren, die weder selbst noch in der Elterngeneration Stress erfahren hatten. Tatsächlich konnten die Nachkommen der gestressten Tiere auf komplexe Aufgaben effizienter reagieren als die Kontrollmäuse.

Beispielsweise passte sich der Nachwuchs gestresster Väter besser an sich unvorhersehbar ändernde und komplexe Regeln einer Aufgabe an, um bei Durst eine Ration Wasser zu erhalten. Sie reagierten also flexibler. Bei einem anderen Test sollten sie nach einem Lichtsignal die Schnauze in eine Öffnung stecken, allerdings mit einer vorgegebenen zeitlichen Verzögerung von 6, 12 oder 18 Sekunden.

Bei der längsten Verzögerung von 18 Sekunden, was eine sehr schwierige Aufgabe darstellt, schnitten die gestressten Mäuse und ihr Nachwuchs besser ab als die Kontrolltiere. Dies interpretieren die Forschenden als ein verbessertes zielorientiertes Verhalten in schwierigen Situationen.

Da die Mäuseväter getrennt von ihrem Nachwuchs und deren Müttern gehalten wurden, können die Jungtiere das Verhalten nicht erlernt haben, sondern müssen es auf molekularem Wege über die Keimzellen vererbt erhalten haben.

Markierte Gene

Um herauszufinden, wie genau es zum veränderten Verhalten kommt, und wie es sich auf die nächste Generation überträgt, untersuchten die Forschenden die Aktivität eines Gens, für dessen Zusammenhang mit Verhaltensflexibilität es bereits Hinweise gibt. Sowohl im Gehirn als auch in Spermien der gestressten Tiere fand das Team um Mansuy veränderte, sogenannte epigenetische, Markierungen an diesem Gen, welche festlegen, wie stark es abgelesen wird.

Die veränderten Markierungen übertragen sich vermutlich durch die Spermien auch auf die Nachfolgegeneration und könnten somit für deren verändertes Verhalten mitverantwortlich sein. Bei dem Gen handelt es sich um die Erbinformation für den Mineralocorticoid-Rezeptor, der Signalstoffe wie das Stresshormon Cortison bindet und daraufhin eine Signalkaskade in Nervenzellen auslöst.

Probleme überwinden helfen

«Unsere Ergebnisse zeigen, dass Umwelteinflüsse das Verhalten verändern, und sich diese Veränderungen auch auf die Nachfolge-Generation übertragen können», erklärt Mansuy. Die Erkenntnis, dass sich nicht nur die Anfälligkeit für psychische Störungen von traumatisierten Eltern auf ihre Kinder überträgt, sondern auch das verstärkte zielorientierte Verhalten in schwierigen Situationen, könnte auch für die Klinik interessant sein. Um Probleme wie Depressionen zu überwinden, könnten Ärzte den Betroffenen helfen, allenfalls auf Stärken wie diese zu bauen. Auch liefern die Ergebnisse zu den Veränderungen des Mineralcorticoid-Rezeptor-Gens wichtige Hinweise dafür, dass dort ein Ansatzpunkt für zukünftige Medikamente liegen könnte.

«Wir sagen keinesfalls, dass frühkindliche Traumata etwas Positives sind», betont Mansuy. Ihre Studie an Mäusen zeige aber auf, wie extremer Stress das Gehirn und damit das Verhalten über Generationsgrenzen hinweg verändern könne, sowohl was negative als auch gewisse positive Aspekte angehe.