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Komplementärmedizin

Die Widerstandskraft stärken

Die Medizinerin Claudia Witt hat Anfang 2014 den Lehrstuhl für Komplementär- und Integrative Medizin an der UZH übernommen. Sie setzt neue Schwerpunkte: So will sie etwa die Wirkung der Akupunktur und der Mind-Body-Medizin nach streng wissenschaftlichen Vorgaben erforschen.
Marita Fuchs
Will herausfinden, was die Wirkung der Akupunktur beeinflusst: Professorin Claudia Witt.

Kann Akupunktur Schmerzpatienten helfen? Ist eine Achtsamkeitsmeditation sinnvoll für Krebspatienten? Diese Fragen beschäftigen viele Menschen. In der Schweiz wird die Komplementärmedizin besonders geschätzt. Laut Umfragen macht jeder zweite Gebrauch davon.

Seit 1994 hat die Universität Zürich einen Lehrstuhl für Naturheilkunde, als einzige in der Schweiz. Damit trägt die medizinische Fakultät dem Bedürfnis Rechnung, komplementärmedizinische Therapien mit wissenschaftlichen Methoden auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Zuvor hatte der Spezialist für Pflanzenmedizin, Reinhard Saller, den Lehrstuhl inne. Gleichzeitig mit der Übergabe an Nachfolgerin Claudia Witt wurde der Lehrstuhl in «Komplementär- und Integrative Medizin» umbenannt.

Die Ärztin und Epidemiologin Claudia Witt hat einen beachtlichen Leistungsausweis: An der Charité in Berlin hat sie den Forschungsbereich Komplementärmedizin aufgebaut und auch ihre Forschung zur Akupunktur hat in der Medizinergemeinde grosse Beachtung gefunden.

Akupunktur hilft bei chronischen Schmerzen

Mit ihren Studien zur Akupunktur ging sie drei Fragen nach: Wie sicher, wie wirksam und wie kosteneffektiv ist die Akupunktur? In mehreren Einzelstudien, mit fast 50'000 Patienten und 10'000 Ärzten, die eine Zusatzausbildung in Akupunktur absolviert hatten, konnte Witt belegen, dass eine zusätzliche Akupunkturbehandlung nur wenig Nebenwirkungen hat, chronische Schmerzen reduziert und kosteneffektiv ist.

In weiteren vier Studien mit Patienten, die an chronischen Schmerzen litten, haben Witt und ihr Berliner Team herausfinden wollen, ob ein Unterschied zwischen Akupunktur und der so genannten Scheinakupunktur auszumachen ist. Bei der Scheinakupunktur handelt es sich um ein oberflächliches Stechen der Nadeln, nicht an den sonst üblichen Akupunkturpunkten. 

Grosser Placeboeffekt

An den Studien beteiligt waren Schmerzpatienten mit Migräne, Spannungskopfschmerz, Kniegelenkschmerzen und Lendenwirbelschmerzen. Die einen erhielten eine normale Akupunktur, die Kontrollgruppe eine Scheinakupunktur. Interessant ist, dass alle beteiligten Patienten über eine starke Schmerzlinderung berichteten, – auch die Patienten, die nur eine Scheinakupunktur erhalten hatten. «Wir wissen aus weiteren Studien, dass die Erwartungen des Patienten, aber auch die Interaktion zwischen Arzt und Patient, dazu beitragen, dass die Akupunktur als stark schmerzlindernd empfunden wird», bilanziert Witt.

Interessant ist, dass nur bei den Patienten mit Kniegelenkschmerzen ein statistisch aussagekräftiger kleiner Unterschied zwischen richtiger und Scheinakupunktur nachgewiesen werden konnte. Warum gerade bei diesen Patienten? Witt vermutet: «Diese Patienten haben meist ein Röntgenbild ihres Knies gesehen, sie wissen um die Deformation und erwarten von der Akupunktur keine Heilung. Das könnte den Ausschlag gegeben haben, dass der Placeboeffekt nicht so stark wirkt.»

Mit Kollegen aus den USA und England hat Witt eine neue Meta-Studie mit 18'000 Patienten aus 29 Studien durchgeführt. Dabei war die Akupunktur sowohl der Scheinakupunktur wie auch der schulmedizinischen Therapie überlegen. 

Bildgebende Verfahren nutzen

Witt will jetzt in Zürich weiter im Bereich Akupunktur arbeiten, um herauszufinden, worin die schmerzlindernde Wirkung der Akupunktur genau begründet ist. Dabei möchte sie auch bildgebende Verfahren einbeziehen und das Nadeln und dessen Auswirkungen im Gehirn nachverfolgen.

Doch nicht nur die Akupunktur steht im Fokus von Claudia Witt: Sie möchte auch die Wirksamkeit komplementärmedizinischer Massnahmen im Bereich der «Self Care» erforschen und geht dabei etwa der Frage nach, ob eine App mit Entspannungsübungen Rücken- oder Nackenschmerzen reduziert. Die Forscherin interessiert sich auch für Massnahmen, die unter dem Überbegriff der «Mind-Body-Medizin» zusammengefasst werden, etwa Achtsamkeitsmeditation oder Yoga. In der Poliklinik des Instituts für komplementäre und integrative Medizin am Universitätsspital Zürich betreut sie auch Patienten und macht komplementärmedizinische Ergänzungsangebote.

Klinik und Forschung verknüpfen

Alle Forschungsschwerpunkte sollen eng mit dem klinischen Angebot verknüpft sein – zum Nutzen der Patienten. «Wir haben zum Beispiel Krebspatienten, denen wir Mind- Body-Medizin anbieten», erzählt die engagierte Medizinerin, die selbst viel Erfahrung im Bereich von Entspannung und Bewegung hat. «Ich sehe meine Aufgabe auch darin, den Patienten zu helfen, ihre Resilienz zu stärken», sagt sie.

Claudia Witt hat noch eine Teilprofessur an der US-amerikanischen University of Maryland inne und begleitet ihre Forschungsgruppe in Berlin weiterhin. Auf die Frage, wie sie das alles schafft, muss sie schmunzeln. «Ich habe gelernt, gut mit Stressoren umzugehen», sagt sie. Sie mache regelmässig Entspannungsübungen und geniesse es, mit Blick auf den Zürichsee zu joggen.