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Alternativer Nobelpreis 2014

Ein Leben für die Menschenrechte

Asma Jahangir setzt sich seit über dreissig Jahren für die Schwächsten der pakistanischen Gesellschaft ein. Die Menschenrechtsanwältin wurde dafür mit dem Alternativen Nobelpreis 2014 ausgezeichnet. Am Dienstag hatte sie an der Universität Zürich einen bewegenden Auftritt.
Ursula Schwarb
Unerschrockene Kämpferin für Menschenrechte: Asma Jahangir bei ihrem Auftritt in der Aula der Universität Zürich. (Bild: Ursula Schwarb)

Sie wirkt zierlich, zurückhaltend und hat meist ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Auf den ersten Blick würde man nicht vermuten, dass diese Frau auf Pakistans Strassen lautstark gegen das Militärregime demonstriert hat und unter lebensbedrohenden Umständen für Menschenrechte und Demokratie kämpft. Die Rede ist von Asma Jahangir, Pakistans führende Menschenrechtsanwältin. Sie hat kürzlich zusammen mit Edward Snowden und drei weiteren Persönlichkeiten den Alternativen Nobelpreis oder Right Livelihood Award 2014 erhalten. Während Snowden in aller Munde ist, weiss man von Asma Jahangir wenig – zu wenig. An der 7. Right Livelihood Award Lecture vom letzten Dienstag an der UZH konnte man sie kennenlernen. Philippe Welti, der ehemaligen Schweizer Botschafter in Iran und Indien, führte durchs Gespräch.

Unbeirrbare Kämpferin

Sie wurde niedergeschlagen, überfallen, ins Gefängnis gesteckt und mit dem Tod bedroht. Dies alles, weil sie sich für die Schwächsten der pakistanischen Gesellschaft, für Frauen, Kinder, religiösen Minderheiten und Arme einsetzt. Was brachte Asma Jahangir dazu, sich unbeirrt gegen ein diktatorisches Militärregime zu stellen und ihr Leben für andere aufs Spiel zu setzen? Da war zuerst ihr Vater, der das Regime in den 1960/70er-Jahren offen kritisierte und dafür mehrere Jahre im Gefängnis oder unter Hausarrest verbrachte. Dann war da ein 13-jähriges, blindes Mädchen, das von seinen Arbeitgebern vergewaltigt, geschwängert – und dann wegen Unzucht angeklagt, öffentlich ausgepeitscht und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Schliesslich erzählte Jahangir noch von einem 14-jährigen Jungen, einem Angehörigen der christlichen Minderheit in Pakistan, welcher für eine Kleinigkeit der Blasphemie bezichtigt und zum Tod verurteilt wurde.

Diese und weitere Vorfälle waren der Grund, weshalb Asma Jahangir bereits als junge Frau Menschenrechtsaktivistin und Anwältin wurde, die Benachteiligte erfolgreich vor Gericht vertrat oder Institutionen wie das erste Zentrum für Rechtshilfe in Pakistan aufbaute und Anlaufstellen für Bedrohte und Bedürftige schuf.

Islamisierung, Terrorismus und Wandel

«What kind of people are those, who want to see a 14 year old Christian boy hanging?», rief Jahangir am Dienstag bei ihrer Rede in der UZH-Aula ins Publikum. Diese Frage offenbart nicht nur das, was sie aus menschlicher Sicht empört und antreibt. Diese Frage zielt auch auf die Kräfte, welche in ihrem Heimatland Pakistan wirken. Asma Jahangir erwähnte die Politisierung des Islam (Islamisierung), die dazu geführt habe, dass diskriminierende Gesetze gegen Frauen und religiöse Minderheiten erlassen und Menschenrechtsverletzungen gerechtfertigt worden seien. Sie kam auf Armut, Extremismus und Terrorismus zu sprechen, und sie kritisierte die Unfähigkeiten der Politiker, das Land gut zu führen.

Doch welchen Effekt hat ihr bisheriges, über dreissig Jahre währendes, mutiges Engagement? «There is change», sagte sie. 2008 wurde die vierte Militärdiktatur abgelöst; Pakistan entwickelt und demokratisiert sich, wenn auch sehr langsam. Während Frauen in den 1980er-Jahren zum Beispiel noch keinen Platz im öffentlichen und politischen Leben hatten, besteht heute ein Drittel des Parlaments aus Frauen – «and you will see, they will take up the whole parlament» ergänzte Jahangir verschmitzt.

Nach wie vor ein unsicheres Umfeld

Trotzdem liest man nach wie vor von unbegründeten Verhaftungen, undurchsichtig geführten Prozessen, willkürlichen Anzeigen aufgrund des Blasphemie-Gesetzes oder von Ehrenmorden an Frauen. Auch Jahangir selbst, die 2010 zur ersten weiblichen Vorsitzenden der Supreme Court Bar Association, der Anwaltskammer beim Obersten Gerichtshof, gewählt wurde, ist vor Repressionen und Gewalt nicht sicher. Doch sie setzt ihren Weg fort, mit dem Ziel glaubwürdig, kompetent, verlässlich und weiterhin für diejenigen, die sie benötigen, erreichbar zu sein. Und sie versichert: «When the government makes a wrong policy, I will be the first to criticize it.»

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