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Abschied von der Generation 48

«Unsere Fakultät ist heute sehr weltoffen»

Diesen Sommer wurden mehrere Professoren emeritiert, die alle 1948 geboren sind und die Universität Zürich lange Jahre durch ihre Forschung und Lehre geprägt haben. Einer von ihnen ist Martin Janssen, emeritierter Professor für Finanzmarktökonomie. UZH News hat ihn nach seinen Erfahrungen und nach der Zukunft seines Faches befragt.
Marita Fuchs

Erlebte in den 1970er Jahren an der Universität Zürich eine «politisch aufgeladene Stimmung»: Finanzmarktökonome Martin Janssen.

Herr Janssen, in den 70er Jahren haben Sie Ihre wissenschaftliche Laufbahn begonnen. Was war typisch für diese Zeit?

Damals hatte man als Student mehr Selbstverantwortung, das Studium war weniger strukturiert, und man hatte weniger Prüfungen. Doch die Studierenden waren nach meiner Ansicht nicht weniger engagiert als heute.

Schon während des Studiums habe ich gern unterrichtet. Deshalb arbeitete ich als Tutor, später – nach meinem Lizenziat – hatte ich einen Lehrauftrag inne und habe Proseminare geleitet.

An der UZH herrschte Anfang der 70er Jahre eine aufgeladene politische Stimmung. Ich erinnere mich, dass die Universität sogar einmal geschlossen werden musste. Die Studenten wollten in allen Lehrveranstaltungen die politischen Verhältnisse diskutieren. Ich habe mich immer bereit erklärt dazu, aber nur in der letzten halben Stunde des Proseminars. Interessanterweise ist es nie dazu gekommen. Der Stoff war halt doch interessanter.

1976 ging ich in die USA und habe mich an der University of Rochester (N.Y.) Mikroökonomie, Statistik und Finanzmarktökonomie weiter gebildet und an meiner Habilitation gearbeitet. Daneben habe ich vor allem die Seminare von Karl Brunner besucht, von dem ich sehr viel gelernt habe.

Als ich 1977 mit frischen Ideen nach Zürich zurückkam, hielt sich die Begeisterung für die Finanzmarktökonomie sowie für Fragen aus «Law and Economics» in Grenzen. Ich durfte das auch nicht unterrichten. Etwa ab 1990 änderte sich das dann fundamental. Heute empfinde ich unsere Fakultät als weltoffen. Sie steht auch in vielen Fachgebieten im internationalen Vergleich sehr gut da.

Nach meiner Habilitation habe ich die Firma ECOFIN, ein Beratungs- und Software-Unternehmen, gegründet. Sie war eine der ersten Spin-offs der UZH. Die Firma war und ist erfolgreich und in der Indexberechnung, in der Strukturierung von Finanzdaten, in der Entwicklung von Beratungs-Software, aber auch in der Beratung grosser institutioneller und privater Anleger tätig. Heute beschäftigt die ECOFIN-Gruppe etwa 50 Mitarbeiter, Ökonomen, Software-Ingenieure, Mathematiker und Physiker.

Trotz meiner unternehmerischen Tätigkeit habe ich – zunächst als PD, später als Titular- und Ausserordentlicher Professor – jedes Semester an der UZH gelehrt. Ich bin davon überzeugt, dass die Studierenden profitieren können, wenn jemand mit wissenschaftlichem Hintergrund einen Bezug zur Praxis herstellen kann.

Welches war für Sie das schönste Erlebnis in Ihrer Zeit als Professor?

Am meisten Spass hat mir die Arbeit mit den Studierenden bereitet. Ich bin in den Seminaren oft von ganz praktischen Problemen ausgegangen. Etwa von der Frage, wie man Parkplätze in einer Stadt organisiert oder wie Banken gute Anlageberatung anbieten können. Unter Berücksichtigung der theoretischen Vorgaben haben wir dann gemeinsam erarbeitet, wie ein Volkswirtschaftler diese Frage beantworten würde.

Auf welche zukünftigen Entwicklungen in Ihrem Fach sind Sie besonders gespannt?

Seit 2007 erleben wir mannigfache Krisen: Staatsverschuldung, Eurokrise, Bankenkrise, Rechtskrise, Strukturkrise. Letztere sieht man vor allem auf den Arbeitsmärkten. Mehr als 10 Prozent aller Europäer haben keine Arbeit und in vielen Ländern liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 50 Prozent. Eigentlich weiss man als Ökonom, wie dem zu begegnen ist. Aber gemacht wird das nicht. Vielmehr werden die Probleme mit Zentralbankgeld zugedeckt. Das wird die Probleme nicht lösen, sondern uns tiefer ins Schlamassel führen. Es wird eine schwierige Zeit für Europa werden. Ich bin sehr gespannt, wie die Zentralbanken und die Politiker mit diesen Problemen umgehen werden.

Ich bin auch gespannt, ob Vorschläge gegen die Krisen, die aus der Wissenschaft kommen, in die Politik einfliessen werden.

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