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Steuern

Die Steuergerechtigkeit als Ziel der Sozialpolitik

Die Schweiz ist in mancher Hinsicht ein Paradies - auch punkto Steuern. Doch wer profitiert? Und welche Art der Besteuerung ist gerecht? Diesen Fragen widmet sich bis zum 27. Mai jeden Donnerstagabend die Ringvorlesung «Steuern und umverteilen» an der Universität Zürich.
Gisela Hürlimann

Das Thema der interdisziplinären Ringvorlesung «Steuern und umverteilen» der Universität und der ETH Zürich könnte aktueller kaum sein. Stichworte dazu: Steuerstreit mit Deutschland, Steuerabkommen mit den USA, Bankgeheimnis, Steuerwettbewerb oder Ökosteuern.

Jakob Tanner (l.) und René Matteotti: Für eine effiziente Steuerkontrolle fehlt das Personal.

Jakob Tanner, Professor für die Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich, begann die Reihe, die insgesamt elf Vorträge umfasst und bis zum 27. Mai dauert, mit einem Referat zur «Geschichte des schweizerischen Steuersystems». Für den Zürcher Historiker ist klar, dass die Anfänge der aktuellen Probleme der Schweiz mit der Steuerflucht bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges zurückreichen.

Hinter die gängige Meinung, dass die Steuermoral in der Schweiz besonders gut sei, setzte Tanner ein grosses Fragezeichen. Weil das Personal für eine effiziente Steuerkontrolle fehle, sei früher wie heute der Grad der «Steuerhinterziehung auch im Inland hoch».

Obwalden und die Folgen

Diesen Befund illustrierte auch René Matteotti, Ordinarius für Steuerrecht an der Universität Bern, in seinem Referat von letzter Woche. Die steuerliche Leistungsfähigkeit bilde das A und O der Steuergerechtigkeit. Mit dem Entscheid gegen degressive Steuertarife im Kanton Obwalden habe das Schweizerische Bundesgericht die Steuergerechtigkeit «massiv gestärkt», so Matteotti.

Auch zur Unternehmenssteuerreform II hatten sich die Bundesrichter kritisch geäussert mit der Begründung, die reduzierte Dividendenbesteuerung verletze die Steuergerechtigkeit.

Allerdings habe hier «schon der Gesetzgeber gesündigt», wie Matteotti zu bedenken gab. Und spielte damit auf die Tatsache an, dass mit Steuerpolitik oft auch Standortwettbewerb betrieben werde. Ein durchaus legitimes Ziel, solange damit keine doppelten Standards gesetzt würden.

Damit war das Thema der «transnationalen» Steuergerechtigkeit lanciert. Und hier stellte Matteotti der Schweiz kein gutes Zeugnis aus: Wenn Staaten, wie die USA oder Deutschland, Auskunft zu Schweizer Bankkonten verlangten, auf denen sich hinterzogene Vermögen ihrer Landsleute befinden, dann würden sie schlicht dem Prinzip der Leistungsfähigkeit folgen.

In der anschliessenden Diskussion gingen die Meinungen zur Steuermoral in der Schweiz weit auseinander. Trotz der erwähnten Bundesgerichtspraxis gelangte ein Zuhörer zu einem kritischen Fazit: Fast überall wurden die Erbschaftssteuern für direkte Nachkommen abgeschafft – mit direkten Auswirkungen auf die äusserst ungleiche Vermögensverteilung in der Schweiz.

Ökosteuern statt Mehrwertsteuer

Zum aktuellen Steuerstreit hatte sich in der Vorwoche bereits der Ökonome Anselm Görres vom deutschen Forum für eine Ökologisch-Soziale Markwirtschaft geäussert. Sein engagiertes Plädoyer galt Ökosteuern – Steuern also, die dem Prinzip der Generationen- und Verbrauchergerechtigkeit gehorchen.

Entsprechend gut kam beim Publikum der aktuelle politische Vorschlag zur Abschaffung der Mehrwertsteuer und ihrem Ersatz durch Ökosteuern an.