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Werner Krauss-Preis für UZH Romanisten

Fürstenspiegel im Sprachentigel

Der Islamwissenschaftler und Romanist Hans-Jörg Döhla ist für seine Arbeit zur Überlieferungsgeschichte einer altindischen Fabelsammlung mit dem Werner Krauss-Preis ausgezeichnet worden. Der Preis wurde Mitte März erstmals in Tübingen vom deutschen Hispanistenverband vergeben.
Marita Fuchs
Untersuchte die komplexe Überlieferungsgeschichte des «Panchatantra», Islamwissenschaftler und Romanist Hans-Jörg Döhla

Das «Panchatantra», eine Geschichten- und Fabelsammlung aus dem Altindischen, gehört zur Weltliteratur. Insbesondere im arabischen Raum stiessen die Fabeln auf eine grosse Resonanz und wurden schon früh übersetzt. Im Laufe der Zeit kamen zu den Ursprungserzählungen neue Geschichten hinzu, die unter dem Namen «Calila e Digna» (ar. Kalila wa-Dimna) bekannt wurden. Über die Mauren gelangte die Fabelsammlung auch nach Spanien, wo sie der spätere König Alfons X. 1251 aus dem Arabischen ins Altkastilische übersetzen liess.

Die komplexe Überlieferungsgeschichte des «Panchatantra» hat Hans-Jörg Döhla in seiner nun ausgezeichneten Dissertation untersucht. Als Romanist und Islamwissenschaftler interessierte ihn dabei vor allem die Übertragung aus dem Arabischen ins Altkastilische. Zwei voneinander unabhängige altkastislische Manuskripte hat er minutiös angeschaut und mit arabischen Versionen des «Panchatantra» verglichen.

Teuer oder schwieriger werden?

«Durch den Vergleich mit der arabischen Vorlage habe ich einen neuen Zugang zu den Texten gefunden», erzählt er. «Einzelne Wörter bekamen einen anderen Sinn, so dass sich zum Teil die Bedeutung ganzer Passagen änderte.» So wurde zum Beipiel «encaresçer», bisher immer mit «teuer werden» übersetzt; im arabischen ist die Bedeutung jedoch «schwieriger werden».

Döhla hat nun im Anhang seiner Dissertation ein Glossar mit neuen Sinndeutungen erstellt. Sie helfen, das Verständnis der altkastilischen Semantik zu erweitern und sind ein Fundus für die Interpretation weiterer Texte.

Für seine Arbeit zog Döhla in einigen Fällen auch hebräische und lateinische Versionen zu Rate. «Trotzdem konnte ich nicht alle Stellen klären», sagt Döhla. «Es bleiben dunkle Passagen; Textstellen, die sich trotz Deutung nicht richtig übersetzen lassen.»

Szene aus dem Panchatantra.

Erkenne die Absichten von Freund und Feind

Döhla untersuchte ebenfalls die Erzählstruktur der Fabeln. Dabei ist das Schema immer gleich: Ein König fragt seinen Philosophen, wie er sich in bestimmten Fällen verhalten soll. Der Philosoph antwortet in Form einer Geschichte und innerhalb dieser Geschichte werden wieder Geschichten erzählt. Wie etwa in der Fabel vom Schakal und vom Stier: der Schakal will am Königshof den guten Stier loswerden. Er intrigiert, spricht schlecht über den Stier beim König und beim Stier schlecht über den Herrscher. Die Protagonisten der Geschichte sind hilflos und keiner erkennt, dass der Stier eigentlich voller Güte ist.

Die Fabeln vermitteln lebenskluge Erkenntnisse. «Die Sammlung ist ein so genannter Fürstenspiegel. Solche wurden speziell für die Erziehung von Prinzen am Hofe benutzt, um ihnen die Kunst der Verwaltung und weltliche Weisheiten zu vermitteln», erklärt Döhla. «Die jungen Regenten sollten lernen, durch kluge Beobachtung heraus zu finden, was der Gegner oder auch Freund im Schilde führt». Die Kombination aus volkstümlicher Fabel und politischem Lehrbuch sei damals neu gewesen.

Noch immer beliebt

Doch «Kalila wa-Dimna» hat seine Beliebtheit bis heute behalten. «Das liegt auch an dem reichen Wortschatz der Geschichten, der schönen Sprache in bestem Arabisch», erklärt Döhla. Nach wie vor werden die Geschichten im asiatischen und arabischen Raum in Schulen und Koranschulen gelehrt. Erst kürzlich fand er in einer Buchhandlung in Kairo die Fabeln in einem Kinderbuch für Kindergartenkinder.

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