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Krebsforscher Giancarlo Marra ausgezeichnet

Der Molekularbiologe Giancarlo Marra erforscht seit über 20 Jahren die Ursachen von Darmkrebs. Jetzt wurde er von der Krebsliga Zürich mit dem Forschungspreis ausgezeichnet.
Theo von Däniken

Nicht oft tauchen Krebsforscher in den Gesellschaftsspalten der Medien auf. Giancarlo Marra, Gastroenterologe und Molekularbiologe am Institut für Molekulare Krebsforschung der Universität Zürich, war jedoch kürzlich zusammen mit Film-Stars und Show-Prominenz an der Premiere des Schweizer Films «Hello Goodbye» – einem Drama über einen Lungenkrebskranken – zu sehen.

Giancarlo Marra wurde für seine wissenschaftliche Arbeit und seine Verdienste um die Verbindung zwischen Grundlagenforschung und Klinik mit dem Jubiläums-Forschungspreis der Krebsliga Zürich ausgezeichnet.

Es war aber nicht die Glamour-Welt des Films, die den Forscher ins Kino lockte. Marra war dort, um aus den Händen von Professor Victor Meyer, Präsident der Krebsliga Zürich, den Forschungspreis der Zürcher Krebshilfe in Empfang zu nehmen. Mit dem Preis, verliehen aus Anlass ihres 50-Jahr-Jubiläums, würdigt die Zürcher Krebshilfe die Arbeit Marras, der sich seit den 80-er Jahren der Erforschung des Darmkrebses widmet.

Verbindung zwischen Grundlagenforschung und Klinik

«Das war nicht wirklich eine wissenschaftliche Veranstaltung», schmunzelt Marra, auf die Filmpremiere angesprochen, «aber solche Verpflichtungen gehören zum Beruf. Es ist wichtig, dass wir unsere Arbeit in der Öffentlichkeit bekannt machen.» Auch wenn er Grundlagenforschung betreibt, so hat Marras Arbeit grosse Bedeutung für die klinische Anwendung in der Diagnose und Prävention von Darmkrebs. Ausgezeichnet wurde Marra deshalb auch «in Anerkennung seines unermüdlichen Einsatzes um die enge Verbindung zwischen Grundlagenforschung und Klinik», wie es in der Begründung heisst.

Darmkrebs gehört in der Schweiz zu den drei häufigsten Krebsarten, sieht man vom grösstenteils durch Rauchen verursachten Lungenkrebs ab. Rund 3000 bis 4000 Fälle gibt es jedes Jahr. Normalerweise tritt er ab dem 60. oder 70. Altersjahr auf. In rund zwanzig Prozent der Fälle ist eine genetische Veranlagung der Grund für den Dickdarmkrebs, die wichtigste Form davon ist der so genannte Hereditary Nonpolyposis Colon Cancer, kurz HNPCC, mit dem sich Marra hauptsächlich befasst.

Fehlender Korrektur-Mechanismus

HNPCC hängt mit einem Defekt der so genannten Fehlpaarungsreparatur (Mismatch Repair, MMR) zusammen. Dabei ist die Fähigkeit einer Zelle gestört, Fehler (Mismatches) bei der Replikation der DNA zu erkennen und zu beheben. Unkorrigierte Fehlpaarungen führen zu Mutationen, die bei der Zellteilung unkorrigiert weitergegeben werden. Wenn diese Mutationen in den so genanten Onko-Genen oder Tumorsuppressor-Genen erscheinen, wächst die Zelle unkontrolliert und wird zu einer Krebszelle.

Marra hat sich der Immunohistochemie der MMR-Proteine gewidmet, einem Verfahren zur Färbung von Proteinen, das in Gewebeproben genau bestimmen kann, welche an der Reparatur beteiligten MMR-Proteine in den Tumorzellen nicht vorhanden sind.

Dank Marras Arbeit konnte gezeigt werden, dass ungefähr drei Prozent aller Darmkrebs-Erkrankungen auf einen vererbten MMR-Gendefekt zurückzuführen sind. Systematische Analysen von Gewebeproben von anderen Darmkrebs-Fällen zeigten zudem, dass bei weiteren zehn Prozent der nicht genetisch bedingten Erkrankungen ebenfalls das Fehlen von MLH1, einem der MMR-Proteine, die Ursache des Krebses ist.

Die genaue Bestimmung ist sowohl für die Diagnose, wie auch für die Behandlung von grosser Bedeutung, wie Marra erklärt: «Wir konnten zeigen, dass Krebszellen ohne MMR Proteine auf bestimmte Medikamente kaum ansprechen.» Ist das Reparatur-Protein hingegen vorhanden, wirkt das Medikament sehr effektiv. «Das bedeutet, dass herkömmliche Chemo-Therapie bei diesen Fällen wenig sinnvoll ist und andere Therapiewege gesucht werden müssen.» Solche Erkenntnisse liefern wichtige Hinweise für die klinische Forschung und die Entwicklung neuer Medikamente.

Regelmässige Kontrolle als wirkungsvoller Schutz

Ein weiteres Augenmerk in Marras Forschung ist auf die Prävention gerichtet. So untersucht er in einem vom Nationalfonds unterstützten Projekt zusammmen mit einer Gruppe in Basel und in Sion Familien, in denen eine genetische Veranlagung für HNPCC vermutet wird. Dabei können mit genetischen Test Personen mit HNPCC-Syndrom eruiert werden. «Das ist wichtig, denn mit regelmässiger Überwachung kann der Darmkrebs sehr wirkungsvoll verhindert werden.»

Die mutierten Zellen erzeugen nämlich zunächst kleine Polypen oder Adenome, die noch nicht krebsartig sind und einfach endoskopisch entfernt werden können. Normalerweise dauert es zehn bis zwanzig Jahre, bis aus einem solchen Adenom ein Krebsgeschwür wird. Bei Patienten mit HNPCC-Syndrom wachsen die Zellen sehr viel schneller. Bereits innert eines oder zwei Jahren können sich Adenome zu Krebs entwickeln. Deshalb sind regelmässige jährliche Kontrollen notwendig, um die Adenome rechtzeitig entfernen zu können.

Unbekannte Gene im Visier

In Zukunft will Marra den zellbiologischen Zusammenhängen, die zu Darmkrebs führen, noch genauer auf den Grund gehen. Neue Impulse erhält er dabei von der so genannten Micro-Array-Technologie. Dank ihr kann aufgezeigt werden, in welchem Mass Gene in einer Zelle tatsächlich in Proteine umgesetzt werden. Dies ermöglicht ein genaueres Verständnis davon, welchen Einfluss die Gene auf die Abläufe in einer Zelle haben.

Bisher ist Marra auf zwei interessante Gene gestossen, die er nun, ebenfalls dank einer Unterstützung der Zürcher Krebsliga, genauer untersuchen will. Das eine Gen könnte das Wachstum der Krebszellen begünstigen, vermutet Marra. Er will deshalb die bisher unbekannte Funktion des Gens entschlüsseln. Das zweite Gen hingegen scheint in Tumorzellen die Immunantwort zu verstärken und so zu einer günstigeren Prognose beizutragen. Hier interessiert ihn insbesondere das Zusammenspiel der Faktoren, die die stärkere Immunreaktion beeinflussen.