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Taubenvergiften und andere Nutzungen von Parks

«Schau, die Sonne ist warm und die Lüfte sind lau, geh' ma Taubenvergiften im Park» (Georg Kreisler). –Wie man Parks auch noch nutzen kann und was die Grünflächen für viele Leute attraktiv macht, untersucht ein Team um die Geografin Elisabeth Bühler von der Universität Zürich.
Brigitte Blöchlinger

Die Bäume sind grün und der Himmel ist blau,
geh' ma Taubenvergiften im Park.
Wir sitzen zusamm' in der Laube
und a jeder vergiftet a Taube.
Der Frühling, der dringt bis ins innerste Mark
beim Taubenvergiften im Park.
(Georg Kreisler, 1956)

Erst war der Park, dann kamen die Anwohner: Der Wahlen-Park in Neu-Oerlikon harrt noch seiner Entdeckung durch die Zugezogenen.

Der Frühling kommt und mit ihm der Drang ins Freie. In der Stadt führt dieser Gang meist in einen Park – so es denn einen in der Nähe gibt und man sich vorstellen kann, dort angenehme Stunden zu verbringen. Nicht alle denken dabei in erster Linie ans Taubenvergiften wie der satirische Schriftsteller und Kabarettist Georg Kreisler. Den Jungen von heute kommt beim Stichwort «Park» wohl eher Skateboarden oder «Tschutten» in den Sinn, den Mädchen Gummi-Twist und Schwatzen, Managern ihr Mittagssandwich auf der Parkbank und Müttern mit Kleinkindern der autofreie Raum. Doch stimmen diese Klischees auch wirklich?

Wer, wann, wozu im Park?

Die Oberassistentin Elisabeth Bühler vom Geografischen Institut der Universität Zürich und ihr junges Team möchten es genauer wissen. Wer nutzt zu welcher Zeit einen Park wozu und wie fühlen sich die Menschen dabei, lauten ihre Fragen, und um diese wissenschaftlich beantworten zu können, hat sich das Team eine innovative Methode einfallen lassen. «Das Besondere an unserem Park-Projekt besteht darin, dass wir eine quantitative Erhebung – wer nutzt wann wie den Park – mit einer qualitativen Befragung verknüpfen und in einem zweiten Schritt auch grafisch darstellen wollen», erklärt Elisabeth Bühler.

Das Team um die Oberassistentin Elisabeth Bühler (re) vom Geographischen Institut der UZH: (v. l.) Heidi Kaspar, Frank Ostermann, Sabine Timpf.

Was macht einen Park angenehm?

Diesen Sommer geht die Untersuchung los mit dem Wahlen-Park in Neu-Oerlikon. Es wird interessant sein, wie der neuste Park Zürichs von der Bevölkerung in Beschlag genommen wird. Heidi Kaspar und Frank Ostermann werden dort im Juli fast täglich anzutreffen sein. Frank Ostermann wird sich die quantitative Nutzung notieren: Wo finden sich im Laufe des Tages wie viele Leute ein, was machen sie dort, wohin bewegen sie sich, an welchen Wochentagen ist der Park rege genutzt, wann leer und ähnliches. Heidi Kaspar wird die Parkbesucherinnen und -besucher in Gesprächen zu ihrer Befindlichkeit im Park und zu ihrer subjektiven Sicht des Parks befragen (mit methodischer Unterstützung der Geografin und Soziologin Anne-Françoise Gilbert).

Subjektive nicht gleich objektive Einschätzung

Die durch Beobachtungen gewonnenen, quantitativen Daten sollen dann in einem nächsten Schritt während der Wintermonate visualisiert werden, um das «Nachhaltige Entwerfen, Bewirtschaften und Aneignen städtischer Parkanlagen» (so der Titel des Projekts) zu veranschaulichen. Das wichtigste Arbeitsinstrument für diese Visualisierung sind die Geographischen Informationssysteme GIS. Methodische Unterstützung bietet dabei Sabine Timpf, die sich auf GIS spezialisiert hat. Der Mix aus quantitativer und qualitativer Forschung erlaubt es, die Ergebnisse gegenseitig zu stützen beziehungsweise Diskrepanzen aufzudecken. Häufig sagen nämlich die Leute bei einer Befragung etwas anderes, als was sie effektiv im Park tun, sie beanspruchen zum Beispiel mehr beziehungsweise weniger Fläche, als sie das Gefühl haben.

Einfache grafische Darstellung, wie der Wahlen-Park genutzt wird: Die meisten Leute sitzen ums Wasser  herum (hellblauer Kreis), essen etwas  oder beobachten andere, die violett dargestellten Kinder links benutzen die Spielgeräte.

Gibt es die typisch zürcherische Parknutzung?

Für 2007 ist die Beobachtung von drei weiteren Parks in Zürich geplant, im Herbst 2008 möchten die Doktorand/innen das Projekt und ihre Dissertation mit Publikationen abschliessen. Geplant ist für dann auch eine internationale Tagung, an der die Zürcher Ergebnisse mit anderen Befunden (aus Barcelona, Berlin, Hannover, Basel) verglichen werden, so dass eventuell gar eine typisch «zürcherische» Art der Parknutzung herausgearbeitet werden kann.

Die Tagung wird von der städtischen Verwaltungsabteilung Grün Stadt Zürich unterstützt, die auch sonst an den Resultaten interessiert ist und unter anderem das Karten- und Informationsmaterial zu den untersuchten Parks bereit stellt.

Einseitige Nutzung von Parks

Jede Stadt steht vor ähnlichen Problemen bei der Nutzung des öffentlichen Raums, doch Park ist nicht gleich Park. Die berühmteren Parks haben ein je unverkennbares Image entwickelt: Der Hyde Park in London ist wegen des politischen Speaker’s Corner bekannt, der Central Park in New York wegen der Jogger, der Parque Güel in Barcelona zieht mit Gaudis verspielter Architektur an. Doch nicht immer ist das Image positiv, so war die Bäckeranlage im Zürcher Kreis 4 lange die gute Stube von Alkis und Obdachlosen und wurde deshalb von anderen gemieden. – «Insbesondere die geschlechtsspezifische Nutzung von Parks wurde bisher zu wenig untersucht», sagt Elisabeth Bühler, «obwohl Gender bei der sozial nachhaltigen Aneignung von öffentlichem Raum eine sehr wichtige Rolle spielt.» Bisher sei höchstens untersucht worden, ob sich Frauen nachts sicher fühlen – «doch das ist eine sehr einseitige Betrachtungsweise des öffentlichen Raums», so Bühler, die sich auf Gender-Fragen und Visualisierung von Daten spezialisiert hat (unter anderem mit dem Online-Gleichstellungsatlas).

Attraktive Parks für alle

Auch die Stadt Zürich muss sich wie andere Metropolen immer wieder bemühen, den öffentlichen Raum für die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen, für Jung und Alt, Frau und Mann, Reich und Arm, Einheimisch und Ausländisch, attraktiv zu gestalten; ein Anliegen, das besonders bei neuen Grünflächen wie dem Wahlen-Park bisher schlecht steuerbar war. Die Untersuchung des Geografischen Instituts, die eine von 24 Projekten des Nationalfondsprogramms NFP 54 ist, wird zur «Nachhaltigen Siedlungs- und Infrastrukturentwicklung» (Titel des NFP 54) in Schweizer Städten fundamentale Erkenntnisse liefern. So wird es in Zukunft wohl einfacher zu bewerkstelligen sein, dass – bildlich gesprochen – die Taubenvergifter und die Mütter gleichermassen den Frühling im Park geniessen können.