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Fuchsbandwurm im hohen Norden

Sommerferien einmal anders: Sandra Stäbler, Assistentin am Institut für Parasitologie der Universität Zürich, hat sie dieses Jahr in Spitzbergen verbracht. Statt Blutproben nur ins Labor zu schicken, hat ein norwegisches Forschungsteam sie eingeladen, beim Sammeln von Mäuseblut gleich selber mitzuhelfen - ein Erlebnisbericht.
Aufgezeichnet von Adrian Ritter

Sandra Stäbler, Assistentin am Institut für Parasitoloige der Universität Zürich, verbrachte ihre Sommerferien mit einem norwegischen Forschungsteam in Spitzbergen.

«Zuerst dachte ich, nein, das ist mir zu kalt. Nach Spitzbergen fliegen, nah am Polarkreis, das schien mir etwas weit weg. Seit 17 Jahren erforscht ein norwegisches Team von Ökologen, Biologen und Statistikern der Universität Tromsø dort die Mäusepopulation. Sie wollen herausfinden, welche Faktoren die Ausbreitung der Tiere beeinflussen. Dreimal jährlich reisen sie dazu nach Spitzbergen. Bei einem dieser Besuche stellten sie fest, dass gewisse Mäuse vom Fuchsbandwurm befallen sind. Daraufhin wandten sie sich Ende 2004 an unser Institut, weil sie wussten, dass wir uns intensiv mit diesem Parasiten beschäftigen.

Einfache Verhältnisse bei den Wirten

Im März 2005 schickte mir Teamleiter Nigel G. Yoccoz, Professor für biologische Statistik in Tromsø, Blutproben und einige Herzen von Mäusen. Meine Aufgabe war es, einen geeigneten Test zu finden für die Diagnostik des Fuchsbandwurmes über eine Blutuntersuchung. Verglichen mit der Schweiz sind die Verhältnisse in Spitzbergen relativ einfach: Der arktische Fuchs ist der einzige Endwirt und eine einzige Mausart der Zwischenwirt. Schon fast eine experimentelle Situation also. Die Herausforderung bleibt allerdings, im Blut den Fuchsbandwurm von anderen Bandwürmern zu unterscheiden.

Karge, gebirgige Landschaft: Die norwegischen Behörden wollen die Natur in Spitzbergen vor den Touristen schützen. Beliebt sind die zahlreichen Inseln aber für Forschende, welche Rentiere, Wildgänse, Eisbären oder Gletscher untersuchen.

Nachdem ich den geeignetsten Test ausgewählt hatte, lud mich das Team ein, acht Tage mit ihnen in Spitzbergen zu verbringen. Sie erhofften sich durch meinen Besuch, dass ich sie vor Ort mit meinem Fachwissen in ihrer Forschung noch besser unterstützen kann.

Abgesehen von meinen anfänglichen Zweifeln reizte es mich schon, diese Gegend nicht nur als gewöhnliche Touristin kennen zu lernen. Das Reisen auf Spitzbergen ist ziemlich eingeschränkt. Die Behörden wollen die Natur vor den Touristen und die Touristen vor den Eisbären schützen. Andererseits ist Spitzbergen ein beliebtes Territorium für Forschung: Gletscher, Rentiere, Wildgänse, Eisbären und anderes mehr werden untersucht.

Das Forschungsgebiet: Ein Steilhang an der Küste der Hauptinsel von Spitzbergen. In den Grünflächen (Bildhintergrund) haben die Forschenden unzählige Mäusefallen positioniert. Im Vordergrund die zerfallenen Häuser einer verlassenen russischen Kohlenmine.

Waten in kahler Landschaft

Ende Juli flog ich also nach Spitzbergen. Die fünf grösseren und etwa 150 kleineren Inseln sind Teil einer arktischen Wüste, 60 Prozent der Oberfläche sind mit Eis bedeckt. Unser Forschungsgebiet befand sich im eisfreien Bereich - ein Steilhang an einer Küste der Hauptinsel.

Wir hausten in Zelten, neben verfallenen Häusern einer ehemaligen Kohlemine. Der grösste Teil von Spitzbergen gehört politisch zu Norwegen, ein kleiner Teil zu Russland. Beide Länder hatten ihre eigenen Kohleminen, in geringem Masse sind die Stollen auch heute noch in Betrieb.

60 Prozent der Fläche von Spitzbergen besteht aus Eis. Dort, wo es abgetaut ist, verhindert der eisige Untergrund ein Abfliessen des Wasser - was das Wandern nicht gerade einfach macht.

Die Kohle liegt oft auch an der Erdoberfläche. Grüne Flächen hingegen sind in Spitzbergen selten und Bäume hat es gar keine. Die Landschaft ist sehr karg, gebirgig und der Boden oft moosig und feucht, weil das Wasser über dem Permafrost nicht abfliessen kann. Das Laufen auf diesem sumpfigen Boden ist dadurch ziemlich anstrengend.

Auf der Suche nach Auswirkungen von Bandwürmern: Sandra Stäbler und Teamleiter Nigel G. Yoccoz, Professor für biologische Statistik an der Universität Tromsø, beim Sezieren von Mäusen.

Parasiten setzen der Leber zu

Aufgestanden sind wir jeweils um sieben Uhr, wobei es ja die ganze Nacht nie dunkel wird. Unser Tagesablauf war davon geprägt, Mäusefallen zu kontrollieren, Mäuse an den Füssen zu markieren, sie zu wägen und ihnen Blut zu entnehmen. Der ausgewählte Test hat den Vorteil, dass die Diagnose am lebenden Tier gestellt werden kann. Mit so genannten «Lebendfallen» kann somit bei markierten und mehrmals gefangenen Tieren auch der zeitliche Verlauf des Parasitenbefalls untersucht werden.

Daneben setzt das Team auch «Totfallen» ein. Die damit gefangenen Mäuse sezierten wir, um einen Befall mit Bandwürmern auch im Körper feststellen zu können. Der Fuchsbandwurm setzt vor allem der Leber zu, wo er Zysten bildet, an welchen die Tiere sterben können.

So kalt wie ich befürchtet hatte war es in Spitzbergen gar nicht, tagsüber rund 13 Grad und mit etwas Sonne recht angenehm. Erst an den letzten Tagen meines Aufenthaltes sank die Temperatur auf sechs Grad. Mein Problem war aber eher, dass die Luft zugleich feucht war und der Daunenschlafsack nicht mehr richtig wärmte.

Zurück im Labor: Rund 1200 Blutproben wird Sandra Stäbler noch auswerten. Die Schwierigkeit besteht darin, den Fuchsbandwurm von anderen Bandwürmern zu unterscheiden.

1200 Proben folgen noch

Zurück in Zürich warten 25 Mäuselebern in meinem Labor am Tierspital darauf, untersucht zu werden. Rund 1200 Blutproben wird mir das norwegische Team noch schicken. Die Auswertung wird sich ins nächste Jahr ziehen.

Was sich schon jetzt sagen lässt? Es sind relativ viele Mäuse in Spitzbergen befallen. Das norwegische Team wird aber einschätzen müssen, welchen Stellenwert der Fuchsbandwurm für die Verbreitung der Mäusepopulation wohl hat. Von dieser Einschätzung wird abhängig sein, ob das Projekt für mich weitergeht. Vielleicht war Spitzbergen eine einmalige Erfahrung, eine weitere Einladung würde mich aber natürlich auch freuen.»

 

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